Deutschlandtag der Jungen Union: Schaulaufen und Selbstkritik

Auf dem Deutschlandtag übernimmt Laschet die Verantwortung für das Wahlergebnis. Mögliche Nachfolger buhlen um die Gunst der Jungen.

Armin Laschet fässt kratzt sich unter dem linken Auge

Im Gegensatz zu Söder anwesend: Armin Laschet übernimmt Verantwortung auf dem Deutschlandtag Foto: reuters/Leon Kuegler

MÜNSTER taz | An diesem Samstag hat Markus Söder Armin Laschet einmal wirklich unterstützt. Weil der CSU-Chef seine Teilnahme am Deutschlandtag der Jungen Union in Münster kurzfristig absagte, zollen die Mitglieder der Unionsnachwuchsorganisation dem gescheiterten Kanzlerkandidaten schon allein deshalb Respekt, weil er sich der Diskussion mit ihnen stellt. Das zeige einen „ganz starken Charakter“, lobt JU-Chef Tilman Kuban, als Laschet unter warmem Applaus in die Münsterlandhalle eingezogen ist. Eine Anerkennung, die auch nahelegt, was Kuban von Söders Charakter so halten mag.

Das Ganze ist nicht nur bemerkenswert, weil die Union mit Laschet als Kanzlerkandidaten eine dramatische Niederlage eingefahren hat, wegen der zahlreiche Mitglieder der JU den Einzug in den Bundestag verpassten. Sondern auch, weil die Mehrheit der JU Laschet als Kandidaten nie wollte. Sie hatten sich für Söder ausgesprochen.

Als Laschet dann auf der Bühne der Münsterlandhalle steht, übernimmt er die volle Verantwortung für die Wahlniederlage. „Wir haben ein bitteres Ergebnis erzielt“, sagt er. „Nichts lässt sich schönreden. Die Verantwortung trage ich als Vorsitzender und Kanzlerkandidat.“ Den Wahlkampf, die Kampagne habe er zu verantworten „und sonst niemand“. Und obwohl dies für ihn nicht leicht sein dürfte, wirkt Laschet gelöst und bei sich, wie schon lange nicht mehr.

Mit Handyverboten gegen Indiskretionen

In den selbstkritischen Auftritt aber mischt er Kritik an den Führungsgremien der CDU und auch an der Schwesterpartei. „Dass man den CDU-Bundesvorstand im Liveticker mitverfolgen konnte, war schon der Beginn einer Schwächung im Wahlkampf“, sagt Laschet. Er habe nun in den Gremien ein Handyverbot verhängt. Die Indiskretionen der Union bei den Jamaika-Sondierungen kritisiert Laschet scharf, das Verhältnis zwischen CDU und CSU beschreibt er als sehr schlecht. Söders Namen aber nennt Laschet nicht. „Die SPD hat gezeigt, wie man trotz Gegensätzen geschlossen Wahlkampf macht. Das war mal die Stärke der Union und das muss wieder unsere Stärke werden.“

Er teile, so Laschet weiter, nicht die Formulierung aus der Wirtschaft, die Friedrich Merz am Vorabend gewählt hatte, nämlich dass die Union ein „insolvenzgefährdeter schwerer Sanierungsfall“ sei. Laschet rät der Union, in der Opposition nicht schrill zu werden. Wenn sich die CDU richtig aufstelle, könne sie 2022 die Landtagswahlen im Saarland, in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen gewinnen. Dafür bekommt Laschet Standing Ovations. „Auf einen, der am Boden liegt, soll man ja nicht noch eintreten“, sagt unterdessen im Publikum einer der Delegierten zu seinem Nebenmann.

Was ist das CDU-Kernthema?

Ganz so einfach aber lässt die JU Laschet nicht davonkommen. Nach seiner Rede fragt einer der Delegierten, was denn die drei zentralen Punkte seien, die falsch gelaufen sind – „und wie kann man das besser machen?“ Eine Delegierte fragt: „Die Grünen haben den Klimaschutz, was soll denn unser Kernthema sein?“ Dazu fällt Laschet allerdings nur ein Verweis auf das Wahlprogramm ein, das so schlecht ja nicht gewesen sei.

