Kommentar zur Macht der Radfahrerlobby: Huuuiii – die Helikopter-Radfahrer

Als Fußgängerin schaut man mit Neid auf die Radlobby. Zum schmalen Radweg auf der Oberbaumbrücke äußert sich die Senatorin selbst.

Eine der schönsten Brücken Berlins, leider mit missglücktem Radweg Foto: dpa

Hat eigentlich schon mal jemand die Breite des Gehwegs auf der Oberbaumbrücke nachgemessen? Zugegeben, die Oberbaumbrücke ist mit ihren luxuriösen Arkaden für Fußgänger ein eher schlechtes Beispiel in diesem Fall. Doch nicht überall in Berlin flaniert man so bequem. Und man kann sich als passionierte Fußgängerin schon manchmal und durchaus neidvoll darüber wundern, wie schnell und wirksam Radfahrer*innen in Berlin ihren Einfluss geltend machen.

Da wird ein Radweg zu schmal gebaut (15 Zentimeter – im Handwerkermaß etwa eine Faustbreite mit abgespreiztem Daumen) und von der Radfahrer*innenlobby folgerichtig heftig kritisiert. Prompt tritt an diesem Dienstag gleich die zuständige Senatorin persönlich auf und gelobt Nachbesserung.

Das ist natürlich ganz richtig so – aber aus der Perspektive etwa von Se­nio­ren­ver­treter*innen, die sich Ampelzeiten wünschen, bei denen es auch ein älterer Mensch weiter als bis zum Mittelstreifen schafft, oder aus der Sicht von Eltern, die jahrelang ergebnislos für Zebrastreifen oder Fußgängerampeln für den Schutz des Schulwegs ihrer Kinder kämpfen (und dafür ironisch als Helikop­ter­eltern diffamiert werden), doch irgendwie auch ein bisschen trostlos.

Klar: Bei der viel zitierten Berliner Verkehrswende geht es in erster Linie darum, Autos aus der Stadt zu verdrängen, und das ohne Frage aus wichtigen und richtigen Gründen. Um die Sicherheit aller Ver­kehrs­teilnehmer*innen geht es aber eben nicht. Gern ist im Zusammenhang mit der Verkehrswende – auch in der taz – von einem „Krieg auf den Straßen“ die Rede: ein Bild, das suggeriert, dass sich Rad- und Autofahrer*innen auf die Straßen begeben, um möglichst viele der jeweils anderen Gruppe ums Leben zu bringen oder wenigstens kampfunfähig zu machen und den Gegner so zu dezimieren. Und ein Bild, in dem Fuß­gän­ge­r*innen nicht vorkommen. Sie sind – wie bei Kriegen die Bevölkerung – Kollateralschäden und als solche von beiden Kriegsparteien bedroht.

Gern ist vom „Krieg auf den Straßen“ die Rede – ein abscheuliches Bild

Tatsächlich sind Fußgänger*innen die häufigsten Todesopfer bei Verkehrsunfällen: 19 der 45 Berliner Verkehrstoten waren 2018 Fußgänger*innen (Rad­fah­re­r*innen 11, Autofahrer*innen 3, Mo­tor­rad­fah­rer*innen 9), 2017 waren es 13 von 36. Doch soll hier weder Opferranking betrieben noch das abscheuliche Kriegsbild weiter bedient werden. Im Gegenteil: Wünschenswert wäre, sich genau von diesem zu verabschieden zugunsten einer verkehrspolitischen Friedenspolitik, bei der sich alle Verkehrsteilnehmer*innen gleichermaßen darauf verlassen können, dass ihre Anliegen für mehr Sicherheit Berücksichtigung findet – auch die ohne einflussreiche politische Lobby. Vielleicht würde es dabei helfen, wenn Po­li­ti­ke­r*innen öfter mal zu Fuß gingen.

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