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Kolonialverbrechen an Herero und NamaDeutschland erkennt Völkermord an

Endlich: Nach jahrelangen Verhandlungen erkennt Deutschland den Genozid an Herero und Nama an. Namibia bekommt Milliarden – und die Bitte um Vergebung.

Denkmal für die Opfer des Völkermords in Windhuk Foto: Jürgen Bätz/dpa

Berlin/Windhuk dpa | Mehr als 100 Jahre nach den Verbrechen der deutschen Kolonialmacht im heutigen Namibia erkennt die Bundesregierung die Gräueltaten an den Volksgruppen der Herero und Nama als Völkermord an. Die Nachkommen will Deutschland in den kommenden 30 Jahren mit 1,1 Milliarden Euro unterstützen und offiziell um Vergebung bitten. Darauf haben sich Regierungsdelegationen aus beiden Ländern nach fast sechs Jahren Verhandlungen verständigt, wie Außenminister Heiko Maas am Freitag bekanntgab. „Ich bin froh und dankbar, dass es gelungen ist, mit Namibia eine Einigung über einen gemeinsamen Umgang mit dem dunkelsten Kapitel unserer gemeinsamen Geschichte zu erzielen“, sagte er.

Der erste Genozid des 20. Jahrhunderts

Das Deutsche Reich war von 1884 bis 1915 Kolonialmacht im heutigen Namibia und schlug Aufstände brutal nieder. Während des Herero-und-Nama-Kriegs von 1904 bis 1908 im damaligen Deutsch-Südwestafrika begingen die Kolonialherren einen Massenmord, der als erster Genozid des 20. Jahrhunderts gilt. Historikern zufolge wurden etwa 65.000 von 80.000 Herero und mindestens 10.000 von 20.000 Nama getötet.

Bereits seit 2015 verwendet das Auswärtige Amt den Begriff des Völkermords in seinem allgemeinen Sprachgebrauch für den Vernichtungskrieg in Namibia. Jetzt werden die Gräueltaten auch ganz offiziell als Völkermord bezeichnet.

Anfang des 20. Jahrhunderts, zum Zeitpunkt der Gräueltaten gegen die Herero und Nama, gab es diesen juristischen Begriff noch gar nicht. Erst 1948 beschloss die UN-Generalversammlung als Konsequenz aus dem Holocaust die „Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes“ und machte Völkermord damit zum Straftatbestand. Die Konvention gilt aber nicht rückwirkend, deswegen ergeben sich für Deutschland aus der Anerkennung des Völkermords auch keine rechtlichen Konsequenzen.

Eine Milliarde als „Geste“und kein Schlussstrich

Die Bundesregierung hat vor diesem Hintergrund auch immer wieder betont, dass es aus ihrer Sicht keinen Rechtsanspruch auf Entschädigung gibt. Dass sie nun trotzdem eine Summe von 1,1 Milliarden Euro locker macht, sieht sie als politisch-moralische Verpflichtung. Es sei eine „Geste der Anerkennung des unermesslichen Leids, das den Opfern zugefügt wurde“, sagte Maas. Das Geld soll über einen Zeitraum von 30 Jahren vor allem in Projekte in den Siedlungsgebieten der Herero und Nama gesteckt werden. Dabei soll es um Landreform, Landwirtschaft, ländliche Infrastruktur und Wasserversorgung sowie Berufsbildung gehen.

Das dritte Kernelement der gemeinsamen politischen Erklärung, die in den nächsten Wochen noch feierlich unterzeichnet werden soll, ist die Bitte um Vergebung. Berichten zufolge soll sie durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in einem feierlichen Akt im Parlament von Namibia ausgesprochen werden. Offiziell angekündigt wurde das vom Bundespräsidialamt aber noch nicht.

„Unser Ziel war und ist, einen gemeinsamen Weg zu echter Versöhnung im Angedenken der Opfer zu finden“, sagte Maas. Er betonte aber auch, dass die Vereinbarung mit Namibia keinen Schlussstrich unter die Vergangenheit bedeute. „Die Anerkennung der Schuld und unsere Bitte um Entschuldigung ist aber ein wichtiger Schritt, um die Verbrechen aufzuarbeiten und gemeinsam die Zukunft zu gestalten“, betonte er. Ziel ist es, die Zusammenarbeit beider Länder nun deutlich zu intensivieren.

Ein deutscher PR-Coup?

Die Verhandlungen wurden von Beauftragten der beiden Regierungen geführt, die Herero und Nama waren aber eng eingebunden. Bei einigen Vertretern der Volksgruppen hatten erste Hinweise auf das Abkommen jedoch bereits Kritik ausgelöst. Es sei nichts weiter als ein PR-Coup Deutschlands und ein Akt des Betruges der namibischen Regierung, hatte es in einer Erklärung der Ovaherero Traditional Authority und Nama Traditional Leaders Association geheißen.

