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Subventionierung von TageszeitungenPerfekter Tabubruch

Der Bund steigt in die Subventionierung des Vertriebs von Tageszeitungen ein. Die Summe reicht nicht, um die Probleme der Branche zu lösen.

Zeitungs­zusteller bekommen mittlerweile auch den Mindestlohn, für die Verlage ist das ein Problem Foto: imago / Thomas Wages

Lutz Schumacher dürfte sich in diesen Tagen verstanden fühlen. Der Geschäftsführer des Nordkurier, der mit einem eher dünn besiedelten Verbreitungsgebiet in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern gesegnet ist, hatte seit Jahren den Tag beschworen, an dem die Belieferung der immer weniger werdenden Abonnent*innen mit der gedruckten Zeitung schlicht logistisch nicht mehr möglich, weil zu teuer würde. Anfang 2019 dachte die Funke-Gruppe dann ebenfalls laut über ein Ende ihrer gedruckten Zeitungen in Thüringen nach – und scheuchte damit die Politik im Freistaat auf.

Gehandelt wird jetzt auf Bundesebene. Der Haushaltsausschuss des Bundestags hatte schon vor einer Woche 40 Millionen Euro für die Unterstützung des Vertriebs von Tageszeitungen und Anzeigenblättern im kommenden Jahr durchgewinkt, die noch ausstehende Bestätigung durch das Bundestagsplenum gilt als Formsache. Nach Presseberichten hatte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil zunächst sogar 100 Millionen Euro vorgesehen, diese Summe wurde dann aber schleunig wieder zusammengestrichen.

Für die Zeitungsunternehmen ist die Sache klar: Sie leiden am 2018 auch für Zeitungs­zu­steller*innen eingeführten Mindestlohn, der sich nach Arbeitsstunden bemisst. Zuvor wurden die Menschen, die meist noch vor 6 Uhr morgens die Briefkästen der Leser*innen bestücken, pro ausgelieferter Zeitung bezahlt. Nun mache der Mindestlohn das ohnehin im digitalen Wandel schwer geforderte Geschäftsmodell der klassischen Tageszeitungen schier zu einem Ding der Unmöglichkeit.

Weshalb der Einstieg in diese direkte Infrastruktur-Förderung der Presse zwar nett, aber viel zu wenig sei: „Es ist gut, dass das Arbeitsministerium den Handlungsbedarf erkannt und sich entschlossen hat, auf eine Situation zu reagieren, die auch durch Regierungshandeln entstanden ist“, heißt es in einem Statement von Dietmar Wolff, dem Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Zeitungsverleger (BDZV).

Digitale Transformation

Die geringe Förderhöhe für das Jahr 2020 löse aber „kein einziges Problem“. Denn die Fördersumme würde pro ausgeliefertem Zeitungsexemplar „weniger als einem Cent“ entsprechen, so Wolff. Immerhin werden in Deutschland aktuell noch immer über 13 Millionen gedruckte Zeitungen pro Tag verkauft und zugestellt, die Anzeigenblätter sind in dieser Zahl noch gar nicht enthalten.

Die Verlage fordern erstmals direkte Subventionen vom Staat. Bislang gibt es nur indirekte Vorteile

Laut BDZV betragen die Vertriebskosten im Durchschnitt aber 52 Cent pro ausgetragener Zeitung. „Der hohe Kostendruck bei der Zeitungszustellung bleibt eine Herausforderung mit gesellschaftspolitischer Tragweite, was sich zukünftig auch in einer angemessenen und wirksamen Förderhöhe widerspiegeln muss“, fordert daher der BDZV.

Der Tabubruch ist allerdings auch mit 40 Millionen Euro perfekt: Die Verlage fordern erstmals direkte Subventionen vom Staat. Bislang gibt es nur indirekte Vorteile wie den ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent auf Presseprodukte und Vergünstigungen beim allerdings immer unwichtiger werdenden Vertrieb der Zeitungen per Post.

Eine ähnliche Diskussion gibt es in der Schweiz. Auch dort lehnten die Verlage eine Presseförderung lange Zeit ab, nun ist sie als „Stärkung der Branche zugunsten der Demokratie und des Föderalismus“ – so der ehemalige Tagesanzeiger-Chefredakteur Peter Hartmeier – höchst willkommen. Ähnlich wird auch in Deutschland argumentiert.

Die Verödung vor allem der Lokal- und Regionalberichterstattung nun aber dem Mindestlohn für die bislang unterirdisch bezahlten Zu­stel­le­r*innen in die Schuhe zu schieben, lenkt ab vom seit Jahren praktizierten Sparkurs in Redaktionen und von der nach wie vor mangelhaften Innova­tionsbereitschaft oder -fähigkeit vieler Verlagshäuser.

Nachteile im ländlichen Raum

Der Bund will die Zustellung zunächst nun als Beitrag zur „digitalen Transformation“ unterstützten, wie es in dem vom Haushaltsausschuss verabschiedeten Antrag heißt. Das Ganze soll zunächst auf fünf Jahre begrenzt sein.

