Lehren aus der Flut in Deutschland: Früher warnen, mehr Klimaschutz

Welche Lehren sind aus der Flut zu ziehen? Während die Union vor zu viel Bundeskompetenzen warnt, werden die Grünen konkret.

Besen und Schlamm

Spur der Katastrophe: Mit Schlamm beschmierter Besen in Bad Neuenahr-Ahrweiler Foto: Michael Probst/ap

BERLIN taz | Eigentlich soll es um konkrete Veränderungen beim Katastrophenschutz gehen, als Annalena Baerbock am Montag zum ersten Mal seit ihrem Urlaub in Berlin vor die Presse tritt. Zusammen mit der Innenpolitikerin Irene Mihalic (Grüne) stellt sie dazu ein Papier vor, in dem etwa eine „Stärkung der Frühwarnsysteme und Krisenforschung“ gefordert wird.

Doch schnell kommt Baerbock auf das Thema zu sprechen, mit dem sich die Grünen nach der Katastrophe wirklich profilieren wollen: die Klimapolitik. „Sie wissen, wir arbeiten an diesem Thema nicht erst seit gestern“, sagt Baerbock als Spitze gegen die politische Konkurrenz.

Es ist offensichtlich: Die Kanzlerkandidatin der Grünen, die sich nach dem Hochwasser zunächst stark zurückgehalten und auf öffentliche Auftritte im Flutgebiet ebenso verzichtet hatte wie auf Vorwürfe gegen andere, geht wieder stärker in die Offensive. Vor allem den Unions-Kanzlerkandidaten Armin Laschet greift Baerbock direkt an. Mit ihrer Forderung, dass die Politik „nach einer so unglaublichen Katastrophe nicht einfach weitermachen kann wie bisher“, stellt sie sich gegen Laschet, der gesagt hatte: „Weil jetzt so ein Tag ist, ändert man nicht die Politik.“

Mit der Ansage, sie wolle „Klimaschutzpolitik nicht nur versprechen, sondern konkret machen“, stellt sie sich gegen das unklare Wahlprogramm der Union. Und die widersprüchlichen Aussagen von CDU und CSU kommentiert Baerbock mit der Feststellung, dass das Land sich „dieses Klimawirrwarr der Union nicht länger leisten“ könne.

Die Kanzlerkandidatin der Grünen geht wieder stärker in die Offensive

Laschet hatte zuvor im ZDF-Sommerinterview erklärt, beim Klimaschutz sei mehr Tempo erforderlich, aber keinerlei Maßnahmen genannt, wie die Union dieses Ziel erreichen will; die Forderung von CSU-Chef Markus Söder, den Kohleausstieg auf 2030 vorzuziehen, lehnt er ab. „Die Zeit von Herumlavieren, Abwiegeln, Beschönigen, mit der muss jetzt Schluss sein“, forderte Baerbock.

Doch nicht nur beim Klimaschutz, auch beim Katastrophenschutz wollen die Grünen manches anders machen als die Union in der Vergangenheit. So forderten Baerbock und Mihalic etwa mehr Kompetenzen und Stellen für das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK). Bisher ist das Amt vor allem im Verteidigungsfall zuständig, während die Zuständigkeit für den zivilen Katastrophenschutz bei den Bundesländern liegt.

Zwar wollen die Grünen die Kompetenzen nicht komplett auf den Bund verlagern, dem BBK jedoch zur Koordinierung eine stärkere „Zentralstellenkompetenz“ zuweisen. Zudem fordern sie eine schnelle Einführung von Cell Broadcasting, also jenem System, mit dem Warnungen automatisiert an jedes Handy geschickt werden, das sich in einer bestimmten Funkzelle befindet.

Zumindest mit Horst Seehofer sind die Grünen in diesem letzten Punkt auf einer Linie. Der CSU-Politiker und Innenminister war am Montag in den Innenausschuss des Bundestags eingeladen. Die Grünen hatten die Sondersitzung anlässlich der Flutkatastrophe zusammen mit der SPD beantragt.

Seehofer warnt

Er selbst habe sich bereits für die Einführung des Cell Broadcastings entschieden, sagte Seehofer vor Beginn der Sitzung. „Ich glaube, man kann das noch in diesem Jahr hinbringen. Wenn man will, kann man Berge versetzen.“ Die Flutkatastrophe hat das Tempo hier wohl erhöht: Eine Machbarkeitsstudie unter Hoheit des BBK läuft zwar schon seit einigen Monaten, sie war bislang aber ergebnisoffen angelegt. Im Unions-Wahlprogramm wird die Technologie zwar erwähnt, allerdings heißt es dort, sie sei als „ergänzender Multiplikator im Warnmittelmix zu prüfen“.

Gebremst, so Seehofer am Montag, hätten bislang aber andere, nicht er selbst und sein Ministerium. „Von der Idee sind nicht immer alle begeistert gewesen in den letzten Monaten“, sagte er. „Ich weiß um die Bedenken in manchen Ministerien, ich weiß um die Kosten.“ Welche Ressorts Einwände haben oder hatten, verriet der Innenminister nicht.

Vor zu vielen Bundeskompetenzen im Katastrophenschutz warnt Seehofer jedoch. Stärkere Absprachen zwischen den verschiedenen Ebenen mit dem BBK als „Kompetenzzentrum“ im Mittelpunkt fordert er zwar auch und hat im Frühjahr eine entsprechende Reform auf den Weg gebracht. Die Zuständigkeiten will er dabei aber nicht verlagern. „Seit Jahrzehnten sind die Länder zuständig, und das halte ich für richtig. Das ist genauso wichtig wie die föderale Struktur der Sicherheitsorgane“, sagte der Bundesinnenminister.

Kritik an den momentanen Zuständigkeiten war aufgekommen, weil die Bevölkerung zum Teil trotz entsprechender Vorhersagen des Deutschen Wetterdienstes und anderer Stellen nicht ausreichend vor dem Hochwasser vor zwei Wochen gewarnt worden war. Zuständig dafür sind die Länder beziehungsweise die Kommunen, weshalb die Warnungen von Ort zu Ort sehr unterschiedlich ausgefallen waren. Bei der Flutkatastrophe sind allein in Deutschland mindestens 170 Menschen ums Leben gekommen.

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