Gedenken an Opfer des NSU: Kein Gedenken ohne Aufarbeitung

Ein FDP-Politiker fordert einen nationalen Gedenktag für die Opfer des NSU. Die Betroffenen alleine sollten über einen solchen Tag entscheiden.

Bildkombo mit Portraits

Die Mordopfer des NSU: (oben, v.l.) Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil Kılıç und Polizistin Michèle Kiesewetter, sowie (unten, v.l) Mehmet Turgut, İsmail Yaşar, Theodorus Boulgarides, Mehmet Kubaşik und Halit Yozgat Foto: Norbert Försterling/dpa

Die Opfer des rechtsextremen NSU niemals vergessen. Dass sie das niemals tun würden, hatten die Angehörigen der Opfer und auch eine Zivilgesellschaft nach dem Urteilsspruch im NSU-Prozess 2018 versprochen.

Jetzt fordert der FDP-Bundestagsabgeordnete Grigorios Aggelidis einen nationalen Gedenktag für die Opfer der Rechtsterroristen. In einem Antragsentwurf, der der taz vorliegt und den die FDP-Fraktion bald beschließen soll, heißt es als Begründung: „Dies sind wir den Menschen in Deutschland, dem Vertrauen in unseren Rechtsstaat und vor allem den Opfern und Opferfamilien schuldig.“

Nun, niemand sollte sich anmaßen, diese Idee als sinnvoll oder sinnlos zu bewerten, ohne die Angehörigen der Opfer dazu gehört zu haben. Sie alleine sollten darüber entschieden, ob es einen offiziellen Gedenktag geben soll. Und nicht allein das Datum des Gedenktages in Übereinstimmung mit ihnen festgelegt werden, wie es bisher in dem Entwurf steht. Auf Nachfrage hierzu sagte eine Sprecherin von Aggelidis der taz, der Antragsteller habe deshalb bereits zwei Opferanwälte kontaktiert. Man bemühe sich darum, die Haltung der Angehörigen in Erfahrung zu bringen.

„Kein Schlussstrich“, lautete das Motto bundesweiter Proteste nach dem Prozessende. Denn der Prozess ließ viele Fragen offen: über einen NSU-Unterstützer:innenkreis, die Verstrickungen von Sicherheitsbehörden, den Verbleib und die Vernichtung von Beweismitteln.

Gedenken kennt kein Ende

Insofern erscheint ein Vorschlag von Grünen-Politiker Cem Özdemir zumindest naheliegender: In einem Änderungsantrag zum grünen Grundsatzprogramm, über das im November beim Bundesdelegiertenkongress abgestimmt werden soll, fordert er ein zentrales, unabhängiges Archiv, in dem Beweismittel, Akten und weitere Unterlagen zum NSU-Terror und anderen rassistischen Taten gesichert und wissenschaftlich aufgearbeitet werden sollen.

Gedenken ist etwas, das kein Ende hat. Bei der Aufarbeitung des NSU-Rechtsterrors scheint ein Ende bisher zumindest nicht in Sichtweite. Sicher ist, dass Gedenken ohne Aufarbeitung fragwürdig ist – zumindest wenn man es in der Sache ernst meint und nicht allein ritualisiertes Gedenken für das eigene Gewissen begehrt. Das es eine deutsche Neigung zum Letzteren gibt, das sollte in der Erwägung eines Gedenktags zumindest bedacht werden.

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Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.

■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.

■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.

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