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Klimaschutz und ArbeitszeitenKürzer arbeiten für das Klima

Gastkommentar von Michael Kopatz

Dass Maßnahmen gegen die Erderwärmung Stellen kosten, ist ein Märchen. Tatsächlich schaffen erneuerbare Energien neue Arbeitsmöglichkeiten.

Die Pandemie hat das Homeoffice quasi über Nacht zur Normalität gemacht Foto: Sebatsian Gollnow/dpa

I n der Klimaschutzdebatte wird das Thema Arbeitszeiten mehr oder weniger ignoriert. Tatsächlich sind kürzere Lohnarbeitszeiten von entscheidender Bedeutung, um den exzessiven Naturverbrauch zu bremsen. Meistens scheitern Klimaschutzkonzepte, wenn sie die Arbeitslosigkeit eventuell erhöhen könnten. Selbst für den klimapolitisch unvertretbaren Braunkohletagebau sind sich Politiker nicht zu schade, auf die extrem wichtigen Arbeitsplätze hinzuweisen.

Das Gegenteil ist der Fall. Durch erneuerbare, dezentrale Energien und Energieeinsparinvestitionen sind mehr Jobs entstanden. Der Ausbau von Gewerbeparks, von See- und Flughäfen, der Neu- und Ausbau von Straßen, Flussvertiefungen: solche Projekte werden auch mit dem Arbeitsplatzargument umgesetzt. Damit besonders klimaschädliche Produktionen schrumpfen können, sollten wir kürzere Arbeitszeiten etablieren, um Jobverluste – etwa in der Autoindustrie – aufzufangen und den Konflikt Umweltschutz versus Arbeitsplätze zu entschärfen.

Und selbstverständlich gilt es zu vermeiden, dass weitere Arbeitsplätze in Wirtschaftszweigen „geschaffen“ werden, die den Raubbau beschleunigen. Stattdessen müssen in zukunftsfähigen, kohlenstoffarmen Branchen neue Jobs entstehen. Aus ökologischer Sicht ist es günstig, wenn ein nennenswerter Teil der Gesellschaft seine wöchentliche Lohnarbeit zugunsten pflichtenfreier Zeit verringert.

Wenn die Menschen weniger Zeit mit der Erwerbsarbeit verbringen und damit auch weniger verdienen, kaufen sie auch weniger überflüssige Produkte. Das verringert zugleich den Energie- und Ressourcenverbrauch. Arbeitszeitverkürzungen verändern das Konsumverhalten. So zeigt eine Untersuchung der US-amerikanischen Ökonomin Juliet Schor, dass der ökologische Fußabdruck umso kleiner ist, je weniger Arbeitsstunden ein Erwerbstätiger leistet.

Bild: Julia Sellmann
Michael Kopatz

geb. 1971, ist Dozent und Umweltwissenschaftler am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie. Im Buch „Öko­routine: Damit wir tun, was wir für richtig halten“ plädiert er für strukturelle Veränderungen, damit Umweltschutz im Alltag zum Automatismus wird. Im Juli erscheint sein neues Buch „Wirtschaft ist mehr! Wachstumsstrategien für nachhaltige Geschäfts­modelle in der Region“.

Weniger Arbeit führt zu weniger Konsum

Auch Rosnick und Weisbrot vom Center for Economic and Policy Research in Washington stellen fest: Mehr Arbeitsstunden schrauben in der Regel auch den Energieverbrauch in die Höhe. Entscheidend ist dabei das Einkommen. Den Zusammenhang von Einkommen und Naturverbrauch untermauern zudem die Daten der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe. Mit dem Wohlstand wachsen klimaschädliche Emissionen.

Fast alles wird größer und klimaschädlicher – Wohnungen, Häuser, Autos, Reiseentfernungen–, also wird auch der persönliche ökologische Fußabdruck größer. Topverdiener haben besonders große Wohnungen und leisten sich oft noch eine Zweitwohnung. Wenn ich Studierende im Seminar bitte, einmal aufzuschreiben, was das Leben lebenswert macht, dann kommen innerhalb von wenigen Minuten alle Gruppen zum gleichen Ergebnis: Freundschaften, Begegnungen, Sport, Kultur, Gesundheit und Sicherheit.

Geld und Besitz sind wichtig, aber nur als Basis. Zahlreiche Untersuchungen zeigen: Unsere Lebensziele und -träume sind in weiten Teilen immateriell. Der wichtigste Glücksfaktor ist die Sinnhaftigkeit. Menschen sind glücklich, wenn sie das Gefühl haben, etwas zu einem sinnvollen Projekt beitragen zu können. Menschen, die ihre Priorität auf Freundschaften, gesellschaftliches Engagement oder Ähnliches gelegt hatten, sind überdurchschnittlich zufrieden mit ihrem Leben.

Wer vor allem Geld und Karriere optimieren wollte, wurde mit den Jahren unzufriedener. Hinzu kommt: Glück und Wohlbefinden sind nicht beliebig steigerungsfähig. In Deutschland wird die Frage „Wie glücklich bist du auf einer Skala von 1 bis 10?“ seit den 1970er Jahren auf ungefähr gleichem Niveau beantwortet. Der materielle Wohlstand hat sich seitdem verdreifacht, wir können uns dreimal so viele Dinge leisten, dreimal so viel verreisen. Was hat’s gebracht? Die Reichen wurden noch reicher, so viel darf man festhalten.

