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Transfeindlichkeit im Cottbusser StadionAlle gegen eine

Energie-Cottbus-Fans nehmen mit einer transfeindlichem Choreo im Stadion eine Anhängerin des SV Babelsberg 03 ins Visier – bislang ohne Folgen.

Machen häufiger Probleme: Cottbusser Fans beim Spiel gegen den SV Babelsberg 03 Foto: Steffen Beyer/imago

Beim Regionalligaderby Energie Cottbus gegen den SV Babelsberg hielten die Cottbusser Fans ein Spruchband mit der Aufschrift „Eure Daten sind uns scheißegal. Sind eure Fressen doch die größte Qual“. Daneben ein gezeichnetes Foto von der Rapperin und Buchautorin FaulenzA aus Berlin, die sich für die queere Fanszene von Babelsberg engagiert.

Der Spruch bezieht sich zunächst auf den Spielboykott der „Nordkurve Babelsberg“, die nicht nach Cottbus anreisten, da als Coronamaßnahme die Daten der Gästefans gespeichert werden. Unter den Fans von Energie Cottbus sind einige in rechten Netzwerken organisiert. Deshalb entschlossen sich die Babelsberger An­hän­ge­r*in­nen gegen einen Stadionbesuch: „Für uns ist klar, dass wir unsere Daten nicht an Stellen geben werden, an denen organisierte Faschisten potenziell Zugriff darauf haben“, schrieb die Babelsberger Ultragruppe „Filmstadt Inferno 1999“ in einem Statement.

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Dass in Fankurven Hatespeech und Diskriminierungen vorkommen, ist nicht ungewöhnlich. Auch werden manchmal einzelne Personen herausgegriffen. Am bekanntesten sind gewiss die Anfeindungen gegen Dietmar Hopp, den Mäzen der TSG Hoffenheim. In Cottbus wurde jedoch eine Einzelperson zur Zielscheibe, die keine Machtposition im Fußballgeschäft besitzt. Die Betroffene gehört auch nicht zu den Ultrafangruppen des SV Babelsbergs 03. Die Anfeindungen sind doppelbödig und subtil, das Spruchband und das Bild der Rapperin FaulenzA zudem auf verschiedenen Bannern abgebildet.

FaulenzA engagiert sich seit dem Sommer 2019 bei der Fangruppe „Babelsqueers“, die sich „mehr Sichtbarkeit von LGBTQIA+ in der Fußballkultur“ wünschen. Im Januar 2021 veröffentlichte sie einen Babelsberg-Fansong. Daraufhin bekam sie schon damals viele Hassnachrichten von Rechten, erzählt sie. Auf Facebook wird ihr Song mit transfeindlichen Kommentaren geteilt. In der Aktion aus Cottbus sieht sie nicht nur eine Anfeindung gegen ihre Person, sondern gegen Transmenschen allgemein, sagt sie. Die Bilder aus der Fankurve werden ihr mehrfach in Privatnachrichten zugesendet.

Transfeindliche Beleidigungen

Nachdem sie die Banner auf ihrem Instagram-Account öffentlich kritisiert, erhält sie Solidaritätsnachrichten, aber auch weitere Beleidigungen mit transfeindlichen Inhalten. FaulenzA beschreibt sich selbst als „transweibliche Rapperin und Folkpunk-Musikerin aus Berlin“. Sie rappt vor allem über linke Kämpfe, queeres Empowerment, Gefühle und „psychische Störungen“. FaulenzA spielt selbst auch Fußball und hat einen Abschluss in Sozialer Arbeit. Aufgrund posttraumatischer Belastungsstörungen, ihres Tourette-Syndroms und einer Dissoziativen Identitätsstruktur ist sie jedoch dauerhaft arbeitsunfähig.

