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Bericht zu sozialer Lage in DeutschlandArmut leicht gesunken

Der Armutsbericht des Paritätischen Gesamtverbandes stellt erstmals seit Jahren einen Rückgang der Armut fest. Die Spaltung zwischen Regionen vertieft sich weiter.

NRW ist besonders hart betroffen: ein Obdachloser in einer Dortmunder Wohnungsloseninitiative Foto: dpa

Hannover/Bremen epd | Die Armut in Deutschland ist laut dem aktuellen Armutsbericht des Paritätischen Gesamtverbandes leicht zurückgegangen. Der am Donnerstag in Berlin veröffentlichte Bericht zeigt zugleich, dass sich die Unterschiede zwischen wohlhabenden und ärmeren Gegenden vergrößern.

Die Armutsquote betrug dem Bericht zufolge 2018 im Bundesdurchschnitt 15,5 Prozent, das waren 0,3 Prozentpunkte weniger als 2017. Rechnerisch mussten damit 210.000 Menschen weniger als im Vorjahr unterhalb der Armutsgrenze leben. Die Armutsquote ging dem Bericht zufolge erstmals seit 2014 zurück, lag aber trotz der jahrelang guten Konjunktur fast einen Prozentpunkt höher als vor zehn Jahren.

Hauptgrund für den bundesweiten Rückgang der Armut ist eine positive Entwicklung in den drei bevölkerungsreichen Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Bayern. In Niedersachsen sank die Quote von 16,7 auf 15,9 Prozent, das Land lag damit aber immer noch über dem Bundesdurchschnitt. Auch in sieben weiteren Bundesländern sank die Armutsquote leicht. Sie stieg dagegen in Brandenburg, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Thüringen.

Die niedrigste Armutsquote hat Bayern mit 11,7 Prozent, gefolgt von Baden-Württemberg, die höchste Bremen mit 22,7 Prozent. Doch auch im kleinsten Bundesland sank die Quote gegenüber dem Vorjahr leicht um 0,3 Prozentpunkte. Am unteren Ende der Skala folgen Mecklenburg-Vorpommern mit 20,9 Prozent und Sachsen-Anhalt mit 19,5 Prozent sowie Berlin und Nordrhein-Westfalen mit jeweils gut 18 Prozent. Der Anteil der Hartz-IV-Bezieher und der Erwerbslosen ging von 2017 bis 2018 in allen Bundesländern zurück.

Die jährlichen Berechnungen des Paritätischen geben auch einen Gesamtüberblick. Nach wie vor ist der Osten insgesamt ärmer als der Westen, aber zu den Regionen mit den höchsten Armutsquoten gehört das Ruhrgebiet in Nordrhein-Westfalen. Insgesamt sei Deutschland inzwischen viergeteilt, stellt der Bericht fest.

Nordrhein-Westfalen hat im Westen mit 18,1 Prozent die höchste Armutsquote. Es folgen die ostdeutschen Länder mit 17,5 Prozent und ein Nord-West-Gürtel von Schleswig-Holstein bis zum Saarland mit 15,9 Prozent. Bayern und Baden-Württemberg stehen zusammen mit einer Armutsquote von 11,8 Prozent deutlich besser da als der Rest der Republik.

Der Bericht des Paritätischen stützt sich auf den Mikrozensus des Statistischen Bundesamts. Bei der Berechnung der Armutsquoten zählt jede Person als einkommensarm, die mit ihrem Einkünften unter 60 Prozent des mittleren Einkommens liegt.

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7 Kommentare

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  • taz: "Die Armutsquote betrug dem Bericht zufolge 2018 im Bundesdurchschnitt 15,5 Prozent, das waren 0,3 Prozentpunkte weniger als 2017."

    Ob nun 15,5% oder 15,8%, an solchen Prozentzahlen erkennt man nicht das wahre Ausmaß der Armut in diesem Land. Da muss man sich schon die "Armutszahlen" in ihrer wirklichen Dimension, und am besten noch als Zahl ausgeschrieben, ansehen.

