AfD-Fraktion besetzt Ausschüsse: Extremist im Verteidigungsausschuss
Die AfD schickt einen als rechtsextrem Eingestuften in den Verteidigungsausschuss. Dort hat Hannes Gnauck Einblick in sensible Vorgänge.
BERLIN taz | Der AfD-Bundestagsabgeordnete Hannes Gnauck durfte während seiner Dienstzeit bei der Bundeswehr zuletzt keine Uniform mehr tragen oder auch nur Kasernen betreten. Der Grund dafür: Der Militärgeheimdienst MAD stufte den Soldaten wegen Kontakten zu extrem rechten Organisationen als „erkannten Extremisten“ ein – mit der höchste Stufe auf dem Ampelwarnsystem: „Rot“.
Die AfD-Fraktion hat sich nun dafür entschieden, den 30-jährigen Brandenburger in den Verteidigungsausschuss zu schicken. Dort erhält der extrem rechte Politiker Einblick in sensible Hintergrund-Informationen – um Rechtsextreme in Diensten der Bundeswehr dürfte es auch gehen. In Vergangenheit hetzte Gnauck als „Botschafter“ der AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“ offen gegen Asylbewerber, sprach in Debatten von einer „gesellschaftszersetzenden Asylmaschinerie“ und fantasierte eine „höllische Symbiose aus Wirtschaftseliten, radikaler Linker und Erfüllungsgehilfen der Migrationslobby“ herbei.
Empörung im restlichen Parlament ließ nicht lange nach Bekanntwerden der Personalie auf sich warten: Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Verteidigungspolitikerin der FDP, sagte: „Dass die AfD-Fraktion einen Abgeordneten in den Verteidigungsausschuss schickt, den der MAD als Extremist einstuft, verhöhnt nicht nur das Parlament, sondern vor allem die Soldatinnen und Soldaten, denn er bekommt dadurch Zugang zu geheimen und sensiblen Akten, in denen es um ihre Sicherheit geht.“ Zugleich erinnerte sie Gnauck daran, dass er sich bei Geheimnisverrat strafbar mache.
Aber auch weitere Überraschungen hielt die AfD bei der bisher bekannten Auswahl ihrer Personalien bereit: Martin Sichert wird Vorsitzender der Arbeitsgruppe Gesundheit. Aufmerksamkeit hatte der 41-Jährige zuletzt erlangt, als er Desinformationen über die Coronaschutzimpfungen von der Bundestagstribüne aus verbreitete. Auf der Tribüne musste er sitzen, weil er sich weigerte, sich testen zu lassen.
Ausschuss-Vorsitze sind noch offen
Ansonsten ist Martin Sichert großer Fan vom Wehrmachtsgeneral Erwin Rommel, äußerte sich in Vergangenheit rassistisch und verharmloste die Kriegsverbrechen der Nazis. Die AfD wird den für die Pandemiebekämpfung wichtigen Gesundheitsausschuss in dieser Legislatur leiten, eine Entscheidung über den Vorsitz des Ausschusses gab es am Freitag allerdings noch nicht.
Die Wahl des Vorsitz des Innenausschusses hat die AfD ebenfalls auf kommenden Dienstag verschoben. Dass die AfD in diesem sensiblen Bereich den Vorsitz bekommt, haben in erster Linie die Grünen verbockt. Diese hatten sich diese Woche im Vergabeverfahren nach Fraktionsstärke für den weit weniger sensiblen Europa-Ausschuss entschieden und der AfD so den Innenausschuss überlassen.
In ihrer Fraktionssitzung am Freitag hat die AfD weitere Vorsitzende von Arbeitsgruppen und fachpolitische Sprecher ernannt:
Petition: Johannes Huber
Inneres: Gottfried Curio
Außen: Petr Bystron
Recht: Thomas Seitz
Haushalt: Peter Boehringer
Agrar: Stephan Protschka
Familie: Martin Reichardt
Verkehr: Dirk Spaniel
Menschenrechte: Jürgen Braun
Entwicklung: Markus Frohnmaier
Tourismus: Sebastian Münzenmeier
Europa: Harald Weyel
Kultur: Marc Jongen.
Verteidigung: Rüdiger Lucassen
Sport: Jörn König
Den Europaausschuss soll nun der Grüne Anton Hofreiter leiten, nachdem dieser bei den Ministerposten leer ausgegangen war. Als möglicher AfD-Vorsitzender hier wird Gottfried Curio gehandelt, der sich vergangene Legislatur mit islamophober Hetze einen Namen machte und in Reden NS-Begriffe verwendete. Er leitet auch künftig die Arbeitsgruppe Innenpolitik.