Wohlstand macht nicht glücklicher

Inzwischen gibt es eine unfassbare Vermögensanhäufung. Doch selbst die Superreichen sind nicht glücklicher geworden. Es scheint verrückt, die Menschen schuften, um zu shoppen. Warum tun wir uns das an? Warum muss alles immer mehr werden, immer größer, komfortabler, luxuriöser, schneller? Dieses ­Immer-mehr verbraucht extrem viele Ressourcen. Wir müssen Wege finden, diesen Trend zu stoppen. Die Ökonomen sind gefragt.

Sie werden zeigen, unter welchen Bedingungen ein wirtschaftliches System tragfähig ist, das das Wachstum von ökologisch und klimatisch schädlichen Branchen deckelt. Um Unternehmen und Beschäftigte in der Krise zu unterstützen, hat der Bund zweistellige Milliardenbeträge in die Kurzarbeit gepumpt. Statt massenhaft Kündigungen auszusprechen, konnten Betriebe auf diese Art wertvolle Arbeitskräfte halten. Für die Zeit der Kurzarbeit erstattet die Arbeitsagentur einen Teil der Kosten des Entgelts für die Beschäftigten.

Zugleich hat die Covidkrise das Homeoffice quasi über Nacht zur Normalität gemacht. Besonders Männer hatten bislang ein Problem damit. Die Technik steht bereits seit zig Jahren auch Laien zur Verfügung, man denke nur an Skype. Aber erst die Pandemie hat digitalen Meetings zum Durchbruch verholfen. Nun zeigt sich: Es geht. In vielen Berufen muss man nicht mehr von Montag bis Freitag ins Büro, sondern kann zwei oder drei Tage pro Woche zu Hause arbeiten.

Weniger pendeln spart Zeit und ist gut fürs Klima. Wer jede Woche Tausende Kilometer beruflich unterwegs war, schätzt es vermutlich sehr, wenn Meetings jetzt häufiger per Video stattfinden. Weniger Reisezeit, weniger Stress, mehr Zeit für Freunde und Familie. Unsere Arbeitskultur hat sich verändert. Nun sind Strategien gefragt, einen Rückfall abzufangen. Das könnte die Förderung von Co-­Working-Spaces sein, die Abschaffung der Pendlerpauschale und eine kluge Kombination von steuerlichen Anreizen, Arbeitszeitgesetzen und Kampagnen, damit kürzere Arbeitszeiten und Homeoffice allmählich zur Routine werden.

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8 Kommentare

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  • Ich würde mit dem meisten im Artikel Gesagten mitgehen. Allerdings funktioniert der Artikel nur aus Sicht der Mittelschicht/Wohlhaabendere mit entsprechender Arbeitszeit und Lohn bzw. funktioniert er nur für Wohlhabendere. Mensch braucht eine gewisse Einkommenshöhe, ein Mehr an Geld und Konsumpotenzial, das mensch nicht unbedingt braucht, worauf verzichtet werden kann, um Arbeitszeit und damit auch Lohn für diese Arbeitszeit reduzieren zu können. Seit einer Weile gibt es einen gewachsenen, großen Niedriglohnsektor. Wo Menschen mit höheren Einkommen aus sozialökologischen Gründen verzichten müssten, können dies andere nicht. Es wäre doch fair, wenn Niedriglohnarbeitende mehr Lohn erhielten, so dass auch deren Arbeitszeit verkürzt werden könnte. Hier bedarf es des Stellens der Verteilungsfrage - besser noch der Systemfrage.

    • @Uranus:

      "...besser noch der Systemfrage."

      Von der Systemfrage reden Sie in jedem zweiten Kommentar. Wie genau soll denn das ideale System aussehen?

      • @Stefan L.:

        Naja, aus linker/anarchistischer Analyse heraus, wird Ungleichheit, Zerstörung durch Mechanismen bzw. Zwängen befeuert, die auf das System zurückzuführen sind. Da sollte es nicht verwunderlich sein, dies im passenden Zusammenhang zu erwähnen. Im groben gesagt, wäre es doch gut, wenn wirtschaftliche Prozesse zu gleichen Teilen von denen bestimmt werden, die sie betreffen. Zweck wirtschaftlichen Handelns wären anstatt der Anhäufung von Kapital Gesundheit, Wohlbefinden, Lebensperspektive, Befriedigung der Bedürfnisse aller Menschen. Hierbei berücksichtigte er so weit wie möglich die Interessen der Tiere nach Leben und deren Schmerzempfinden. Wie genau dieses neue System aussehen würde, ergäbe sich aus den Händen und Ideen derer, die sich auf den Weg machten, den Kapitalismus zu ersetzen.

  • Ich bin beeindruckt von diesem doch völlig nachvollziehbaren Gedankengang; und auch ziemlich entsetzt über die vielen destruktiven Kommentare hier !?



