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Bundestagspräsidentin Bärbel BasNoch nicht die Hälfte der Macht

Patricia Hecht
Kommentar von Patricia Hecht

Keine Frau als Bundestagspräsidentin zu nominieren, käme einem Affront gleich. Denn reine Männerrunden gehören der Vergangenheit an.

Bärbel Bas könnte die nächste Bundestagspräsidentin werden Foto: Christoph Hardt/picture alliance

B ärbel Bas könnte die zweite Frau im Staat und die dritte im Bunde werden: Nach Annemarie Renger (SPD) in den 1970ern und Rita Süssmuth (CDU) in den 80ern und 90ern schlägt die SPD nun Bas als Bundestagspräsidentin vor. Mehr als viermal so viele Männer haben es bislang in dieses Amt geschafft.

Keine Frau als Bundestagspräsidentin zu nominieren käme 2021 einem gleichstellungspolitischen Affront gleich. Denn mit der sich abzeichnenden Ampelkoalition hätte ein männlicher Bundestagspräsident bedeuten können, dass die fünf höchsten Ämter der Republik nur mit Männern besetzt worden wären: Bundespräsident, Bundestagspräsident, Bundeskanzler, Bundesratspräsident und Präsident des Bundesverfassungsgerichts.

Eine solche männliche Machtfülle an der Staatsspitze wäre anachronistisch und für SPD und Grüne, die gesellschaftspolitische Aufbruchssignale senden wollen, schlicht ein Ding der Unmöglichkeit.

Die SPD pocht auf Teilhabe, will Parität und bläst im Wahlprogramm zum „Jahrzehnt der Gleichstellung“. Eine Entscheidung für Frak­tionschef Rolf Mützenich, der auch hoch gehandelt wurde, hätte die Partei gleich zu Beginn der neuen Legislatur Lügen gestraft.

Ein Mann wäre schwierig gewesen

Auch in Bezug auf die möglichen Koalitionspartner wäre ein Mann schwierig gewesen. Das gilt mit Blick auf die Grünen, die Gleichstellung ernster nehmen als die SPD und Partner der Koalition werden sollen. Und die FDP, die sich mit aller Entschiedenheit gegen Quoten wehrt, hätte sich ins Fäustchen lachen und während der Verhandlungen mit dem Finger auf die SPD zeigen können, die ihre eigenen Vorgaben bricht.

Und dennoch: Die Entscheidung für Bas war wohl nicht primär eine Entscheidung für sie – sondern für Frank-Walter Steinmeier. Denn der hat schon sein Interesse an einer zweiten Amtszeit als Staatsoberhaupt kundgetan. Hätte die SPD nun also keine Frau aus dem Hut gezaubert, wäre es für den Bundespräsidenten eng geworden.

Gegen Bas spricht das keineswegs. Mit ihr rückt eine bislang eher unauffällige Gesundheitspolitikerin der SPD-Linken und eine der wenigen Nicht­akademikerinnen der Bundestagsfraktion nach vorn. Als Nachfolgerin von Wolfgang Schäuble würde sie das Plenum leiten und das Hausrecht innehaben. Bei einer konservativen und rechten Opposition käme es auf ihre persönliche Präsenz an.

„Frauen gehört die Hälfte der Macht“: Damit hat SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz Wahlkampf gemacht. Bas’ Wahl kann deshalb auch als Signal gewertet werden, dass bei einer Ampel eine paritätische Besetzung des Kabinetts ansteht. Reine Männerrunden gehören der Vergangenheit an.

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Patricia Hecht
Redakteurin Inland
war Chefin vom Dienst in der Berlinredaktion, hat die Seite Eins gemacht und arbeitet jetzt als Redakteurin für Geschlechterpolitik im Inland. 2019 erschien von ihr (mit M. Gürgen, S. am Orde, C. Jakob und N. Horaczek) "Angriff auf Europa - die Internationale des Rechtspopulismus" im Ch. Links Verlag. Im März 2022 erschien mit Gesine Agena und Dinah Riese "Selbstbestimmt. Für reproduktive Rechte" im Verlag Klaus Wagenbach.
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12 Kommentare

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  • Reine Symbolpolitik ist immer ein zweischneidiges Schwert.

    Zum Einen hat @RUEDIGER weiter unten recht: Eine Frau um der Quote willen auf eine Position zu hieven, die diese ganz sicher nicht erreicht hätte, wenn sie ein Mann wäre, ist für echte Augenhöhe eher kontraproduktiv. Offensichtliche gleichstellungspolitische Geschenke sind eher Symbole des FEHLENS von Frauen, die auf Basis ihrer Qualifikation nominiert werden. Die Autorität einer solchen Bundestagspräsidentin ist von vornherein geschädigt.

    Zum Zweiten zeigt schon das Jubilieren darüber, dass es NICHT Mützenich geworden ist, wie oberflächlich der Sieg ist: Wer ist denn wirklich mächtiger? Die zur Überparteilichkeit verpflichtete Bundestagspräsidentin, die eigentlich nur GO-Wächterin ist, oder der Chef der größten BT-Fraktion?

    Hoffentlich zeigt Frau Bas bislang in der Öffentlichkeit unbekannte Talente im Umsprung mit den Abgeordneten. Sie hat mit Lammert und Schäuble zwei rhetorisch brilliante Vorgänger, die es immer verstanden haben die antiparlamentarischen Frechheiten insbesondere der AfD, aber auch den zuweilen gutherrenmäßigen Umgang einiger anderer brillianter Rhetoriker mit den Regeln der Debatte souverän im Zaum zu halten, ohne über die Stränge ihrer politisch neutralen Aufgabe zu schlagen. Große Fußstapfen - ich wünsche ihr ein glückliches Händchen.

