FPÖ in Österreich: Kuscheln mit Extremen

Mit der „Distanziererei“ sei es vorbei, sagt der FPÖ-Generalsekretär über die Identitären. Die Partei nähert sich auch den Coronaleugnern.

FPÖ-Fraktionschef Herbert Kickl und FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz während einer Pressekonferenz

FPÖ-Fraktionschef Herbert Kickl (l.) und FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz Foto: Eibner Europa/imago

WIEN taz | Weniger Distanz zu den rechtsextremen Identitären wünscht sich FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz. In einem Interview mit dem rechtsextremen Onlinemagazin Info-Direkt hält es der Funktionär für einen Fehler, wenn man seinerzeit als Regierungspartei geglaubt habe, „wir müssen in ein Rückzugsgefecht gehen und uns auf Zuruf von Sebastian Kurz distanzieren“. Der damalige Vizekanzler Heinz-Christian Strache sah sich seinerzeit gezwungen, seine Salonfähigkeit durch eine klare Abgrenzung vom rechtsextremen Milieu zu beweisen. „Mit dieser Distanziererei ist es aber definitiv vorbei“, so Schnedlitz, der mit dieser Aussage seinen Parteichef Norbert Hofer in Erklärungsnot bringt.

Die Frage des Verhältnisses zu den Identitären war neuerlich aufgetaucht, weil die FPÖ-Jugend Salzburg den 17-jährigen Identitären-Aktivisten Roman Möseneder zu ihrem Vorsitzenden erkoren hatte. Möseneder berichtete auch mit großer Anteilnahme vom jüngsten AfD-Kongress.

Norbert Hofer, das freundliche und moderate Gesicht der FPÖ, verhedderte sich in seinen Stellungnahmen in Widersprüche. „An der Beschlusslage hat sich nichts geändert“, bekannte er sich am Sonntag in der ORF-Pressestunde zu einem Vorstandsbeschluss aus dem Jahr 2018, wonach es nicht möglich sein soll, zugleich aktives Mitglied der Identitären und Funktionär der FPÖ zu sein.

Was den konkreten Fall Möseneder betreffe, verwies er auf die freie Meinungsäußerung und das Demonstrationsrecht. Konkreter wurde er wenig später auf Twitter: „Natürlich darf man (als FPÖ-Funktionär) auf Demos (von Identitären) mitgehen.“ Und: “Ich werde diesen jungen Funktionär sicherlich nicht im Stich lassen.“ Für Schnedlitz ist die „rote Linie“ das Strafrecht, der Rest sei freie Meinungsäußerung.

FPÖ ist wieder deutlich weiter nach rechts gerückt

Befreit von den Fesseln der Regierungsbeteiligung, ist die FPÖ in den vergangenen anderthalb Jahren wieder ein deutliches Stück nach rechts gerückt. Bei den Wahlen in Wien im vergangenen Oktober war die FPÖ von über 30 auf 7 Prozent abgesackt. Eine dankbare Wählergruppe hat sie jetzt unter den Coronaleugnern und Impfgegnern entdeckt. Noch vor dem Sommer plakatierte sie „Stoppt den Corona-Wahnsinn“.

Im Wien-Wahlkampf wurde im Bierzelt maskenlos geschunkelt und Fraktionschef Herbert Kickl tanzte ausgelassen auf dem Tisch. Angesichts der Aussicht auf eine Corona-Impfung fantasierte er einen Impfzwang herbei und wetterte gegen eine „emotionale Erpressung des ganzen Volkes“.

Wiens Spitzenkandidat Dominik Nepp sprach nach dem Auftreten eines Coronaclusters in einem Asylbewerberheim von einem „Asylantenvirus“ und Parteichef Norbert Hofer sah sich zu einem Wortspiel hingerissen: „Ich fürchte mich nicht vor Corona, Corona ist nicht gefährlich. Da ist der Koran gefährlicher.“ Wenig später fing er sich das Virus selber ein und musste in Quarantäne gehen.

FPÖ-Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch, selbst Medizinerin, rief vom Rednerpult im Parlament indirekt zum Boykott der bevorstehenden Massentestungen auf: „Wenn Sie in Ruhe Weihnachten feiern wollen, dann lassen Sie sich nicht testen. Denn wenn Sie dort positiv sind, dann sind Sie genau über die Feiertage in Quarantäne.“ Norbert Hofer sah sich zwar bemüßigt, das nicht als Boykottaufruf zu interpretieren, doch die Botschaft kam an. Für die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle von der Uni Klagenfurt zeigt dieser Appell an die Verschwörungsgläubigen bereits Erfolg. Die FPÖ nähere sich in den Umfragen wieder der 20-Prozent-Marke an.

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