    In Deutschland müssen 1,6 Millionen Menschen (1.600.000) jeden Monat an einer der 941 Tafeln anstehen. Die "Tafeln" sind von ursprünglich nur einer Tafel (1993) bis heute (2019) auf 941 Tafeln angewachsen. Wir haben 678.000 Wohnungslose in Deutschland und 52.000 obdachlose Menschen. Es gibt 1,7 Millionen arme Hartz IV Kinder (1.700.000), für die nicht einmal zu Weihnachten ein Spielzeug im Hartz IV Regelsatz vorgesehen ist. Wir haben in Deutschland ca. 9 Millionen Niedriglohn-"Sklaven" (9.000.000), die beim Amt aufstocken müssen, weil ihr Lohn nicht zum Leben reicht. Viele Milliarden Euro werden jährlich aus Steuermitteln aufgewendet, um nicht existenzsichernde Arbeit aufzustocken. Dieses reiche Land hat 5,3 Millionen Hartz IV Empfänger (5.300.000), denen man seit Jahren den Hartz IV Regelsatz "niedrig" rechnet und sie sogar noch sanktioniert. Gleichzeitig wurde der Spitzensteuersatz für die Reichen von 53% auf 42% gesenkt und die Veräußerungsgewinne von Kapitalgesellschaften steuerfrei gestellt. Viele Rentner bekommen so wenig Rente, dass sie schon Pfandflaschen aus den Mülleimern sammeln oder morgens Zeitungen austragen müssen. Zum Glück gibt es aber auch Rentner in Deutschland, die weder arbeiten noch Pfandflaschen sammeln oder an eine der Tafeln um Essen anstehen müssen. Da gibt es z.B. den ehemaligen deutschen VW-Manager Martin Winterkorn, der 93.000 Euro Rente im Monat bekommt oder auch der Daimler-Chef Dieter Zetsche, der 4250 Euro Rente bekommt - allerdings jeden Tag, was also ca. 130.000 Euro Rente im Monat sind. So schaut in diesem Land soziale Gerechtigkeit aus.

  • Sorry, aber die Statistik ist Murks!

    60% des mittleren Einkommens bezogen auf den Bundesdurchschnitt werden mit den Einkommen verglichen.

    Logisch, dass da Bayern besser dasteht als MP, weil in München die Ortszuschläge und Förderungen wegen der deutlich höheren Kosten auch höher sind.



    Die Armutsdefinition des Paritätischen berücksichtigt aber nicht die Lebenshaltungskosten am jeweiligen Ort, sondern vergleicht nur gegenüber dem Durchschnittseinkommen. Sorry, aber das ist Murks!

  • Wie immer: die völlig sinnfreie Definition von Armut als "Einkünfte unter 60 Prozent des mittleren Einkommens" wird selbst von der taz einfach übernommen. Kein Hinterfragen, gar nichts dazu.

    Selbst eine Gesellschaft von etwas ungleichen Millionären käme damit auf eine stattliche Armutsquote!

  • Gemeint ist wohl eine relative, nicht eine absolute Armut. Nach den Berechnungskriterien der EU (mit einem Median von 60%), wird es immer arme Menschen geben, selbst wenn diese sich de facto nicht als arm verstehen.

  • Wahnsinn. Mit dieser erfreulichen Nachricht hätte ich nicht gerechnet. Man muss berücksichtigen, dass Deutschland zudem in den letzten Jahren über eine Millionen Geflüchtete aufgenommen hat und offene EU-Binnengrenzen hat. Viele der Obdachlosen, vor allem in Berlin, kommen aus dem EU-Ausland. Dies alles zählt ja mit in die Statistik ein und TROTZDEM sinkt die Armutsquote. Wahnsinn.

  • 0G
    07400 (Profil gelöscht)

    "



    Der Bericht des Paritätischen stützt sich auf den Mikrozensus des Statistischen Bundesamts. Bei der Berechnung der Armutsquoten zählt jede Person als einkommensarm, die mit ihrem Einkünften unter 60 Prozent des mittleren Einkommens liegt."

    Verzeihung. Die Wahrheit fehlt hier leider im Kern. 60% von den mittleren Einkommen der untersten Einkommensgruppen. 80% werden überhaupt nicht berücksichtigt. Bei dieser Schlechterstellung um Armut zu Legitmieren.

    Das Einkommen laut Arbeitgeber im Durchschnitt liegt bei Vollkosten einer Arbeitstunde 36€ und 26,50 Bruttodurchschnittslohn. Und davon können die meisten schon kaum Gut Wohltstand wohnen.



    Den von 26,50€ die Stunden gehen 36-42% ab und es bleiben netto 18-19,70 die Stunde. Und das ist nicht die Basis für ihren Textinhalt. Leider ganz weiter von den Ursachen entfernt.

    Ciao Bella Bella Ciao

    • 8G
      83379 (Profil gelöscht)
      @07400 (Profil gelöscht):

      Ich arbeite fuer 12,5 Stundenlohn in den Niederlanden mit leicht hoeheren Lebenshaltungskosten und lebe hier ohne Probleme, wer von 18-19 euro Netto/h nicht gut leben kann hat andere Probleme.

      Oder verstehe ich sie da falsch?

      Ich bin dafuer aber fuer sowas den Median zu nehmen d.h. der Wert bei dem 50% mehr und 50% weniger haben das ist realistishcer als der Mittelwert, keine Ahnung wie das Bild dann aussehen wuerde.