  • Wenn ich wiki richzig deute, hat sie nach dem Hauptschulabschluss nur Aus- und Fortbildungen und Betriebsrat und Aufsichtsrat gemacht.

  • Wir hatten 16 Jahre lang eine Kanzlerin.

  • Sach mal so:

    Nach Mielke auf Rädern - einem ausgewiesenem schlimmen Finger.



    Kanns ja - Welcher Proporz auch immer hinoderher!



    Nur Besser werden - ganz genderneutral egal •



    & Wat et all jit - Woll. => servíce =>



    “ Bas ist Schirmherrin des Malteser Hospizes St. Raphael in Duisburg-Huckingen[11] und Mitglied des Stiftungsrates der Stiftung Humanitäre Hilfe für durch Blutprodukte HIV-infizierte Personen.[5] Seit Juli 2015 ist sie Mitglied des Aufsichtsrates der Hüttenwerke Krupp Mannesmann GmbH (HKM).[6] Bis zum 15. März 2013 war sie Mitglied des Aufsichtsrates der Stadtwerke Duisburg.[12] Sie ist Schatzmeisterin der Parlamentarischen Linken (PL) und Mitglied bei ver.di.“



    de.wikipedia.org/wiki/B%C3%A4rbel_Bas

    kurz - Na dann. Briefumschläge sind nicht vermerkt!



    Aber zwei Aufsichtsratssessel - sind auch nicht nichts! Wollnichwoll.



    “Wer in NRW in der SPD is - wär in Bayern in der CSU!“



    & Avsant Propos =>



    Da schließt sich der Kreis ⭕️ jenseits Proporz & hohler Ideologie!



    Na aber & wie •

  • Wenn man ehrlich ist, wird Frau Bas nur Bundestagspräsidentin, weil sie eine Frau ist. Keiner ihrer Vorgänger, auch keine ihre Vorgängerinnen, war vorher so unbekannt und so unbedeutend. Ein Mann hätte mit dieser Vita ein solches Amt nicht bekommen. So sollte Chancengleichheit nicht funktionieren, hier sieht man sehr gut, wie kontraproduktiv Quoten sind.

    Es ist ja nicht so, dass die SPD keine Frauen gehabt hätte: Lamprecht, Vogt, Barley, Nahles, Giffey, Schwesig um nur ein paar Namen zu nennen. Aber sie sind alle weg aus der Bundespolitik, hatten keine Lust mehr, wollten nicht in die sicher geglaubte Opposition oder was auch immer. Gesine Schwan wollte zweimal Präsidentin werden und einmal Parteichefin, aber auf Parlament hatte sie wohl nie Lust. Das Problem sind nicht die vorhandenen Männer, sondern die fehlenden Frauen

    Die Hälfte der Macht? Ein Bundestagspräsident hat keine Macht. Und es gibt keine spezifisch weiblichen Interessen oder Standpunkte - Macht hat kein Geschlecht.

    • @Ruediger:

      "Ein Bundestagspräsident hat keine Macht"

      Also ist es auch vollkommen egal wer es macht!

    • @Ruediger:

      Ihre behauptung, macht habe kein geschlecht, ist seit langem als törichter humbug entlarvt.

      Selbst die männlich dominierte wikipedia beginnt den beitrag zum patriarchat mit:

      "Patriarchat (wörtlich „Väterherrschaft, Vaterrecht“) beschreibt in der Soziologie, der Politikwissenschaft und verschiedenen Gesellschaftstheorien ein System von sozialen Beziehungen, maßgebenden Werten, Normen und Verhaltensmustern, das von Vätern und Männern geprägt, kontrolliert und repräsentiert wird."

      Nach den unmengen von bockmist, den unfähige männer in lauf der geschichte angerichtet haben erfüllt mich jede frau in einer machtposition zunächst mit zuversicht. Daran ändern auch namen wie Margaret Thatcher, Indira Gandhi, Ursula von der Leyen oder Angela Merkel nichts. Der gleichberechtigten teilhabe aller geschlechter gehört die zukunft.

      • @hinnerk untiedt:

        „Nach den Unmengen von Bockmist, den unfähige Männer in Lauf der Geschichte angerichtet haben erfüllt mich jede Frau in einer Machtposition zunächst mit Zuversicht“



        Leider haben Sie diesen Gedanken nicht zu Ende gedacht. Wenn künftig gleichviele Männer und Frauen Verantwortung tragen, wird sich rückblickend sicher herausstellen, dass Männer und Frauen etwa gleichviel „Bockmist“ veranstaltet haben. Auch die in Ihrem Folgesatz erwähnten Damen sprechen dafür. Was also gibt Ihnen Zuversicht?

        • @Pfanni:

          Da hat ihnen wohl die eigene 'gedankenpolizei' einen streich gespielt. Nicht von kognitiver verzerrung betroffene kennen die positiven wirkungen der gleichstellung.

        • @Pfanni:

          Liggers. Dor isset bi lütten tid för - Jan Hinnerk van de Lammerlammerstraat.



          m.youtube.com/watch?v=0quCz36UBRg

          kurz - Hei weet vonne Steenstroot nix af.

          • @Lowandorder:

            Danke!



            Ich ahnte, dass ich auf Sie zählen kann. :-)

            Ich mag das Lied gern und bin in meinem persönlichen Umkreis der Einzige, der es kennt.

            Jetzt kenne ich wenigstens noch einen. :-)

            • @rero:

              servíce - & was hab ich das als Kind geschmettert - fast so wie - Die alte Lehmann kann nachts nicht schlafen =>



              So wirste mit nicknames beschenkt - 🤫 -