Die JU hat eine eigene Wahlanalyse formuliert, die später am Samstag mit den Generalsekretären von CDU und CSU, Paul Ziemiak und Markus Blume, diskutiert und als Antrag abgestimmt werden soll. Darin wird mit Laschet weniger zahm umgegangen. Laschet, heißt es, „konnte als Kandidat die Menschen nicht so erreichen, wie es von vielen erhofft wurde“. Doch anders, als es manche versuchen, lädt die JU nicht alle Schuld bei dem gescheiterten Kanzlerkandidaten ab. „Eine solche Kandidatur ist aber keine One-Man-Show. Weder im Sieg noch in der Niederlage.“

Die Jungen wollen einen „Unionsrat“

Die Parteispitze, Söder, das Konrad-Adenauer-Haus – die Kritik der JU ist breit gestreut. Einer der weitreichendsten Fehler sei gewesen, den Kanzlerkandidaten zu spät und ohne Beteiligung der Basis zu benennen. Deshalb fordert die JU nun eine Mitgliederbefragung in Sachen Parteivorsitz. Auch will sie einen „Unionsrat“ einführen, der künftig unter anderem das Verfahren klären soll, wie der Kanzlerkandidat bestimmt werden soll.

Überraschend verlief am Vorabend der Auftritt von Friedrich Merz, der erste von mehreren möglichen Kandidaten für den Parteivorsitz, die dem Deutschlandtag einen Besuch abstatteten. Merz hatte seine Partei aufgefordert, nicht Personalfragen in den Mittelpunkt zu stellen, sondern die inhaltliche Aufstellung.

„Wir sollten uns ausschließlich mit der Frage beschäftigen, wie kommen wir da wieder raus?“, sagte Merz. Dann sprang er von Thema zu Thema, vom Muezzin-Ruf in Köln über das Rentensystem bis zu Dekarbonisierung – doch all das zündete nicht richtig bei seinen Zuhörer:innen.

Merz not amused

Im Saal wurde fleißig gequatscht, auch kursierten die ersten Bierflaschen, wie Merz spitz bemerkte. Bei den Nachfragen dankte ein Delegierter aus Bayern für die „Problembeschreibung“. Was aber denn nun die Lösungsvorschläge seien. Da zeigte sich Merz gar nicht amüsiert. Schließlich sei er doch einer, der an diesen Fragen intensiv gearbeitet habe.

Dazu passt, was JU-Chef Kuban am Samstagnachmittag andeutet: Dass die Nachwuchsorganisation Merz nicht als künftigen CDU-Chef sieht. „Friedrich Merz ist ein kluger Kopf, der sicherlich auch als Berater und als Unterstützer mit dabei sein kann“, sagt Kuban in einem Interview mit RTL/ntv. „Wir brauchen vor allem mehr junge, frische und unverbrauchte Köpfe in der Parteispitze.“

Deutlich mehr rockt am Samstagmittag Gesundheitsminister Jens Spahn den Saal, der als zweiter der möglichen Kandidaten spricht. „Es war ein beschissenes Wahlergebnis und die Lage ist es auch. Da gibt es nichts drumherum zu reden“, sagt er. Aber Spahn gibt sich auch kämpferisch: „Die CDU ist nicht erledigt.“ Die Partei müsse die Zerrissenheit überwinden und Debatten führen. „‚Das ist alternativlos‘, will ich auf einem Parteitag nie wieder hören.“

Spahn rockt, aber nur ein bisschen

Klarer als andere benennt Spahn Leitsätze, die weiterhin für die CDU gelten würden, die man nun aber neu mit Inhalt füllen müsse. „Wer arbeitet, soll mehr haben“ sei so ein Satz. „Erwirtschaften kommt vor dem Verteilen“ ein anderer. Oder: „Die Familie ist der Kern der Gesellschaft.“ Und dass „Vielfalt nationale Einheit braucht.“ Auch ruft Spahn zu Teamgeist statt „Schaulaufen“ auf. „Es geht hier doch nicht um Armin, Friedrich, Jens, Ralph oder wen auch immer“, ruft er unter großem Beifall in der Halle. „Die Union ist größer als jeder von uns.“

Doch genau das geschieht hier natürlich an diesem Wochenende: ein Schaulaufen für den Parteivorsitz. „Ich habe Lust darauf, diese neue CDU zu gestalten“, sagt Spahn. Der Chef der Mittelstandvereinigung Carsten Linnemann und Fraktionschef Ralph Brinkhaus, auch sie mögliche Kandidaten für den Parteivorsitz, werden als Redner noch erwartet. Norbert Röttgen soll im Saal gesichtet worden sein.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.