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Auch lesbische Frauen erleben viel antiqueere Gewalt – und zeigen sie selten an: Das ist ein Ergebnis des bundesweit ersten Berichts zu trans- und homophober Gewalt, den der Berliner Senat veröffentlicht hat. Das Monitoring soll künftig alle zwei Jahre mit wechselnden Schwerpunkten erscheinen
Von Nicole Opitz
Zwei queere Personen waren mit Hunden gegen 17.20 Uhr auf der Barfusstraße auf dem Weg zum Schillerpark im Wedding unterwegs, als ein weißer, angetrunkener Mann mit Hund, den sie vom Sehen kennen, aus einem Haus kam und hinter ihnen herlief. Der Mann, der seinen Hund mit dem Namen ‚Adolf‘ rief, begann sie an der Kreuzung Barfusstraße/Edinburgher Straße zunächst als ‚Scheiß Punks‘ und ‚dreckige Penner‘ zu beleidigen. Auf ihre Antwort, sie in Ruhe zu lassen, wurde er lauter, und seine Beleidigungen wurden sexistisch und LGBTIQ*-feindlich. Als sie weiter in der Edinburgher Straße am Schillerpark entlanggingen und erneut riefen, er solle sie in Ruhe lassen, wurde er immer lauter, lief schneller hinter ihnen her, um sie einzuholen, beleidigte sie weiter und drohte ihnen schließlich Gewalt an. Erst als sie in die Ofener Straße einbogen, hörte der Bedroher auf, sie zu verfolgen, und ging stattdessen weiter am Schillerpark entlang, während er ihnen laute Beleidigungen hinterherschrie. Weitere Passant*innen, welche die Bedrohung mitbekommen haben müssen, unternahmen nichts.“
Das ist ein Eintrag vom 25. November 2020 aus dem Berliner Register. Das vom Senat geförderter Projekt erfasst rechtsextremistische und diskriminierende Vorfälle und vermittelt Gewaltopfern medizinische und psychische Unterstützung.
„Früher waren es aus dem queeren Bereich eher schwule Männer, die Anzeige erstatteten“, sagt Kati Becker. Sie ist die Leiterin des Berliner Registers und hat eine wichtige Veränderung festgestellt: 2019 und 2020 meldeten vermehrt auch queere Frauen Übergriffe. Becker sagt: „Der Senat möchte die Sichtbarkeit von queeren Menschen, die keine schwulen Männer sind, erhöhen. Das gelingt zunehmend.“
Denn queere Frauen, so scheint es, werden im Bereich LGBTIQ* immer noch leicht übersehen. In seinem Koalitionsvertrag hat der rot-rot-grünen Berliner Senat 2016 deshalb festgehalten, dass die Sichtbarkeit von LGBTIQ* gefördert werden soll – insbesondere die von queeren Frauen. Und die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung unter dem grünen Senator Dirk Behrendt fördert verschiedene Projekte wie das Projekt „Lesbisch*. Sichtbar. Berlin“, bei dem queere Frauen miteinander vernetzt werden.
Ein anderes Projekt des Senats ist die Initiative „Berlin tritt ein für Selbstbestimmung und Akzeptanz geschlechtlicher und sexueller Vielfalt“ (IGSV). Sie verfolgt 92 Einzelmaßnahmen, zu denen auch das bundesweit erste Monitoring zu queerfeindlicher Gewalt gehört, das im Dezember 2020 veröffentlicht wurde – mit dem Schwerpunkt lesbenfeindlicher Gewalt. Das Monitoring soll künftig mit wechselnden Schwerpunkten alle zwei Jahre durchgeführt und veröffentlicht werden.
Justizsenator Behrendt will damit nicht nur das Bewusstsein für Gewalt gegen LGBTIQ* stärken, sondern auch Betroffene dazu bringen, Vorfälle zur Anzeige zu bringen: „Berlin hat ein sehr gut ausgebautes System aus Verfolgung bei den Strafverfolgungs- und Ermittlungsbehörden sowie Hilfe bei den Fachberatungsstellen. Der Monitoring-Bericht soll diese Arbeit ergänzen“, heißt es in seinem Pressestatement zur Veröffentlichung des ersten Berichts.
Das Monitoring zu trans- und homophober Gewalt wurde durchgeführt von der Camino gGmbH, die praxisnahe Forschungen und Evaluationen erstellt. Dafür wertete Camino auf knapp 230 Seiten polizeiliche Daten aus und führte Interviews, Exper:innengespräche und Diskussionen durch. Ergänzt wird das Monitoring durch Onlinebefragungen, um abschätzen zu können, wie viel queerfeindliche Gewalt tatsächlich ausgeübt wird – denn Polizei, Senat und die LGBTIQ*-Community gehen von einem besonders großen Dunkelfeld in diesem Kriminalitätsbereich aus – also von zahlreichen queerfeindlichen Taten, die nicht angezeigt werden.
Dabei ist die Anzeigebereitschaft in der Hauptstadt im Vergleich zu anderen Bundesländern hoch: Gewalt an queeren Menschen wird hier besonders häufig angezeigt. 2018 gab es in ganz Deutschland 351 Anzeigen wegen antiqueerer Gewalt, davon 255 in Berlin. Das liegt wohl auch daran, dass in keinem anderen Bundesland so aktiv von Politik, der queeren Community, der Staatsanwaltschaft und der Polizei gefordert wird, queerfeindliche Gewalt anzuzeigen.
Das war nicht immer so: Bis 1994 galt im Strafgesetzbuch der Paragraf 175, der sexuelle Handlungen zwischen Personen männlichen Geschlechts unter Strafe stellte. Bis in die 1990er Jahre hinein war die Verfolgung von queeren Männern durch die Polizei also ganz offiziell erlaubt.
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