Ausstellung über Fotograf Umbo: Mit dem Namen eines Clowns

Er ist aus dem Bauhaus geflogen und trotzdem berühmt: Die Berlinische Galerie widmet sich dem Fotografen Umbo, umtriebig in der Weimarer Zeit.

Vier junge Frauen sitzen nebeneinander auf einer Chaiselongue, eine Hand jeweils aufs Herz gelegt, die Köpfe leicht geneigt.

Für Umbo posieren 1927 Alexa von Porembsky, Lena Amsel, Ruth Landshoff, Anne Marie Jauss Foto: Phyllis Umbehr/Galerie Kicken Berlin/VG Bild-Kunst, Bonn 2020

Es war im Jahr 1927, als Ruth Landshoff einen Text für Die Dame schrieb: „Wir – das sind die jungen Leute, die außer Atem sein müssen, ehe sie zum Lesen kommen, von Sonne, Luft, Bewegung und Freude am Leben. Wir, die wir aus dem unaufhörlich rotierenden Dasein hinausgeschleudert werden in die Stille eines Buches wie in einen Schlaf.“ Sie erzählt, wie sie Romane von André ­Gide, Joseph Conrad, Jack London lesen, aber auch Bücher über Fischfang, Reisen und Rennen, Logbücher und Industrieberichte. „Bücher, die unser geliebtes Tempo haben, die unruhig sind, wie wir selbst sind“. Träfen sie die Personen dieser Bücher, „wir würden sie nach dem PS ihrer Wagen fragen“.

1927 fotografierte Umbo vier dieser abenteuerhungrigen und geschwindig­keitsverliebten jungen Frauen in einer Reihe nebeneinandersitzend, die Knie geneigt, die Hand aufs Herz, tanzen sie im Sitzen? Ruth Landshoff ist dabei, die Tänzerin Lena Amsel, die zwei Jahre später bei einem Autorennen mit dem Maler André Derain in ihrem Bugatti verunglückte, die Malerin Anne Marie Jauss und die Schauspielerin Alexa von Porembsky, präsent in Berliner Theatern, in Filmen, in den Revuen von Eric Charell und durch viele Porträts unterschiedlicher Fotografen.

Die Kunsthistorikern Annelie Lütgens erzählt im Katalog zu der großen „Umbo“-Ausstellung in der Berlinischen Galerie die spannende Geschichte von Ruth Landshoff und ihrem Freundeskreis, ihren Beziehungen zu Männern und Frauen, ihrem Weg als Autorin, ihre Reisen mit Annemarie Schwarzenbach. Und allein die vielen Porträts, die Umbo von Ruth Landshoff machte, lohnen den Besuch der Ausstellung.

Schreibmaschine auf dem Bauch

Er leuchtete ihr Gesicht so hell aus, dass die Nase verschwand, aber dunkle Augen und dunkler Mund alles zu sagen schienen. Er fotografierte sie mit der Schreibmaschine auf dem Bauch im Bett und dann ein wenig näher gerückt, mit entblößter Schulter und Zigarettenspitze.

Fotograf In der Ausstellung „Umbo. Fotograf“ in der Berlinischen Galerie, Alte Jakobstraße 124–128, sind Arbeiten von 1926 bis 1956 präsentiert. Mittwoch bis Montag von 10 bis 18 Uhr, die Schau ist bis 25. Mai zu sehen. Den Katalog zur Ausstellung gibt es als Museumsausgabe für 48 Euro.

Revisited Arbeiten des Fotografen sind auch in der Galerie Kicken Berlin, Kaiserdamm 118, zu sehen: Die Schau „Umbo Revisited“ läuft bis 17. April, Montag bis Freitag nach Vereinbarung.

Einmal werden die Risse eines zerbrochenen Glasnegativs zum Spinnennetz, das sich über sie legt, eine geheimnisvolle Femme fatale. Es gibt Ruth, die Sportliche, mit Badekappe und nackter Haut, es gibt Ruth, die zärtlich Verspielte, mit Katze in ihre Halsbeuge gekuschelt im Bett. Ein anderes Spiel ist Landshoff mit Degen und Verband. Schöner lässt sich eine Liebesgeschichte in Bildern kaum erzählen.

Heute sind die emanzipierten jungen Frauen der damaligen zwanziger Jahre, mit ihrer bisexuellen Offenheit und ihrer androgynen Stilisierung, Legende. Aber als Umbo in Berlin zu fotografieren begann, ohne große Erfahrung oder Ausbildung an der Kamera, war er, zusammen mit Ruth Landshoff, entscheidend an der Herstellung dieses Bildes beteiligt.

Man hatte einen solchen Umgang mit Licht, eine solche auf Feinzeichnung verzichtende Entwicklung des Filmmaterials noch nicht gesehen, wie in den ersten Bildern Umbos, der die Fotoszene als Autodidakt betrat. In seinen zwei Jahren als Bauhaus-Student zuvor (1921/22) wollte er eher noch Maler werden.

Ein schlitzohriger Junge

Der Name Umbo klingt wie der eines Clowns. 1924 nahm Otto Maximilian Umbehr den Namen an, unter dem er in Berlin bald berühmt werden sollte. Er und sein Zirkel schwärmten für Charlie Chaplin, Selbstporträts zeigen Umbo mit Melone und Lippenbärtchen.