    Würde gerne mal den Gedanken der kurzen Arbeitszeiten weiterspinnen: wie wären Arbeitsverträge für eine ganze Belegschaft, die den Einsatz des Einzelnen - bei durchgängiger Bezahlung - nur bei entsprechender Nachfrage durch die Kunden erfordern? Die Fähigkeiten und die Produktionsanlagen blieben dann erhalten... Natürlich ist das ein Denkanstoß und keine Lösung, liebe Ideenschredder er!

  • Mal ganz abgesehen von dem Umstand, dass die Realeinkommen von erheblichen Teilen der Bevölkerung seit Jahrzehnten stagnieren (nicht nur in dem im selben Zeitraum geschaffenen Niedriglohnsektor), würde man sich wünschen, dass die Befürworter der Postwachstumsidee so langsam etwas Tragfähigeres konzipiert hätten als "einfach mal verzichten". Insbesondere von Wissenschaftlern, zu denen sich der Autor ja zählt, darf man erwarten, dass sie sich die Mühe machen, sich mal fünf Minuten mit politischer Ökonomie auseinanderzusetzen. Das wäre ausreichend, um festzustellen, dass es nicht nur nicht durchsetzbar, sondern auch verheerend wäre, sich dem Wachstumsmodell unilateral zu verweigern. Dass man das Modell überwinden muss, darüber sind wir uns einig, aber dann muss man sich auch trauen zu benennen, was dafür ebenfalls überwunden werden muss, nämlich der Kapitalismus. Andernfalls sind die schönen grünen Ideen nur Anlässe für Bessergestellte, sich ihrer moralischen Überlegenheit zu erfreuen.

  • „…Wenn die Menschen weniger Zeit mit der Erwerbsarbeit verbringen und damit auch weniger verdienen, kaufen sie auch weniger überflüssige Produkte….“

    Und wer bestimmt, was überflüssig ist?

    „…Mehr Arbeitsstunden schrauben in der Regel auch den Energieverbrauch in die Höhe….“

    Das dürfte auf den Job ankommen. Ein Büromensch, der weniger arbeitet, dafür aber seine zusätzliche Freizeit vor einem 75“ UHD-TV verbringt, dürfte mehr Strom verbrauchen als an seinem PC.

    „… Mit dem Wohlstand wachsen klimaschädliche Emissionen….“

    Soll das ein Aufruf zur Deckelung von Einkommen sein?

  • Erstaunlich! Da steht ein riesiger pinkfarbener Elefant im Raum und Michael Kopatz scheint ihn nicht zu sehen.

    Stimmt schon: Aus „ökologischer Sicht ist es günstig, wenn ein nennenswerter Teil der Gesellschaft seine wöchentliche Lohnarbeit zugunsten pflichtenfreier Zeit verringert“. Nur hat die ökologische Sicht derzeit keinerlei Priorität.

    Die Mitglieder westlicher Gesellschaften sind seit spätestens 1949 auf den Konsum konditioniert worden. Fällt der Konsum immer neuer, immer billigerer Waren weg, kann leicht die mühsam bewahrte Stabilität der angeblich demokratischen Nationen in Gefahr geraten. Zumal weniger Erwerbsarbeit nicht nur weniger Einkommen, weniger Konsum und weniger Umweltschäden bedeutet, sondern auch weniger Profit. Weniger Profit aber bedeutet weniger Wettbewerbsfähigkeit.

    Leider ist der Wettbewerbsgedanke, neben dem des permanenten Konsumwachstums, die zweite heilige Kuh westlicher Gesellschaften. Ohne ihn wäre „der Westen“ nicht, was er zu sein glaubt - und müsste sich eine ganz neue Identität zulegen. U.a. würde es „dem Westen“ rein gar nichts mehr nützen, den Kalten Krieg gewonnen zu haben, wenn er das Heilsversprechen des immer weiter wachsenden Konsums/Profits nicht länger halten könnte.

    Kann ja gut sein, dass Menschen überall auf dieser Welt von Freundschaften, Begegnungen, Gesundheit und Sicherheit träumen. Nur lassen Träume sich nicht unbedingt verwirklichen mittels Anwendung der sogenannten Sekundärtugenden. Sie sind zu einem guten Teil glücksabhängig. Und vom Glück abhängig zu sein, ist für manchen unter uns nur sehr schwer zu ertragen.

    Nein, nicht „die Ökonomen sind gefragt“, wenn der Trend zum Niedergang unserer Art gestoppt werden soll. Gefragt sind gute Psychologen. Solche, die „der Wirtschaft“ nicht dabei helfen, sinnlose Dinge massenhaft abzusetzen, sondern die Ursachen der Gier angehen. Das allerdings wird eine Herausforderung, denn dafür werden sie nicht all zu gut bezahlt werden. Und ob sie das aushalten…?

    • @mowgli:

      Im Grunde stimmt das alles. Nur wenn sich der "Westen" dafür vollkommen neu erfinden muss, dann ist es so. Ich fürchte nur, dass diese Religionstransformation mal wieder zu Gewaltausbrüchen führen wird. ;-(