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Folgen der DigitalisierungRoboter sind nicht kreativ

Digitalisierung und Robotik können den Menschen wieder in den Mittelpunkt rücken. Die neue Arbeit wird Beziehungsarbeit sein.

Noch zeitgemäß? Vor allem die Agentur für Arbeit muss sich dem Wandel anpassen Foto: dpa/Carsten Rehder

D ie Digitalisierung wird viele Arbeitsplätze vernichten, nicht zuletzt im Bereich arbeitsintensiver Prozesse. So wird häufig argumentiert. Diese Furcht ist jedoch in vielen Berufen eher unbegründet. Es lohnt ein Vergleich mit der frühen Industrialisierung, denn dabei lassen sich strukturelle Parallelen erkennen. Damals wurden neue maschinelle Prozesse implementiert, die den Menschen ersetzten. Schaut man jedoch auf die wirtschaftlichen Entwicklungen dieser Zeit, korrespondiert mit dem Einsatz von Maschinen kein Anstieg der Arbeitslosigkeit, sondern ein wirtschaftlicher Aufschwung.

Technische Veränderungen führen auch zu wirtschaftlichem Fortschritt. Der Gesellschaft werden auf lange Sicht nicht nur Arbeitsplätze genommen, sondern es kommt zu einer Veränderung und mitunter qualitativen Steigerung des Tätigkeitsprofils. Die Digitalisierung kann daher sogar Treiber einer notwendigen Evolution des gesamten Wirtschaftssystems sein.

Arbeit hat in der Entwicklung der Zivilisation für die Einzelnen immer eine bedeutende Rolle eingenommen, um sich selbst ernähren und überleben zu können, später auch dafür, Eigentum und Vermögen aufzubauen. In der Vergangenheit war der Mensch gezwungen, die anfallenden Tätigkeiten selbst auszuführen, was meist unter erheblichem körperlichem Einsatz geschah: Der Ackerbau, das Errichten großer Bauwerke oder die Fabrikarbeit in der frühen Industrialisierung – all das wurde oft unter Gefährdung der eigenen Gesundheit oder des Lebens geleistet. Dominierte die körperliche Arbeit früher den klassischen Wertschöpfungsprozess, ist es heute stärker die kreative bzw. geistige Tätigkeit.

Der Mensch kann sich wieder auf das besinnen, was er als soziales Wesen im Besonderen zu leisten vermag

Die Digitalisierung legt den Fokus auf den Teil der Arbeit, der vom menschlichen Wirken geprägt ist. Körperliche Arbeiten sowie ein großer Anteil der Verwaltungstätigkeiten können in Zukunft mit großer Wahrscheinlichkeit durch Technologien übernommen werden, die dank „Machine Learning“ und Teilautonomisierung zunehmend zu komplexeren Aufgaben befähigt sind. Es verbleiben und entstehen jedoch Bereiche, die bislang und in abschätzbarer Zeit nur von Menschen ausgeführt werden können. Kreativität und soziale Interaktion determinieren unsere Menschlichkeit. Sie unterscheiden uns von Maschinen.

Techniken wie die Robotik können dazu führen, dass der Mensch sich wieder auf das besinnen kann, was er aufgrund seiner Bestimmung als soziales Wesen im Besonderen zu leisten vermag und was nicht durch Technologie übernommen werden kann. Dazu gehören die Beziehungsarbeit und folglich Arbeitsprozesse, die den zwischenmenschlichen Kontakt zum Gegenstand haben.

Um die Arbeit des Menschen wieder in den Mittelpunkt zu rücken, bedarf es struktureller Veränderungen, auch im Hinblick auf bestehende staatliche Institutionen. So bedarf es zwingend einer Weiterentwicklung der Bundesagentur für Arbeit. Ihre Aufgaben müssen unter dem Aspekt der digitalisierten Arbeitswelt neu gedacht werden. Sie muss sich wandeln von einer Agentur, die sich um die Vermittlung von Arbeitslosen kümmert, hin zu einer Agentur der beruflichen Chancenerweiterung, die vor allem die fachliche wie persönliche Qualifizierung sowie die Bildung im Allgemeinen befördert.

