Schlimmer als bei Baerbock

Der Plagiatsjäger Stefan Weber hat eine weitere Textstelle ohne Quellenangabe in Armin Laschets Buch „Die Aufsteigerrepublik“ von 2009 entdeckt. Hat der Ideenklau System?

Plagiatsjäger Weber hat sich jetzt „täglich 40 Seiten Detail­analyse Laschet verordnet“

Von Julian Jestadt

Für einen Moment sah es so aus, als könnte sich Armin Laschet durchlavieren. Nachdem am Donnerstagabend eine abgeschriebene Textstelle aus seinem 2009 erschienen Buch „Die Aufsteigerrepublik“ in sozialen Medien kursierte, reagierte der Unions-Kanzlerkandidat klug: Er nahm alle Schuld auf sich, bat um Entschuldigung und kündigte an, er werde „unverzüglich die Prüfung des Buchs veranlassen“. Noch am selben Tag entlastete ihn der österreichische Medienwissenschaftler Stefan Weber, der keine weitere Stelle gefunden haben wollte. Nun hat Weber doch eine neue Passage ohne Quellenabgabe entdeckt – und vermutet sogar noch mehr.

Weber hatte schon die Plagiatsvorwürfe gegen Annalena Baerbock öffentlich erhoben, mit denen sich die Grünen-Kanzlerkandidatin in den vergangenen Wochen auseinandersetzen musste. Nun habe Laschet ein Problem, heißt es in einem Blogeintrag Webers von Montag. Er habe eine weitere Stelle in seinem Buch gefunden, die stark einem Text des ehemaligen bayerischen Kultusministers Hans Maier ähnele.

Die besagte Textstelle dreht sich um Beispiele für einen „schonenden Ausgleich“ von Grundrechtsansprüchen. Besonders zwei Sätze fallen ins Auge. Bei Laschet heißt es: „Ein Jude kann verlangen, dass seine Sache nicht in einem Gerichtssaal verhandelt wird, in dem ein Kreuz hängt. Jüdischen Geschäftsinhabern kann die Öffnung ihres Ladens am Sonntag erlaubt werden, da sie am Samstag nicht arbeiten dürfen.“

Fast wortgleich steht bei Maier: „So kann ein Jude verlangen, dass seine Sache nicht in einem Gerichtssaal verhandelt wird, in dem ein Kreuz hängt. Jüdischen Geschäftsinhabern kann die Öffnung eines Ladens am Sonntag erlaubt werden, da sie am Samstag wegen des Sabbatgebots keine Verkäufe tätigen dürfen.“ In einer Mail, die der taz vorliegt, gab Maier gegenüber Weber an, dass der entsprechende Text zum ersten Mal 2006 in der Internationalen Katholischen Zeitschrift – Communio erschienen ist – und damit früher als Laschets Buch. Maier betont allerdings, es handele sich „um allgemein zugängliche Fakten“.

Auch Weber hält die Stellen nicht für justiziabel, aber doch für gravierend. „Die Stellen haben ‚Baerbock’sche Qualität‘“, erklärte er gegenüber der taz. „Eigentlich sind sie sogar noch schlimmer, weil sie sich in einem Buch befinden, in dem zitiert wurde und das ein Literaturverzeichnis enthält.“

Wie es um die von Laschet am Freitag angekündigte Prüfung seines Buches steht, ist noch unklar. Auf taz-Anfrage ließ die Staatskanzlei NRW schmallippig verlautbaren: „Diese Prüfung dauert an.“ Mehr wollte ein Pressesprecher nicht sagen. Die Grünen wollten die Vorwürfe gegen Laschet nicht kommentieren.

In der vergangenen Woche monierte der selbsternannte Plagiatsjäger Martin Heidingsfelder bereits eine andere Stelle in Laschets Buch, die Ähnlichkeiten mit einem Text des Politologen Karsten Weitzenegger aufweist. Weber rief jedoch zu Vorsicht auf: „Eine einzige Stelle ist der Debatte (noch) nicht wert“, schrieb er. Nach dem zweiten Fund hat der Medienwissenschaftler nun seine Einschätzung geändert.

Der „Erstfund scheint nun doch sehr wahrscheinlich ein Fingerzeig auf noch mehr als eine weitere Stelle zu sein“, schrieb er. Gegenüber der taz machte Weber deutlich, dass eine Prognose nur schwer möglich sei. Er habe sich aber jetzt „täglich 40 Seiten Detailanalyse Laschet verordnet“. Auch fragt er sich, ob der Gedankenklau bei Sachbüchern von Politikern System habe. Das Buch „Hoffnungsland“ von Olaf Scholz habe er sich schon bestellt.