Lübecker Unternehmer Winfried Stöcker: Bizarres Weltbild

Winfried Stöcker hat sich einen Namen als Rassist und Sexist gemacht. Am Wochenende ließ er selbst gemachten Impfstoff verspritzen, bis die Polizei kam.

Winfried Stöcker, Inhaber des Flughafens Lübeck, spricht nach der Übergabe der Flughafenlizenz der Europäischen Agentur für Luftsicherheit.

Glaubt, den besten Impfstoff von allen entwickelt zu haben: Winfried Stöcker, hier im März 2019 Foto: Carsten Rehder/dpa

LÜBECK taz | Vergangenen Samstag hatte Lübeck für ein paar Stunden ein illegales Impfzentrum an einem ungewöhnlichen Ort: im Lübecker Flughafen. Der Besitzer des Flughafens, der Medizinprofessor und Unternehmer Winfried Stöcker, hatte in einer Rundmail zum Guerilla-Impfen eingeladen. Mehr als 200 Menschen kamen. Als am Nachmittag die Polizei die Aktion auflöste, hatten schon fünfzig von ihnen den „Lübeck-Impfstoff“ injiziert bekommen, den Stöcker selbst entwickelt hatte. Doch er hätte damit gar nicht impfen dürfen: Denn der Stoff ist nicht zugelassen.

Schon im März 2020, als das Coronavirus erst wenige Wochen alt war, verkündet Stöcker, er habe den allerersten Impfstoff weltweit entwickelt, und testete das „Lübeck-Vakzin“ medienwirksam an sich selbst. Diesen Sommer ließ er in Görlitz 376 MitarbeiterInnen eines Kaufhauses impfen, das er dort besitzt. Das sei für Ärzte „völlig legal“, kommentierte Stöcker. Die Staatsanwaltschaft sieht das ein wenig anders und ermittelt gegen ihn wegen einer Straftat gegen das Arzneimittelgesetz.

Stöcker versteht sich selbst als Kämpfer für die gute Sache. Sein Impfstoff enthalte weder Vektorviren noch Corona-RNS, sondern basiere auf Proteinen, habe keine Nebenwirkungen und wirke fünf Jahre lang, sagt er.

Viele der Freiwilligen, die sich mit dem nicht zugelassenen Präparat impfen lassen wollen, kommen aus Stöckers Fan-Kreis. Auf seiner Homepage bietet er neben mit Blumen und Vögeln bemalten Eiern und Rezepten für Quittenmarmelade eine Anleitung an, mit der ÄrztInnen selbst Impfstoffe herstellen können. Das skurrile Arrangement hält BesucherInnen nicht davon ab, dort begeisterte Kommentare zu hinterlassen.

Winfried Stöcker hatte in einer Rundmail zum Guerilla-Impfen eingeladen. Mehr als 200 Menschen kamen

Dass er mit seinen Positionen auch aneckt, störte den Professor nie besonders. Im August 2020 belagerten Klima­schützerInnen den Regionalflughafen und protestierten gegen Kurzstreckenflüge. Stöcker vereinbarte erst ein Gespräch, überlegte es sich dann aber doch anders. In seinem Wagen mit Chauffeur und getönten Scheiben spielte er ein Katz- und Maus-Spiel mit den Demonstrierenden, bevor er mit heulendem Motor das Flughafengelände verließ.

Zweifelhafte Berühmtheit erlangte Stöcker 2014, als er in einem Interview mit der Sächsischen Zeitung vor der „Islamisierung Deutschlands“ warnte. Er wolle Asylsuchende „am liebsten zurück in ihre Heimat schicken“. In Äußerungen beharrte er auf dem N-Wort. Als Bürgerschaft und Universität in Lübeck sich von ihm distanzierten, entzog er der Uni regelmäßige Spenden in Höhe von jährlich einer Million Euro.

Besonders provokant war sein Lösungsvorschlag für die Flüchtlingsfrage: „Zeugt viele Kinder, dass wir dem mutwillig herbeigeführten, sinnlosen Ansturm unberechtigter Asylanten etwas entgegensetzen können“, empfahl er in seiner Weihnachtsansprache 2017 der Belegschaft der Lübecker Labordiagnostik-Firma „Euroimmun“. Deren Chef war er bis 2019.

Die rassistischen Äußerungen sind nur ein Teil seines bizarren Weltbilds. So sollten diese Kinder nicht irgendwie gezeugt werden – der Aufruf war Stöckers Beitrag zur #MeToo-Debatte. Er sieht in „angeblichem“ Machtmissbrauch nichts Verwerfliches, erzählt von einem Kollegen „in führender Stellung“, der erst mit einer Praktikantin und dann mit einer Werkstudentin Familien gegründet habe. In seinen Augen tragen die Frauen selbst die Verantwortung für Übergriffe: „Die Mädchen könnten zurückhaltender gekleidet und weniger provozierend zum Casting gehen, dass die armen Regisseure auf dem Pfad der Tugend bleiben.“

Einen Rat gibt er ihnen noch mit: „Glaubt niemandem, außer mir.“ So ähnlich argumentiert er nun auch in Bezug auf seinen Impfstoff. Seit er sich einen schlohweißen Bart hat wachsen lassen, sieht Stöcker seriöser und weniger hart aus – Typ Landarzt. An Selbstvertrauen mangelte es ihm noch nie. Er will sein Vakzin nun im eigenen Labor zulassen, um es danach im Ausland zu vertreiben. Schließlich sei der Lübecker Impfstoff von allen, die es gibt, „der beste“.

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