Regierungswechsel mit neuen Köpfen: Landwirtschaft neu denken

Silvia Bender, designierte Staatssekretärin im Landwirtschaftsministerium, und Expertin Tanja Busse präsentierten ihre Agrarwende-Ideen.

Zwei Kühe auf einer Weide.

Kühe eines Biohofs in Brandenburg auf der Weide Foto: serienlicht/imago

BERLIN taz | Noch ist es nicht offiziell, aber vieles spricht dafür, dass dem künftigen Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir zwei kluge Frauen zur Seite stehen. Designierte Staatssektretärin ist Silvia Bender, die diese Funktion bisher in Brandenburg ausfüllte, parlamentarische Staatssekretärin wird die Juristin Manuela Rottmann.

Auf der Veranstaltung „Agrarwende selber machen“, die die Regionalwert AG am Donnerstagabend in der taz organisiert hatte, saß Bender auf dem Podium. „Die Lage für eine Transformation war noch nie so gut wie heute“, sagte sie und begründete das mit der sich verändernden Perspektive der Bauern. Die Landwirtschaft sei nicht nur Treiber, sondern auch Opfer der Klimakatastrophe – und zugleich ein wichtiger Teil der Lösung.

Jetzt komme es auf die politischen Rahmenbedingungen an – und die seien bisher nicht gut, konstatierte Bender. Was fehle sei ein Schutz der Bauern vor der Billigkonkurrenz aus aller Welt. So sei der Kartoffelanbau in Brandenburg extrem zurückgegangen, weil der Preis für Importware niedriger liegt als die Kosten für die Arbeitskräfte in Deutschland. Die Landwirte bräuchten die Sicherheit, dass sie mit guten, regionalen Produkten und mit Klima- und Artenschutz Geld verdienen können.

„Es darf nicht allein darum gehen, ihnen den entgangenen Nutzen auszugleichen,“ betonte Bender. Mit einem ganzen Strauß von Maßnahmen hat die Brandenburger Landesregierung bereits angefangen, Regionalisierung zu fördern. Das beginnt bei der Unterstützung für Verarbeitungskapazitäten und reicht bis dahin, Regionalität in öffentlichen Ausschreibungen durch ein Logo zu einem rechtssicheres Kriterium zu machen. Darüber hinaus fördert das Land Wertschöpfungsketten-Entwickler*innen.

Die Buchautorin und Agrarexpertin Tanja Busse beschrieb zunächst die Dramatik der Situation auf vielen Ebenen. Beim Verlust der Artenvielfalt gehe es nicht ums Aussterben einzelner Tier- und Pflanzenarten. „Wir riskieren riesige Todeszonen, wo nichts mehr lebt.“

Werbung fördert Fehlerernährung

Zugleich stecken wir in einer tiefen Ernährungskrise mit immensen volkswirtschaftlichen Schäden durch Fehlernährung. Kinder würden mit Werbung für hochverarbeite Lebensmittel und Softdrinks geködert. „Es ist gemein und infam, ihnen die Schuld zu geben, dass sie zu dick sind und ihnen zu raten, mehr Sport zu treiben.“ Auch die Wasserwerke seien alarmiert: Viele Trinkwasserbrunnen mussten aufgrund der heutigen Landwirtschaftspraxis geschlossen werden. Busses Fazit: „Teillösungen reichen nicht mehr.“

Zugleich warb sie dafür, Lösungen im Dialog mit den Bauern zu suchen. Jahrzehntelang galt das Credo, sie müssten hocheffizient für den Weltmarkt produzieren. Viele seien immens verschuldet. „Und nun sollen sie eine Kehrtwende im laufenden Betrieb vornehmen.“ Ihre Demonstrationen und Blockaden seien Ausdruck von Verzweiflung.

Busse warnte vor der Gefahr einer Radikalisierung der Proteste und warb für Vielfalt auf allen Ebenen. Vielfältig zusammengesetzte Gruppen sollten bei den regionalen Entwicklungsplanungen einbezogen werden mit dem Ziel, mehr Vielfalt auf Feldern und Tellern zu organisieren. Busses gute Nachricht: Bei solchem lösungsorientierten Vorgehen könnten unterschiedliche Probleme gleichzeitig angegangen werden – vom Klima-, Biodiversitäts- und Wasserschutz bis hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit und einer Senkung der Kosten für die Krankenkassen.

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