Gewalt in Frankreich: Versöhnung? Fehlanzeige
Die Straßenschlachten zwischen Demonstranten und Polizei offenbaren den Zustand des Landes. Macron ist mit seinem Versöhnungsversprechen gescheitert.
D ie Szenen der Gewalt, die sich derzeit in Frankreich abspielen, schockieren kaum noch jemanden. Es scheint, als hätten sich die Französinnen und Franzosen daran gewöhnt, dass sich schwarz vermummte Demonstranten und Polizisten in Kampfmontur Straßenschlachten liefern. Die sich wiederholenden Bilder brennender Autos und Tränengas versprühender Polizisten zeigen, wie gewalttätig Frankreich geworden ist. Sogar Emmanuel Macron musste am vergangenen Freitag einräumen: „Ja, es gibt Gewalt in unserer Gesellschaft.“
Dabei war der Präsident vor dreieinhalb Jahren mit dem Versprechen angetreten, seine Landsleute miteinander zu versöhnen. Doch die Gesellschaft war wohl noch nie so gespalten wie jetzt. Sozialpartner, Parteien, Religionen und die verschiedenen Milieus entfernen sich immer weiter voneinander. Vom französischen Archipel ist bereits die Rede.
Schuld daran ist vor allem Macron selbst, der das Land selbstherrlich führt und kaum auf Stimmen aus der Gesellschaft oder Kritiker im eigenen Lager hört. Anderthalb Jahre vor den nächsten Präsidentschaftswahlen nutzt er das Thema Sicherheit für Wahlkampfzwecke. Mit dem umstrittenen Sicherheitsgesetz, gegen das am Samstag erneut mehr als 50.000 Menschen auf die Straße gingen, will er die rechte Wählerschaft für sich gewinnen.
Das umstrittene Verbot, Polizisten in „schädigender Absicht“ zu filmen, wird deshalb nicht zurückgezogen, sondern nur umgeschrieben. Gleichzeitig windet sich Macron darum herum, die Polizeigewalt beim Namen zu nennen. Seinen als Hardliner bekannten Innenminister lässt er ebenso im Amt wie den viel kritisierten Polizeipräfekten von Paris. Seine Rhetorik des „Einerseits-Andererseits“ lässt ihn vor den klaren Ansagen zurückschrecken, die vom Präsidenten als moralischer Autorität eigentlich erwartet werden.
Der Konflikt wegen des Sicherheitsgesetzes wird deshalb weiter auf der Straße ausgetragen. Und die Versöhnung, die Macron seinen Wählerinnen und Wählern 2017 versprach, ist damit in weite Ferne gerückt.
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