Gerichte korrigieren BAMF-Bescheide

Über 4.000 afghanische Flüchtlinge dürfen bleiben, obwohl die Behörde ihren Antrag abgelehnt hatte

Von Simon Schramm

In den ersten sechs Monaten des Jahres 2019 haben deutsche Gerichte 4.485 afghanischen Flüchtlingen einen Schutzstatus zugesprochen – und damit in deutlich mehr Fällen positiv entschieden als das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf). Das Bamf hatte im gleichen Zeitraum nur 2.667 Flüchtlingen aus Afghanistan ein Bleiberecht erteilt; die Entscheidungen der Gerichte beziehen sich dabei auch auf Verfahren vor dem Jahr 2019. Das ergibt sich aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion, die bei der Bundesregierung regelmäßig aktuelle Asylstatistiken anfordert.

Erneut haben die Gerichte damit in zahlreichen Fällen Entscheidungen des Bamf zum Vorteil von Flüchtlingen berichtigt. Neben Menschen aus Afghanistan sind vor allem auch Syrer immer wieder davon betroffen. Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der linken Bundestagsfraktion, bezeichnet die aktuellen Zahlen als „Indiz für eine mangelhafte Prüfungs- und Entscheidungspraxis des Bamf“. Es sei „dringend ein Kurswechsel erforderlich“. Wegen der instabilen Sicherheitslage in Afghanistan verlangen Grüne und Linke seit Längerem, ­Abschiebungen nach Afghanistan zu stoppen. In den meisten Fällen hatten Gerichte die Bamf-Entscheidungen korrigiert, weil ihnen in Afghanistan eine „erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben und Freiheit“ gedroht hätte.

Die Zahl der in Deutschland lebenden Flüchtlinge ist im Jahr 2019 bisher um 37.241 Asylsuchende gestiegen; die Zahl der neu nach Deutschland einreisenden Flüchtlinge liegt nach sechs Monaten also noch unter der von der Bundesregierung bestimmten „Obergrenze“ von maximal 200.000 Flüchtlingen im Jahr. Im Gesamten befinden sich laut den Angaben der Bundesregierung derzeit rund 1,68 Millionen Flüchtlinge mit Flüchtlingsstatus, laufendem Asylverfahren oder Duldung in Deutschland.

Die Daten stammen aus dem Ausländerzentralregister. Laut dem AZR sind derzeit 246.737 Flüchtlinge „ausreisepflichtig“, das bedeutet aber nicht, dass diese Menschen automatisch abgeschoben werden können. Nur 25.671 abgelehnte Asylsuchende sind „ausreisepflichtig“ und verfügen auch über keine Duldung.

191.117 der sogenannten „Ausreisepflichtigen“ verfügen über eine Duldung. Laut Auswertung der Links-Fraktion dürfen derzeit in 17 Prozent der Fälle aus familiären oder medizinischen Gründen gar keine Abschiebung erfolgen, obwohl der Asylbescheid abgelehnt wurde. Die Linkspartei kritisiert auch, wie das Ausländerzentralregister die Begründungen der Duldungen erfasst. Die aktuelle Auskunft der Regierung ergibt, dass die Behörden geduldete Flüchtlinge nicht nach dem wichtigsten Duldungsgrund speichern. Bei etwa 42 Prozent sind laut Speichergrund fehlende Papiere der Grund. Das heißt aber nicht, dass die Abschiebung tatsächlich wegen fehlenden Dokumenten ausgesetzt ist.