1932 erschien in der Zeitschrift Das Leben unter der Überschrift „umbo knipst artisten“ eine lange Foto­strecke mit seinen Bildern und einem Text von J. Reismann über den Fotografen. Er wird beschrieben wie ein schlitzohriger Junge, wegen „unheilbarer Faulheit“ aus dem Bauhaus geworfen, ohne handwerkliche Kenntnisse, aber mit vielen Damenbekanntschaften. Freunde helfen ihm, Partner betrügen ihn, naiv scheint er. Die prekäre Lage der Künstler ohne Geld, die auch deswegen im Artistenmilieu eine Metapher für die Risiken der künstlerischen Existenz sehen, wird hier anekdotisch heruntergespielt.

Zur Ikone ist seine Collage von Egon Erwin Kisch, dem rasenden Reporter, geworden, in der Mensch und Apparate zu einem Wesen verschmelzen. Der Blick von oben, auf die langen Schatten von Spaziergängern, aber auch auf müde Pärchen im Sand am Strand, bereitete die Perspektiven des sogenannten Neuen Sehens vor. Schaufensterpuppen zogen Umbo und viele seine Zeitgenossen an, sie bilden in der se­riel­len Reihung von realistisch geformten Körperteilen und fein gemalten Gesichter surreale Szenerien.

Blick von oben auf Spaziergänger, sie werfen lange Schatten.

„Unheimliche Straße“, 1928 Foto: Phyllis Umbehr/Galerie Kicken Berlin/VG Bild-Kunst, Bonn 2020

Als in den 1970 Jahren, vor allem Dank des Galeristen Rudolf Kicken, eine Wiederentdeckung von Umbos Werk, der damals noch lebte, einsetzte, konzentrierte sie sich auf die 1920er Jahre. Vieles von dem, was nicht bei einem Bombenangriff 1943 in seinem Berliner Atelier zerstört worden war, ist seitdem vielfach reproduziert worden und in Ausstellungen zu den zwanziger Jahren aufgetaucht. Aber erst die jetzige Ausstellung verfolgt, wie seine Geschichte weiterging. Möglich wurde das, weil drei Museen gemeinsam, das Sprengelmuseum in Hannover, die Berlinische Galerie und das Bauhaus Dessau 2016, nach sieben Jahren Verhandlungen, seinen Nachlass erwerben konnten. Berlin ist nach Hannover die zweite Station der Ausstellung.

Wachstum der Salze

Mit dem Erstarken des National­so­zia­lismus veränderte sich die Zeitungslandschaft und damit die Auftraggeber. 1935 entstand eine Reportage über das „Wachstum der Salze“, die mit grafischen Bildlösungen der abstrakten Malerei nahekommt. 1938 ging Umbo einen Vertrag mit dem Deutschen Verlag ein, der ihm finanziell das Überleben sicherte. Eine Reportage über „Bauern­mädchen“, die er 1939 für Der Stern machte, neigt dann schon zur Heroisierung des sportlichen Mädchenkörpers. Von seiner früheren Handschrift ist in diesen Reportagen nur wenig zu finden.

Aber mit ihnen ist seine Geschichte längst noch nicht zu Ende. Ende der 1940er Jahre entstehen abstrakte Lichtzeichnungen, von gewellten, sich drehenden und pulsierenden Körper, die ein Echo sein könnten auf die Kunstbewegung Zero, die nach Krieg und Faschismus vorsichtig einen Neuanfang in ideologisch unverfänglichem Gebiet suchte.

Strenger, karger, auch verhärmter

Vor allem aber sind die Reportagen interessant, die Umbo in den fünfziger Jahren für Zeitschriften in England machte, deutlich nicht aus deutscher Perspektive erzählt. Eine geht über das „Forbidden Territory Helgoland“, über eine vom Krieg gezeichnete Landschaft. Und sehr eindringlich sind seine Por­träts von selbstgerecht blickenden, das Kinn vorschiebenden und im demagogischen Gestus schon wieder Reden schwingenden Anzugträgern in der Reportage „SRP. Are the Nazis Coming Back?“, die er 1951 für die Zeitschrift ­Picture Post machte.

Die zwanziger Jahre in Berlin sind ein Herzstück in der Sammlung der Berlinischen Galerie und immer ein Publikumsrenner. Das Museum hat dabei in den letzten Jahren schon mehrfach die Wege der Künstler über diese Zeit hinaus verfolgt. Das ist jedes Mal mit einer Ernüchterung verbunden, weil sich die Leichtigkeit, das Spielerische, mit dem sie jung, innovativ und glamourös die Bühne der Kunst betraten, eben später nicht wiederholen ließ.

Sich für diese frühere Zeit zu erwärmen ist einfacher, als für die oft strengere, kargere, auch verhärmte Kunst der Nachkriegsjahre, die eben nicht mehr von der Euphorie eines Aufbruchs oder dem Gefühl einer Bewegung und freundschaftlichen Vernetzung getragen war. Aber mit ihr vervollständigt sich oft eben erst ein Bild, von dem man vorher nur die Schokoladenseite sah.

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