Nach Angaben ihrer deutschen Vertreterin haben beide Gruppen zudem eine entsprechende Petition im Bundestag eingebracht. Die Ovaherero Traditional Authority ist nur eine von vielen Herero-Gruppen, von denen acht offiziell von der Regierung anerkannt und in der namibischen Verhandlungsdelegation vertreten sind. Auch die Nama Traditional Leaders Association ist nicht repräsentativ für alle Nama-Gruppen.

Deutschland hatte sich ab 1884 Kolonien in Afrika, Ozeanien und Ostasien angeeignet. Es verfügte damit über das viertgrößte koloniale Gebiet und war Besatzungsmacht nicht nur in Deutsch-Südwestafrika (Namibia), sondern auch in Kamerun, Togo, Deutsch-Ostafrika (Tansania), im chinesischen Tsingtao und auf Pazifikinseln. Die gewaltvolle Herrschaft der Deutschen führte zu Aufständen und Kriegen. Mit der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg wurden ihre Kolonien dann unter den Siegermächten aufgeteilt.

Die jetzt abgeschlossenen Verhandlungen hingen lange Zeit an der heiklen Frage einer finanziellen Entschädigung für koloniale Ausbeutung und Unterdrückung fest. Über lange Strecken muteten sie wie ein Geschacher um Bedingungen und Umstände für die längst überfällige Entschuldigungsgeste Deutschlands an. Die Bundesregierung habe einer „bedingungslosen Entschuldigung“ an die namibische Regierung, ihr Volk und die betroffenen Gemeinden zugestimmt, wolle aber nicht den Begriff „Reparationen“ benutzen, hatte Namibias Präsident Hage Geingob noch im vergangenen August geklagt. Auch der Begriff „Heilung der Wunden“ wurde als unzureichend abgelehnt.

Aus deutscher Sicht war es wichtig, jetzt noch vor der Bundestagswahl zu einer Einigung zu kommen. Denn auch die beiden Parlamente sollen noch zustimmen.

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8 Kommentare

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  • Der Guardian schreibt dazu:



    "The German side’s position is that it has negotiated the agreement with a Namibian government representing the country’s population as a whole, and that the deal does not stand or fall on the approval of Herero and Name descendants groups." www.theguardian.co...rero-nama-genocide

    Eine Entschuldigung für ein Verbrechen, die das Opfer desselbigen nicht als glaubwürdig empfindet, ist keine. Ein Schlussstrich nach den Bedingungen des Täters ist keiner.

    Gut. Dann zahlen wir eben jetzt eine Billion an Hilfen, und später nochmal Reparationen. Gerne. (Das ist übrigens mein voller Ernst.)

    Geld ist ja ohnehin nur ein schwacher Trost für das Leid, das unsere Vorfahren den Herero und Nama angetan haben.

  • Zweischneidigerkönnteein Schwert kaumsein. Und kaum zwiespältiger, das vordergründige Bemühen um Wiedergutmachung zu verbinden mit altbekannten Hintergedanken deutscher Entwicklungshilfepolitik: Nämlichmit wirtschaftlichen Interessen von Industrie-Unternehmen sowohl aus Deutschland als auchder Namibischen Eliten, deutsche Technologie-Exporte nach Südafrika zu verkaufen, im Gegenzug finanziert mit Import von Arbeitskraft zu Billiglöhnen sowie Rohstoffen und Energie–u.a. aus großflächigem Buchholz-Encroachment mit Harvestern, Landmaschinen & Lkw aus deutscher Produktion...

  • @MR. NICE

    Zum Glück sind Sie nicht mit den Verhandlungen betraut worden!

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Es sei nichts weiter als ein PR-Coup Deutschlands und ein Akt des Betruges der namibischen Regierung, hatte es in einer Erklärung der Ovaherero Traditional Authority und Nama Traditional Leaders Association geheißen.

    Na dann nicht, oder?

  • Wer wird wohl seinerzeit von der Ausbeutung profitiert haben? 🤔

    • @Gerhard Krause:

      Die Nachkommen der Herren, die profitiert haben, können wahrsceinlich immer noch davon zehren!

    • RS
      Ria Sauter
      @Gerhard Krause:

      Das wäre zu klären gewesen vor allen Dingen sollten diese Nachkommen zur Rechenschaft gezogen werden.



      Unser Grüßonkel will um Verzeihung bitten. Angesichts eines solchen Völkermordes ist das der nächste Schlag ins Gesicht.



      Verzeihung?



      Die Reaktion der Hinterbliebenen war auch dementsprechend . Er soll daheim bleiben.



      Das Geld wird auch wohl in die Regierung fliessen.



      Wieviel davon wohl bei der Bevölkerung ankommt.

      • @Ria Sauter:

        Wenn Sie die älteren Artikel in der Taz zum Thema nachlesen, ist eine Entschuldigung oder Bitte um Verzeihung, verbunden mit einer Anerkennung als Völkermord, genau das, was die Vertreter der Herero und der Nama gefordert haben.