Regulierung von Internetplattformen: Zwischen Druck und Zerschlagung

Was tun gegen die Macht von Facebook, Google und Co? For­sche­r:in­nen fordern vor allem Transparenz – bis hin zu den Mechanismen der Algorithmen.

Francis Haugen spricht in ein Mikrofon

Whistleblowerin Frances Haugen bei einer Anhörung in Washington am 5. Oktober Foto: Jabin Botsford/reuters

BERLIN taz | In der Debatte um eine stärkere Regulierung von IT-Konzernen wie Facebook und Google haben sich For­sche­r:in­nen kritisch gegenüber Ideen zu einer Zerschlagung oder Entflechtung der Unternehmen positioniert. „Das Ergebnis wären mehrere kleine Unternehmen, die unter noch größerem Druck stünden, erfolgreich zu sein“, sagte Matthias Kettemann, Professor für Innovation, Theorie und Philosophie des Rechts an der Universität Innsbruck auf einer Pressekonferenz des Science Media Centers.

Auch Nicole Krämer, Professorin für Sozialpsychologie an der Universität Duisburg-Essen, sieht eine Zerschlagung kritisch: „Diese Art der Kommunikation wird nicht mehr aus der Welt kommen, selbst wenn Facebook zerschlagen oder Instagram verboten würde.“

Die IT-Konzerne stehen gerade von mehreren Seiten unter Druck: In den USA hatte vor wenigen Wochen eine Whistleblowerin Einblick in interne Prozesse bei Facebook gegeben, die unter anderem nahelegen, dass Facebook sich der Wirkung problematischer Inhalte wie Hassrede bewusst ist – und dennoch zu wenig unternimmt. Gleichzeitig arbeitet die EU an zwei Gesetzesrahmen, die vor allem große Plattformen stärker regulieren sollen: den Digital Services Act und den Digital Markets Act.

In diesem Zusammenhang forderte Kettemann in Richtung EU, dem Lobbyismusdruck der Konzerne nicht nachzugeben. Eine starke europäische Plattformaufsicht einzurichten sei ebenso sinnvoll wie eine Verpflichtung zu Audits von externen Wis­sen­schaft­le­r:in­nen. „Außerdem darf das europäische Recht nicht durch nationale Alleingänge unterwandert werden“, warnte der Wissenschaftler. Vor allem sei es nötig, die Plattformen zu einer deutlich stärkeren Transparenz zu verpflichten: sowohl bei den Regeln, denen die Nut­ze­r:in­nen sich unterwerfen, als auch in Bezug auf die Algorithmen.

„Facebook etwa setzt mehr und mehr auf Verhaltensmuster, die die Plattform sticky machen“, erklärte Axel Bruns, Professor für Medien- und Kommunikationsforschung an der Queensland University of Technology. Sticky, also „klebrig“, heißt, eine möglichst lange Verweildauer zu erzielen. Das schafften bevorzugt kontroverse und aggressive Inhalte. Transparenz könnte hier helfen, gegenzusteuern.

Kettemann brachte außerdem die Idee von Plattformbeiräten ins Spiel. Sie sollten dazu beitragen, die Plattformen stärker gesellschaftlich einzubinden und auch Druck aus der Gesellschaft in die Unternehmen zu tragen. „Es ist nicht so, dass Facebook nicht wüsste, was sie besser machen können“, sagte er.

Sozialpsychologin Krämer mahnte, die Umsetzung von geltenden Gesetzen nicht aus dem Fokus zu verlieren: „Es ist vor allem wichtig, dass Inhalte, die sowieso verboten sind, schneller aus dem Netz verschwinden.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.