Folgen der Digitalisierung: Roboter sind nicht kreativ
Digitalisierung und Robotik können den Menschen wieder in den Mittelpunkt rücken. Die neue Arbeit wird Beziehungsarbeit sein.
D ie Digitalisierung wird viele Arbeitsplätze vernichten, nicht zuletzt im Bereich arbeitsintensiver Prozesse. So wird häufig argumentiert. Diese Furcht ist jedoch in vielen Berufen eher unbegründet. Es lohnt ein Vergleich mit der frühen Industrialisierung, denn dabei lassen sich strukturelle Parallelen erkennen. Damals wurden neue maschinelle Prozesse implementiert, die den Menschen ersetzten. Schaut man jedoch auf die wirtschaftlichen Entwicklungen dieser Zeit, korrespondiert mit dem Einsatz von Maschinen kein Anstieg der Arbeitslosigkeit, sondern ein wirtschaftlicher Aufschwung.
Technische Veränderungen führen auch zu wirtschaftlichem Fortschritt. Der Gesellschaft werden auf lange Sicht nicht nur Arbeitsplätze genommen, sondern es kommt zu einer Veränderung und mitunter qualitativen Steigerung des Tätigkeitsprofils. Die Digitalisierung kann daher sogar Treiber einer notwendigen Evolution des gesamten Wirtschaftssystems sein.
Arbeit hat in der Entwicklung der Zivilisation für die Einzelnen immer eine bedeutende Rolle eingenommen, um sich selbst ernähren und überleben zu können, später auch dafür, Eigentum und Vermögen aufzubauen. In der Vergangenheit war der Mensch gezwungen, die anfallenden Tätigkeiten selbst auszuführen, was meist unter erheblichem körperlichem Einsatz geschah: Der Ackerbau, das Errichten großer Bauwerke oder die Fabrikarbeit in der frühen Industrialisierung – all das wurde oft unter Gefährdung der eigenen Gesundheit oder des Lebens geleistet. Dominierte die körperliche Arbeit früher den klassischen Wertschöpfungsprozess, ist es heute stärker die kreative bzw. geistige Tätigkeit.
Die Digitalisierung legt den Fokus auf den Teil der Arbeit, der vom menschlichen Wirken geprägt ist. Körperliche Arbeiten sowie ein großer Anteil der Verwaltungstätigkeiten können in Zukunft mit großer Wahrscheinlichkeit durch Technologien übernommen werden, die dank „Machine Learning“ und Teilautonomisierung zunehmend zu komplexeren Aufgaben befähigt sind. Es verbleiben und entstehen jedoch Bereiche, die bislang und in abschätzbarer Zeit nur von Menschen ausgeführt werden können. Kreativität und soziale Interaktion determinieren unsere Menschlichkeit. Sie unterscheiden uns von Maschinen.
Techniken wie die Robotik können dazu führen, dass der Mensch sich wieder auf das besinnen kann, was er aufgrund seiner Bestimmung als soziales Wesen im Besonderen zu leisten vermag und was nicht durch Technologie übernommen werden kann. Dazu gehören die Beziehungsarbeit und folglich Arbeitsprozesse, die den zwischenmenschlichen Kontakt zum Gegenstand haben.
Um die Arbeit des Menschen wieder in den Mittelpunkt zu rücken, bedarf es struktureller Veränderungen, auch im Hinblick auf bestehende staatliche Institutionen. So bedarf es zwingend einer Weiterentwicklung der Bundesagentur für Arbeit. Ihre Aufgaben müssen unter dem Aspekt der digitalisierten Arbeitswelt neu gedacht werden. Sie muss sich wandeln von einer Agentur, die sich um die Vermittlung von Arbeitslosen kümmert, hin zu einer Agentur der beruflichen Chancenerweiterung, die vor allem die fachliche wie persönliche Qualifizierung sowie die Bildung im Allgemeinen befördert.
Die Agentur sollte eine staatlich-neutrale Rolle einnehmen und auf diese Weise einen wesentlichen Pfeiler beim Aufbau eines modernen Arbeitsmarkts darstellen. Sie könnte auf Basis der fördernden Unterstützung zusätzlich individuelle Berufsbiografien weiterentwickeln oder im Strukturwandel hin zu neuen Arbeitsfeldern unterstützen. Auf diese Weise kann auch ein Beitrag zum drohenden Fachkräftemangel im Zuge des demografischen Wandels geleistet werden.
Die klassische Branchenzuordnung verschwimmt
Klar ist auch, dass im Rahmen der Digitalisierung neue Wertschöpfungsketten entstehen, die eine klassische Branchenzuordnung verschwimmen lassen. Dies führt zu Herausforderungen für Unternehmen, Beschäftigte und Sozialpartner. Diese neuen Wertschöpfungsketten, wie etwa bei der „Sektorenkopplung“, lassen neue Geschäftsmodelle und damit auch Arbeitsplätze entstehen. Beispiele für „gekoppelte Sektoren“, deren Bedeutung durch Digitalisierung erhöht wird, sind ganzheitlich konzipierte Wohnquartiere (Sektoren Wohnen, Energieversorgung, Mobilität, IT) oder übergreifende Mobilitätskonzepte in der Stadt, um nur zwei Beispiele zu nennen. Das Zusammenführen von Gütern und Dienstleistungen zu derartigen Leistungsbündeln führt zu zusätzlichen oder gänzlich neuen Arbeitsplätzen.
Ein Zusammenwachsen von Produktions- und Wissensarbeit führt auch zu neuen Arbeitsmodellen, wie etwa mobiler und interaktiver Arbeit. Diese neuen Interaktionen resultieren gerade in Ballungsräumen zusammen mit neuen Wertevorstellungen in einer anderen Arbeitsorganisation, der „urbanen Produktion“. Durch die Möglichkeiten der Digitalisierung rücken damit auch Wohnen und Arbeit bzw. Produktion räumlich enger zusammen.
All diese Entwicklungspotenziale müssen in der künftigen Arbeitsmarktpolitik berücksichtigt werden. Ihr darf nicht das alte Arbeitsverwaltungssystem zugrunde liegen. Stattdessen müssen die Politik, aber auch die Unternehmen selbst die Auswirkungen der Digitalisierung und Globalisierung auf den Arbeitsmarkt verstehen und sie den Bürgern sowie ihren Mitarbeitern vermitteln, um auf diese Weise geeignete Modelle und Strategien bei der Entstehung und dem Erhalt nachhaltiger Arbeitsplätze zu entwickeln.
Mit einer innovationsfreundlichen Unternehmenskultur, die auf Wertschätzung und Motivation der Mitarbeiter setzt, wird die Grundlage für ein nachhaltiges Beschäftigungsniveau geschaffen. Sie vereint Methoden-, Fach- und Sozialkompetenz, ermöglicht zügige Anpassungen auf veränderte Anforderungen und sichert so die Wettbewerbsfähigkeit der menschlichen Arbeit im digitalen Zeitalter.
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