Politischer Aschermittwoch: Das Grüne vom Himmel

CSU-Chef Söder gibt sich dem Klimaschutz aufgeschlossen gegenüber. Sein konkretes Tun hat mit den Versprechungen wenig zu tun.

Markus Söder sitzt beim ins Digitale verlegten Politischen Aschermittwoch in einer Art Wohnzimmer. Auf einer Eichenbank, vor ihm ein Tisch mit weiß-blauer Decke, Bierkrug und deftiger Brotzeit - an der Wand hinter ihm hängt ein Bild von Passau

Dahoam: Markus Söder beim digitalen politischen Aschermittwoch mit Bierkrug und deftiger Brotzeit Foto: Peter Kneffel/reuters

Inszenierung kann sie, die CSU. Markus Söder sitzt beim ins Digitale verlegten Politischen Aschermittwoch in einer Art Wohnzimmer. Auf einer Eichenbank, vor ihm ein Tisch mit weiß-blauer Decke, Bierkrug und deftiger Brotzeit. An der Wand hinter ihm hängt ein Bild von Passau, darauf ziehen Wolken über die Stadt, ab und zu läuft ein Typ mit einem Schild durchs Bild: „Markus, wir brauchen Dich!“ Heimatverbunden, aber auch selbstironisch, Söder will die Lederhosen- und die Hipster-Fraktion.

Interessanter als die gekonnte Performance aber ist das, was Söder sagt. Seine Rede ist der Prototyp des modernen Konservatismus, mit dem die Union sehr wahrscheinlich in den Bundestagswahlkampf ziehen wird. Habituell aufgeschlossen, grün angestrichen und leider zu viel weniger Veränderung bereit, als eigentlich nötig wäre. Söder hat früh verstanden, dass die Union mit dem falschen Kurs in der Mitte mehr verliert, als sie ganz rechts gewinnen kann.

Seit der Landtagswahl in Bayern tätschelt er Bäume und wirbt für Klimaschutz. Als er neulich in der Zeit über sinkende Grundwasserpegel und das Wassernotstandsland Deutschland nachdachte, klang er fast wie Robert Habeck. Söder will – wie Merkel – in der modernen Mitte bleiben. Beim Aschermittwoch, einem Hau-drauf-Termin, klingt er so staatstragend, als sei er schon Kanzlerkandidat. Ein zentraler Satz seiner Rede lautet: „Merkel-Stimmen gibt es nur mit Merkel-Politik.“

Ein Merkmal ihrer Ära war, dass die Union jedes Thema aufgesogen hat, das ihr mehrheitsfähig schien. Söder agiert ähnlich wendig, er will grüner als die Grünen sein – Merz-Fans würden es opportunistisch nennen. Aber zwischen dem selbst erklärten Anspruch und dem realen Handeln klafft ein Abgrund so tief wie ein Alpental. Söder kämpfte in der Coronakrise mit der Autoindustrie für eine Kaufprämie für dicke Verbrenner.

Seine Partei verantwortet mit dem Verkehrs- und dem Innen- und Bauministerium jene Häuser, die beim Klimaschutz verlässlich versagen. Andreas Scheuer, der Dead Man Walking der Regierung, versenkte Hunderte Millionen Euro im Maut-Desaster, ohne sein wichtiges Ressort ökologisch auszurichten. Wie unernst CDU und CSU beim Klimaschutz vorgehen, ließ sich beim herbeifantasierten Einfamilienhaus-Skandal beobachten.

Statt ernsthaft über Zersiedelung zu sprechen, unterstellen Söder und Co den Grünen Verbots- und Enteignungspläne, wissend, dass sich dafür kein Beleg finden. Dieser Verbotspartei-Quatsch (Häuser, Schnitzel, Autos, es ist immer dasselbe) immunisiert die Gesellschaft gegen nötige Debatten. Er suggeriert den Menschen, alles könne so bleiben, wie es ist – und verunmöglicht die inhaltliche Diskussion. Denn auch die Grünen wagen es nicht mehr, klimaschädlichen Konsum infrage zu stellen.

Für den Wahlkampf sind das unschöne Aussichten. Wenn eine Union ohne ernsthaftes Interesse an konkreten Lösungen auf überängstliche Grüne trifft, kommt am Ende vieles heraus. Aber ganz sicher keine Politik, die sich am Pariser 1,5-Grad-Ziel orientiert.

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Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.

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