Komplizierte Endlagersuche: Sonderwege beim Atommüll

Hannover plant ein eigenes Gutachten für den Standort eines Atom-Endlagers. Auch Bayern und Sachsen zeigen Skepsis beim Suchverfahren.

Atommüll in der ehemaligen Schachtanlage Asse2 in Remlingen

Lagerung von Flüssigkeiten in der Schachtanlage Asse II Foto: Focke Strangmann/epa

BERLIN taz | Bei der Suche nach einem deutschen Endlager für den Atommüll hat das Land Niedersachsen einen Sonderweg angekündigt. Umweltminister Olaf Lies (SPD) will neben der bundesweiten Standortsuche durch die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) ein eigenes geologisches Gutachten in Auftrag geben, um den Boden in Niedersachsen gesondert auf die Eignung als Standort untersuchen zu lassen. Das bestätigte ein Sprecher des Umweltministeriums in Hannover gegenüber der taz.

„Das Gutachten soll im Herbst ausgeschrieben werden, wir erwarten Ergebnisse im Frühjahr 2022“, heißt es aus dem Ministerium. „Die Ergebnisse werden öffentlich zugänglich sein und sollen eine bessere Datengrundlage für den Beteiligungsprozess liefern.“ Zusätzlich zu den Informationsveranstaltungen der BGE will Niedersachsen außerdem weitere Treffen von BürgerInnen und Gutachten zu dem Thema mit 500.000 Euro finanzieren.

Damit reagiert Niedersachsen auf den ersten „Zwischenbericht Teilgebiete“ der BGE, der im September 2020 vorgestellt wurde. Darin hatte die Behörde in einem ersten Ausschlussverfahren etwa die Hälfte Deutschlands als geologisch potenziell mögliche Lagerstätte ausgewiesen. Sowohl Ton-, Salz- als auch Granitgestein wurden berücksichtigt, nun beginnt die ernsthafte Suche nach Standortregionen.

Es geht um ein zentrales Endlager für die etwa 10.500 Tonnen hochradioaktiven Müll aus den deutschen Atomkraftwerken, das nach bisherigen Planungen bis 2050 stehen soll. 2031 sollen Bundestag und Bundesrat einen Standort beschließen. Die Suche organisiert die BGE, die Genehmigungen müssen vom „Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung“ (BASE) kommen.

Im BGE-Zwischenbericht wurden Weichen für Niedersachsen gestellt: Einerseits wurde der seit Jahrzehnten umkämpfte Standort Gorleben aus geologischen Gründen ausgeschlossen. Andererseits gelten jetzt etwa 80 Prozent des Landes als potenziell geeignet für die Atomlagerung, heißt es in Hannover. Das Land sieht sich allerdings durch Standorte wie Gorleben, Schacht Konrad, Asse und Würgassen ohnehin schon schwer mit dem nuklearen Erbe belastet.

Das zuständige BASE ist von der Ankündigung aus Hannover nicht begeistert. Ihr Sprecher Christoph Hamann erklärte: „Die Endlagerkommission hat die grundlegenden Fragen zu den möglichen Wirtsgesteinen beantwortet. Somit bedarf es aus Sicht der Aufsicht keiner derartigen Gutachten. Zu den jeweils konkreten Bewertungen einzelner Gebiete kann das Land seine geologische Expertise in das laufende Verfahren bei der BGE einbringen. Das Gesetz zur Standortsuche hat dafür die notwendigen Grundlagen geschaffen.“

Jo Leinen, ehemaliger SPD-Umweltminister im Saarland und Mitglied im „Nationalen Begleitgremium“, das bei der Suche die Öffentlichkeit präsentiert, hat einerseits „Verständnis für den politischen Druck in Ländern wie Niedersachsen und Bayern, die mit großen potenziellen Flächen im Bericht stehen“. Er warnt aber davor, dass politischer Druck dazu führen könnte, dass sich Fachbehörden widersprechen. „Das würde das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Prozess aufs Spiel setzen, wenn die Suche vor Ort durch föderalen Egoismus zerfleddert wird.“

Niedersachsen ist nicht allein im Widerstand gegen die BGE-Pläne. Sachsen hat widersprochen und Bayern den „Zwischenbericht“ wegen angeblicher Fehler kritisiert. Und schon vor dem BGE-Gutachten schrieben CSU und Freie Wähler in ihren Koalitionsvertrag, das bayerische Gestein sei für ein Atomendlager nicht geeignet.

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