In ihrer Kindheit stand sie bereits bei Borussia Mönchengladbach in der Fankurve. FaulenzA schreibt in ihrer Kolumne im queeren Berliner Stadtmagazin Siegessäule. „Nach meinem Coming-out als trans* Frau habe ich mich aber nicht mehr ins Stadion getraut. Unter Fußballfans gibt es viele Macker mit queerfeindlichen Ansichten.“ Beim SV Babelsberg 03 fand sie eine Fanszene, in der sie sich wohlfühlt. Gemeinsam mit den Ultrafangruppen von SV Babelsberg 03, die sich mit FaulenzA solidarisieren, überlegt sie sich nun, wie sie gegen diesen persönlichen Angriff vorgehen wird.

Die Presseabteilung von Energie Cottbus bedauert auf Anfrage der taz, dass sich die Künstlerin FaulenzA durch die Fanaktion bedroht fühlt. Das gezeigte Banner sei nicht angemeldet gewesen und der Sicherheitsberatung des Vereins daher nicht bekannt: „Mag man den ersten Teil ‚Eure Daten sind uns scheißegal‘ als Reaktion auf die Veröffentlichung der Babelsberger Fanszene im Rahmen von Fan-Rivalität noch tolerieren können, distanzieren wir uns als Verein von diffamierenden und beleidigenden Äußerungen jedweder Art.Derartige Dinge spiegeln nicht die Werte des FC Energie Cottbus wider, der sich vielfach für Toleranz, Gewaltfreiheit und gegen Rassismus einsetzt.“ Außerdem stehe der Verein mit der Polizei in Kontakt, da es nach dem Spiel im Stadion einen tätlichen Angriff auf einen Mitarbeiter des SV Babelsberg 03 gegeben habe.

Eskalierende Partie 2017

Dass die Spiele zwischen dem SV Babelsberg und Energie Cottbus besonderes Eskalationspotential haben, zeigen auch vergangene Begegnungen der beiden Teams. Trauriger Höhepunkt war die Partie im April 2017. Dort gab es im Gästeblock des Potsdamer-Stadions Nazi-Gesänge, rund 100 An­hän­ge­r*in­nen des damaligen Erstligisten Cottbus skandierten antisemitische Schmähungen und zeigten auch den Hitlergruß. Später ermittelte der Staatsschutz, ein Fan von Cottbus wurde vom Potsdamer Amtsgericht zu einer hohen Geldstrafe verurteilt. Seit 2018 gibt es die Gruppe „Energie-Fans gegen Nazis“, mit der Cottbusser-Fußballanhänger*innen gegen die Wahrnehmung angehen wollen, dass Energie Cottbus-Fans nur aus dem rechten Spektrum kommen.

Die Uefa sieht im Falle von Fehlverhalten von Fans seit 2009 einen Dreistufenplan für Schieds­rich­te­r*in­nen vor. Seit 2019 hat sich auch die Fifa diese Handlungsempfehlungen zu eigen gemacht. Diese besagen, dass Schieds­rich­te­r*in­nen das Spiel bei diskriminierenden Beleidigungen zunächst anhalten sollten, um dann eine entsprechende Stadiondurchsage zu veranlassen. In der zweiten Stufe soll das Spiel unterbrochen werden. Die dritte Stufe sieht bei anhaltendem Fehlverhalten den Spielabbruch vor.

Im Fall des Derbys in Cottbus, das das Heimteam mit 2:0 gewann, wurde die Transfeindlichkeit in der Fan-Choreo vermutlich von vielen nicht als solche erkannt. Die Lausitzer Rundschau etwa schrieb von einem überwiegend friedlichen Spiel und lobte die tolle Atmosphäre.

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3 Kommentare

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  • 3G
    33955 (Profil gelöscht)

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  • Wie es immer so ist, nur das Kapital darf Polizei und Co. sich einverleiben. Bei anderen Menschen findet solche "Solidarität" unserer Exekutive natürlich nicht statt. Und schon gar nicht in Berlin-Brandenburg...

  • Zu einer Facebook-Plattform zu verlinken, deren Inhalte im öffentlichen Netz überhaupt nicht sichtbar sind, sondern nur gegen Hergabe allerlei persönlicher Daten, finde ich etwas unglücklich. :-\