Die Agentur sollte eine staatlich-neutrale Rolle einnehmen und auf diese Weise einen wesentlichen Pfeiler beim Aufbau eines modernen Arbeitsmarkts darstellen. Sie könnte auf Basis der fördernden Unterstützung zusätzlich individuelle Berufsbiografien weiterentwickeln oder im Strukturwandel hin zu neuen Arbeitsfeldern unterstützen. Auf diese Weise kann auch ein Beitrag zum drohenden Fachkräftemangel im Zuge des demografischen Wandels geleistet werden.

Die klassische Branchenzuordnung verschwimmt

Klar ist auch, dass im Rahmen der Digitalisierung neue Wertschöpfungsketten entstehen, die eine klassische Branchenzuordnung verschwimmen lassen. Dies führt zu Herausforderungen für Unternehmen, Beschäftigte und Sozialpartner. Diese neuen Wertschöpfungsketten, wie etwa bei der „Sektorenkopplung“, lassen neue Geschäftsmodelle und damit auch Arbeitsplätze entstehen. Beispiele für „gekoppelte Sektoren“, deren Bedeutung durch Digitalisierung erhöht wird, sind ganzheitlich konzipierte Wohnquartiere (Sektoren Wohnen, Energieversorgung, Mobilität, IT) oder übergreifende Mobilitätskonzepte in der Stadt, um nur zwei Beispiele zu nennen. Das Zusammenführen von Gütern und Dienstleistungen zu derartigen Leistungsbündeln führt zu zusätzlichen oder gänzlich neuen Arbeitsplätzen.

Ein Zusammenwachsen von Produktions- und Wissensarbeit führt auch zu neuen Arbeitsmodellen, wie etwa mobiler und interaktiver Arbeit. Diese neuen Interaktionen resultieren gerade in Ballungsräumen zusammen mit neuen Wertevorstellungen in einer anderen Arbeitsorganisation, der „urbanen Produktion“. Durch die Möglichkeiten der Digitalisierung rücken damit auch Wohnen und Arbeit bzw. Produktion räumlich enger zusammen.

All diese Entwicklungspotenziale müssen in der künftigen Arbeitsmarktpolitik berücksichtigt werden. Ihr darf nicht das alte Arbeitsverwaltungssystem zugrunde liegen. Stattdessen müssen die Politik, aber auch die Unternehmen selbst die Auswirkungen der Digitalisierung und Globalisierung auf den Arbeitsmarkt verstehen und sie den Bürgern sowie ihren Mitarbeitern vermitteln, um auf diese Weise geeignete Modelle und Strategien bei der Entstehung und dem Erhalt nachhaltiger Arbeitsplätze zu entwickeln.

Mit einer innovationsfreundlichen Unternehmenskultur, die auf Wertschätzung und Motivation der Mitarbeiter setzt, wird die Grundlage für ein nachhaltiges Beschäftigungsniveau geschaffen. Sie vereint Methoden-, Fach- und Sozialkompetenz, ermöglicht zügige Anpassungen auf veränderte Anforderungen und sichert so die Wettbewerbsfähigkeit der menschlichen Arbeit im digitalen Zeitalter.

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7 Kommentare

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  • Roboter können noch kreativ werden. Das bedeutet gerade KI. Dass die Maschinen selbst lernen. Der heutige Roboter kann das noch nicht.

    • @Gerd Arnold:

      Tja - KI - is a fake.

      Erfunden - um besser Geld zu generieren. Noting else.

      Und nu?

      unterm—- btw



      Mal bei Heinz von Foerster & Cie. bischen rumschmökern.



      Viel Spaß dabei. 🤓

  • Lassen Sie Ihr Geschreibsel bloß nicht Ihren Geschichtslehrer lesen!