In den Ausschüssen findet ein wichtiger Teil der parlamentarischen Arbeit statt. Dort arbeiten die Abgeordneten zumeist nichtöffentlich an Gesetzen, gelegentlich gibt es dort auch öffentliche Anhörungen; Regierung und Opposition arbeiten dort im Idealfall konstruktiv und bürsten Gesetze auch gegen den Strich. Schwierig ist das, wenn dort mit der AfD eine Partei (vor-)sitzt, die systematisch versucht, die parlamentarische Demokratie zu unterhöhlen.
Die Ausschussvorsitzenden sind für die Vorbereitung, Einberufung und Leitung der Sitzungen verantwortlich. Sie legen in der Regel Termine und Tagesordnung fest und erteilen in den Sitzungen das Wort – nach der Geschäftsordnung sollen dabei alle Ausschussmitglieder gemäß ihrer Fraktionsstärke zu Wort kommen. Externe Teilnehmer im Ausschuss, wie etwa Sachverständige zu Rechtsextremismus, unterstehen während der Sitzung der Ordnungsgewalt des Vorsitzenden. Wenn der ordnungsgemäße Ablauf nicht mehr gewährleistet ist, kann der Vorsitzende die Sitzung unterbrechen oder „im Einvernehmen mit den Fraktionen im Ausschuss beenden.“
Vergangene Legislatur wurde der völkische AfD-Abgeordnete Stephan Brandner als Vorsitzender des Haushaltsausschusses abgewählt, nachdem er sich wiederholt rassistisch geäußert hatte – ein Novum in der Bundestagsgeschichte.
Leser*innenkommentare
TheDigit
Stephan Brandner wurde nicht als Vorsitzender des Haushaltsausschusses abgewählt, er war Vorsitzender des Rechtsausschusses und wurde als solcher abgewählt.
amigo
Müssen erst wieder Alliierte kommen, um dem braunen Spuk ein Ende zu setzen?
Volker Maerz
Nun, dann wird man eben öfter abwählen müssen. Und die Regeln der Realität anpassen, dass Extremisten im Parlament eingezogen sind und sie darauf aus sind, die Arbeit, wo sie nicht Ergebnisse in ihrem Sinn produziert, zu sabotieren.
Mitch Miller
"als Vorsitzender des Haushaltsausschusses abgewählt"
? das geht dann wieder?
Also Ausschussvorsitzender wird man irgendwie auf Zuruf und dann kann man den aber wieder rausschmeissen?
Dann besteht ja Hoffnung.
denkmalmeckermalmensch
@Mitch Miller Die Abwahl per Mehrheit ist doch ein gutes Verfahren, um den AFDlern den Spaß an der Sabotage zu verderben.
HoboSapiens
Kann er sich dann zu den Erkenntnissen des VS über sich selbst, belesen?! Es ist einfach nur absurd.
Warum wird aktuell nicht gegen Rechte Parteien vorgegangen? AFD, 3.Weg, neue Stärke, NPD, Basis.
Dieses nicht handeln von Institutionen und Politik ist Demokratiezersetzung von oben.
HeinerM
Was genau Herrn Gnauck für den Bereich der Gesundheitspolitik qualifiziert, bleibt ein Geheimnis der sog. Alternative für Deutschland. Als Dipl.-Kaufmann hat er mal bei Norma gearbeitet. Immerhin bleibt sich die sog. Alternative für Deutschland aber treu. In der letzten Legislaturperiode war Detlev Spangenberg der Obmann der sog. Alternative für Deutschland im Gesundheitsausschuss. Der war auch nicht gerade derjenige welcher, der eine ausgesprochen nennenswerte Expertise im Gesundheitsbereich hatte.
Mitch Miller
@HeinerM Falscher Film.
Gnauck, "rechtsextrem Stufe rot": Verteidigungsausschuss.
Martin Sichert, offenbar Coronaleugner und Fakenewsverbreiter: Gesundheitssausschuss.
In was für einem Land lebe ich eigentlich, dass so ein Scheiss möglich ist? Ich hab diese Idioten nicht gewählt und will auch keine Entscheidungen von denen über mein Leben hören.
164 (Profil gelöscht)
Gast
@HeinerM Allerdings geht es im Verteidigungsausschuss, desen Vorsitz Gnauck nun bekommt nicht um Gesundheitspolitik...
Felis
@HeinerM Die einzige Expertise, die man in der AFD findet, ist die für Populismus, Aufhetzung, Rassismus, etc. Darin sind sie Experten. Schlimm, dass solche Leute gewählt werden und die Demokratie ausnutzen für ihre Zwecke. Und das Ganze noch finanziert aus Steuern. Mir wird schlecht davon!