Aktion mit Asche von Opfern der Schoah: Wozu die Lebenden fragen?
Mit toten Juden kann man machen, was man für richtig hält, scheint das Zentrum für Politische Schönheit zu glauben. Wie selbstgerecht ist das denn?
E ine Stele, gefüllt mit der Asche ermordeter Jüdinnen und Juden – vielleicht. „Schwurwürfel“, in die Bodenproben eingegossen sind, als Crowdfunding-Belohnung. Damit erregt das Zentrum für Politische Schönheit gerade die Gemüter. Nur: Um ein würdiges Andenken an die Ermordeten geht es dabei nicht. Was die Aktionskünstler*innen hier präsentieren, ist pure Selbstgerechtigkeit.
Das Zentrum für Politische Schönheit sagt, es wolle die Union mahnen: Man darf den Faschisten nicht die Hand reichen. So weit, so gut. Es sagt, dass es für viele der von den Nazis ermordeten Jüdinnen und Juden kein würdiges Gedenken gebe. Dass wir über ihre verstreute Asche reden müssen. Auch das ist wahr.
Es eignet sich aber diese Asche, das Gedenken an diese Menschen, an. Und erhebt sich somit nicht nur über die Gesellschaft, die es kritisieren will – sondern auch über die Überlebenden und ihre Angehörigen. Sicher, es mag auch unter Jüdinnen und Juden verschiedene Meinungen zu dieser Aktion geben. Aber auf Kritik von ebendiesen Angehörigen reagiert das Zentrum für Politische Schönheit mit Arroganz.
Man „entreiße“ das Gedenken der „Lieblosigkeit“, heißt es im Video zur Aktion und in Antworten an bestürzte Nachfahren. Man darf aber getrost davon ausgehen, dass die Familien ihrer Toten gedenken. Liebevoll übrigens. Und dass sie dafür keine Anleitung eines deutschen Kunstkollektivs brauchen. Mehr noch: Wenn es wirklich um die Würde dieser Toten ginge, dann wären jüdische Organisationen zentral beteiligt, statt eine vor Effekthascherei strotzende Kampagne um die Ohren geschlagen zu bekommen.
Das Zentrum betont, dass Lea Rosh, Initiatorin der Holocaustmahnmals in Berlin, das alles ganz toll findet. Die Lea Rosh übrigens, die bei einem Besuch in der KZ-Gedenkstätte Belzec den Zahn eines Ermordeten mitgenommen hat. Er lag dann jahrelang auf ihrem Schreibtisch, bis sie ihn in ebenjenem Mahnmal in Beton gießen wollte. Inzwischen ist er in der Gedenkstätte bestattet.
„Suchet in der Asche“, zitiert die Aktion den im Holocaust ermordeten Salmen Gradowski. Liegt der Gedanke so fern, dass es dabei um Gedenken geht – und nicht darum, in dieser Asche zu wühlen?
Es geht dem Zentrum für Politische Schönheit am Ende weder um eine Mahnung an die Union noch um die Toten. Oder redet gerade irgendjemand über die AfD? Über neue Gedenkstätten? Nein? Überraschung. Das Kollektiv wollte Spektakel, und Spektakel hat es bekommen. Natürlich sei keine Asche aus Auschwitz in der Stele, betont das Zentrum nun brüskiert. Nur von anderen Orten. Na dann.
Selbst wenn gar keine Asche darin wäre: Achtung vor den Toten betrifft nicht nur ihre Körper. Zynisch kann man sagen, dass diese Aktion deutsche Erinnerungskultur auf die Spitze treibt. Mit toten Jüdinnen und Juden kann man machen, was man für richtig hält – als Erinnerungsweltmeister macht man es ohnehin richtig. Wozu die Lebenden fragen?
Meine Familie wurde in Auschwitz ermordet. Auch für sie haben wir kein Grab. Aber das Zentrum für Politische Schönheit instrumentalisiert ihr Andenken, eignet es sich an – für ein paar Zeitungsartikel.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Klimakiller Landwirtschaft
Immer weniger Schweine und Rinder in Deutschland