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Editorial

Im Oktober 2020 ist das Entsetzen unter Fe­mi­nis­t:in­nen groß. Polen will ein faktisches Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen durchsetzen. Es mutet wie Folter an, nicht mehr über den eigenen Körper entscheiden zu können und Föten austragen zu müssen, die keine Überlebenschance haben. Was hierzulande schnell in Vergessenheit gerät: Auch in Deutschland sind Schwangerschaftsabbrüche verboten und nur unter bestimmten Voraussetzungen straffrei.

Im Strafgesetzbuch lautet Paragraf 218: „Wer eine Schwangerschaft abbricht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ Der Paragraf steht gleich hinter Mord und Totschlag – und das seit Mai 1871, seit 150 Jahren. Wir nehmen das unrühmliche Jubiläum zum Anlass, reproduktive Rechte heute in den Blick zu nehmen. Sie sind Kristallisationspunkte, an denen sich zeigt, wie emanzipatorisch, progressiv, geschlechtergerecht und gesundheitsbewusst Regierungen arbeiten – letztlich, wie demokratisch sie sind.

Wir schauen nach Polen, wo der Kampf für Frauenrechte zur Revolte gegen die Regierung wird. Die Publizistin Antje Schrupp fragt, wen reproduktive Rechte eigentlich betreffen und wie wir inklusiv darüber sprechen können. Und die Comic­zeich­nerin Christiane Haas stellt heutige Kämpfe in eine historische Linie mit denen vorheriger Generationen.

Wir fragen, wie Schwangerschaftsabbrüche geregelt werden könnten, wenn der Paragraf 218 gestrichen würde. Die Politikerin Cornelia Möhring berichtet von ihrem Ziel, reproduktive Gerechtigkeit zum Regierungsauftrag zu machen. Schriftstellerin Katja Lange-Müller beschreibt die Kämpfe ihrer Mutter für das Recht auf Abtreibung in der DDR. Und zwei Ex­per­t:in­nen streiten über die Frage, ob Eizellspende und Leihmutterschaft erlaubt werden sollten.

Wir bebildern die Ausgabe mit einer Serie der Fotografin Laia Abril. Sie dokumentiert in ihrem Projekt „Über Abtreibung“ die Gefahren und Schäden, die entstehen, wenn kein sicherer und legaler Zugang zu Abbrüchen besteht. Das Recht auf den eigenen Körper ist ein Menschenrecht. Es ist Zeit, dass Menschen dieses Recht auch ohne Einschränkung gewährt wird.

Redaktion: Katrin Gottschalk, Patricia Hecht, Ebru Taş demir, Carolina Schwarz, Hanna Voß, Foto: Nadine Torneri, Layout: Sonja Trabandt

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