    Erstens hatte die Industrialisierung nur deswegen Erfolg, weil die notwendige billige Arbeitskraft dafür im fernen Ausland besorgt werden konnte. Da hat es keinen "magischen" oder "technologisch/gesellschaftlichen" Fortschritt gegeben sondern schlicht eine modernisierte Form des Sklaverei, Imperialismus nannte man das. Der Grund, dass Sie heute noch in einer warmen Wohnung wohnen, ist, dass in Bangladesh jemand Ihre Klamotten für rund 150 Euro näht. Ansonsten müssten Sie sich nämlich entscheiden, denn soviel verdienen Sie auch wieder nicht.

    Zweitens, "Menschen wieder in den Mittelpunkt". Ja selbstverständlich. Das Spiel mit der Gier (aka. Gewinnmaximierung) ist seit jeher darauf ausgelegt genau dann Menschen zum Einsatz zu bringen, wenn sie billiger sind als Maschinen. Modernes Gegenbeispiel: Es war die Digitalisierung, die Jobs geschaffen hat wie "Facebook-Hasspost-Wegklicker". Total menschenorientiert. Genau in der Stufe geschaffen, als Menschen halt noch billiger waren als Maschinen. In Zukunft werden es dann Neural-Network-Trainer werden, die die Fehlentscheidungen der Automaten ausbügeln müssen indem sie sie umtrainieren.

    Drittens, da das mit der Markterschließung in den 90ern nicht mehr so einfach funktioniert hat, (gab keine Asiaten und Afrikaner mehr, die man ausbeuten konnte.) hat man sich zu landesinterner Sklaverei namens 1-Euro-Jobs entschlossen. Da das Leben eines Menschen in Deutschland mehr als 7 Euro am Tag kostet (bezogen auf maximal erlaubte Wochenarbeitszeit), ist das einfach Lohnsklaverei, staatlich sanktioniert.

    • @nanymouso:

      Ja - da lacht der Kleingärtner.

      unterm—- kl. Bitte —



      Die taz möge doch bitte mal offenlegen.



      Um wen es sich bei den beiden - Nasen van de Schlaumeier unausgegoren.



      Es sich denn da handelt.



      Statt ala undercover - wa.



      Was ich da recherchiert habe. Sorry.



      Möchte ich eigentlich nicht glauben.



      Mit Verlaub. Newahr. Normal - nich.

  • Bitte? - ach so - taz. 👿

    Ach was! Normal

    unterm—anschließe mich — klar:



    Den Vor-Kommentatoren.



    (Der Oberbalken ist passend - so fein mißraten - “wie vorm Kopp!“ 👻 👻 👻

  • In einem geschlossenen System werden die Analysen möglicherweise zutreffend sein. Das Problem bei der Digitalisierung ist jedoch, dass die Gewinne im Zusammenhang mit der Digitalisierung nicht zwingend in Deutschland erzielt und versteuert werden. Die Wertschöpfungsprozesse sind in diesem Bereich sehr global. Das Kapital würde insoweit abfließen und würde damit der Volkswirtschaft nicht mehr im vollen Maß zur Verfügung stehen. Ähnliches sieht man bereits seit Jahren im digitalisierten Warenhandel.

    Wie sollte dann die schöne neue nachhaltige Arbeitswelt finanziert werden? Zumal wir uns in unseren Breitengraden ja auch gerne mit zusätzlichen Sozialkosten selbst belasten.

  • Selten so etwas naives gelesen. Die Autoren übersehen, dass die Digitalisierung nicht im Paradies, sondern in einer von Herrschaftsverhältnissen geprägten Gesellschaft durchgesetzt wird. Sie verstärkt die Macht des Staates gegenüber den Bürger*innen und die Macht großer Firmen gegenüber Mitarbeiter*innen, gegenüber den "kleinen" Kunden, gegenüber anderen kleinen Firmen, usw. Nix mit "Wertschätzung der Mitarbeiter"... Und das, was die Autorinnen euphemistisch als "ganzheitlich konzipierte Wohnquartiere" bezeichnen, wird nichts anderes sein als eine Orwell'sche Kontroll- (und Konsum-) Hölle. Nur das die für manche etwas weicher gepolstert sein wird als für andere.