Damit überhaupt Geld fließt, muss außerdem noch ein schlüssiges Gesamtkonzept her. Und hier liegt der nächste Pferdefuß: Nicht bei allen Zeitungen ist der Vertrieb so aufwändig und kostenintensiv wie beispielsweise beim Nordkurier. Zeitungen mit immer noch hoher Abo-Dichte in Ballungsräumen stehen besser da als die in ländlichen Räumen. Doch wie soll unterschieden werden?

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9 Kommentare

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  • Die Post verlangt 40 Cent plus MWSt. Aber dann hat man die Zeitung nicht zum Frühstück. Wenn die Nachrichten anderthalb statt einen Tag alt sind, das ist der Untergang der Demokratie.

    Die Forderung dass auch Anzeigenblättchen gefördert werden sollen, analoger Spam auf Papier, nichts anderes als Subventionen für überalterte Technologien. Wie wenn das Internet diesen Beitrag zur „digitalen Transformation“ noch bräuchte.

  • Wird aber auch Zeit. Nach der Zwangssubventionierung von Radio/TV, welche die Leute in erster Linie verblöden bzw. seichte Unterhaltung bieten, sollten Zeitungen die wirklich Bildung und Hintergrundinformationen liefern (TAZ/SZ/etc) schon lange bezuschusst werden. Nur fraglich wer hier Qualitätsstandards festlegt. Befürchte das wird dann irgendwann ähnlich ÖR.

  • Zeitungen aus Papier und Zeitungszusteller machen in 2019 weder technisch noch ökonomisch noch ökologisch Sinn. Durch ihr Wegfallen würde in keiner Weise die Medienvielfalt wegfallen oder die Demokratie beschädigt. Die Leute sollten sich überlgen, wie sie mit ihren Produkten im Internet Geld verdienen können, statt nach Subventionen zu schreien.

  • Die subventionierte Presse wird so immer mehr zum Haus- und Hofberichterstatter der Bundesregierung degenerieren.

    Eine wirklich kritische Berichterstattung wird man sich wohl nicht mehr leisten, da durch die Suventionierung ein klares Abhängigkeitsverhältnis geschaffen wird.

    Und die Verlage werden den Fluss der Staatsgelder sicher nicht gefährden wollen.

  • 8G
    88059 (Profil gelöscht)

    Wess' Brot ich ess,



    dess' Lied ich sing. *träller*

  • Dieser Tabubruch, also die Durchbrechung der "medialen" Neutralitätstpflicht des Staates, sehe ich sehr kritisch.



    Mir der schwierigen Lage vieler Verlagshäuser durchaus bewusst seiend, kann jedoch dies nicht die Lösung sein, da nach dem Tabubruch der Schritt zur Günstlingswirtschaft nur noch ein kleiner ist. Dann wird eben das Vertriebsmodell einer regierungskritischen Zeitung als nicht "schlüssig" eingestuft, .... .



    Sorry, das geht nicht, und schwächt zudem das Vertrauen des Lesers in das Produkt; zumindest in das jeweilige Verlagsprodukt.

    Das Problem ist doch vielmehr die Ratlosigkeit der Verlage im Finden eines schlüssigen Gesamt-Businessmodells, welches eine wirtschaftlich tragfähige Antwort auf die veränderte Marktlage und das geänderte Leserverhalten darstellt.

    Zugegeben, die Antwort darauf ist nicht einfach. Doch mit dem Tabubruch wird das Problem ganz sicher nicht gelöst werden, sondern nur das Leiden sterbender Zeitungsdiversität verlängert werden.

    UND: die "sozialen" Netzwerke müssten endlich richtig STEUERN zahlen müssen, verbunden mit einem Verbot der technischen Infrastruktur zur Bildung (einseitiger) Meinungs- und InformationsBlasen.

    Das wäre doch zumindest mal ein Anfang und ein Schritt in die richtige Richtung.

    • @tazeline:

      Das man das Vertriebsmodell einer regierungskritischen Zeitung einfach als nicht schlüssig einzustuft, halte ich in der Praxis für schwierig. Es sind durchaus objektive und somit überprüfbare Kriterien, die hier Anwendung finden. Und diese werden regelmäßig von Wirtschaftsberatern erhoben und ausgewertet. Man muss PwC oder KPMG nicht mögen, aber eine direkte Nähe zur Politik kann man ihnen nicht nachweisen.

      Ein Verbot der technischen Infrastruktur (und somit quasi automatisch der Berichterstattung) hinsichtlich der sozialen Netzwerke ist weder möglich, noch erforderlich oder ratsam. Hier einzugreifen wäre ein klarer Fall von Zensur. Auch der taz könnte man gelegentlich einen gewissen Hang zur Einseitigkeit und Blasenbildung vorwerfen. Wo also will man da objektiv eine Grenze setzen, ohne sich der Gefahr auszusetzen, dass aus einem guten Willen letztlich ein stringenter Apparat wird, der nach dem System des durch steten Tropfens ausgehölten Steins chinesische oder russische Presselandschaften übrig lässt?

      Da ist mir die heutige Situation schon lieber, auch wenn sie alles andere als gut ist.

      • @Cerberus:

        Genauso objektiv wie die Kriterien für Gemeinnützigkeit, weswegen Attac und Campact nicht gemeinnützig sind, Bertelsmann und die Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik aber schon?

    • @tazeline:

      Ich freue mich, Ihnen weitestgehend zustimmen zu können!