Karte zur Wasserqualität: Niedersachsen ersäuft in Gülle

Das Wasser in Niedersachsen ist mit Nitrat und Phosphat belastet. Jetzt dürfen die Bauern nicht mehr so viel und nicht mehr so lange düngen.

Landwirtschaftsfahrzeug bringt Gülle aus

Gülle kann gut sein für die Pflanzen, ist aber schlecht fürs Grundwasser Foto: dpa

HANNOVER taz | Niedersachsen ist ein rotes Land. Nicht politisch, das bundesdeutsche Agrarland Nummer eins hat eine schwarze Landwirtschaftsministerin: Barbara Otte-Kinast von der CDU. Sie präsentierte am Dienstag allerdings eine rote Landkarte. Diese zeigt die Wasserqualität in Niedersachsen – und wirkt bedrohlich: Rot steht für alarmierend. Und rot ist auf dieser Landkarte der größte Teil Niedersachsens: 60 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Flächen sind belastet – mit Nitraten, Phosphaten und anderen für den Menschen gefährlichen Chemikalien, wenn zu viele davon im Grundwasser sowie in Seen und Teichen enthalten sind.

Deshalb kündigte Otte-Kinast neue Düngeregeln an. Einen entsprechenden Entwurf der Landwirtschaftsministerin sowie des SPD-Umweltministers Olaf Lies hat das rot-schwarze Kabinett am Dienstag beschlossen. Danach müssen Niedersachsens Landwirte ihre Gülle künftig durch entsprechende Institute untersuchen lassen, bevor sie diese auf ihre Äcker kippen. Außerdem dürfen die Bauern nicht mehr so lange düngen wie bislang: nur noch eine Stunde statt vier Stunden. In der Sprache von Landwirtschaftsministerin Otte-Kinast nennt sich das „verpflichtende Wirtschaftsdüngeranalysen“.

Diese sind bitter nötig, wie die rote Landkarte der Wasserqualität belegt. In großen Zahlen ausgedrückt, klingt das so: Über eine Million Hektar Land sind nitrat- und phosphatverseucht. Der Grund dafür: Überdüngung durch Massentierhaltung. Drei Viertel aller Höfe im Land halten Nutzvieh.

Betroffen als „Nitrat-Kulissen“ und „Phosphat-Kulissen“ – so werden die überdüngten Regionen euphemistisch bezeichnet – sind unter anderem Aurich, Friesland, Cloppenburg, Vechta, Lüneburg, das Wendland, Göttingen, die Region Hannover. Und Seen wie das Steinhuder Meer, Seeburger See, Flögelner See. Von den 37 niedersächsischen Landkreisen und acht kreisfreien Städten sind der roten Landkarte zufolge lediglich sieben Regionen weniger stark mit Nitraten belastet, darunter Northeim, Holzminden, Hameln-Pyrmont.

Für die strengeren Regeln sorgt allerdings nicht in erster Linie Einsicht in die Notwendigkeit, sondern die EU-Kommission. Die drängt Deutschland schon länger, den Nitratgehalt im Grund- und damit im Trinkwasser zu senken. Der Europäische Gerichtshof hatte die Bundesrepublik bereits verklagt, weil sie die Vorgaben bislang nicht umgesetzt hatte. Sollte das so weitergehen, drohen Deutschland 859.000 Euro täglich Strafgelder.

Von den 37 Landkreisen und acht kreisfreien Städten sind lediglich sieben Regionen weniger stark mit Nitraten belastet

Zu Jahresbeginn 2020 dürften die Bauern mit noch stärkeren Beschränkungen rechnen. Dann soll die Bundesregierung in Berlin ein bundesweites neues „Düngegesetz“ vorlegen. Das wird vermutlich vorschreiben, dass Bauern dann 20 Prozent weniger Gülle auf ihren Feldern ausbringen dürfen.

Für Otte-Kinast klingt das nach einer Drohkulisse. „Die Betriebe sind in großer Unruhe, in großer Sorge“, sagte sie am Dienstag in Hannover. Manche Betriebe könnten aufgeben oder sich von den Tieren trennen.

Umweltminister Lies, der gemeinsam mit Otte-Kinast die neue Düngeverordnung vorstellte, sieht das ein wenig anders. „Wasser ist unser Lebensmittel Nummer eins“, sagte er. Das gelte es zu schützen. „Wenn man vor Jahren konsequent schrittweise Maßnahmen ergriffen hätte, sähe es jetzt besser aus“, so Lies. Ob er mit dem Satz in Richtung der einstigen rot-grünen Landesregierung, die von 2013 bis 2017 regierte, zielte, sagte er nicht.

Und so ganz frei von Schönfärberei ist er indes auch nicht. Würden die Gewässer an sich noch einmal genauer untersucht und eine sogenannte „Binnendifferenzierung“ vorgenommen, also die Wasserqualität eines Gewässers an unterschiedlichen Stellen betrachtet, sehe es gar nicht mehr so schlimm aus. Danach sei das Wasser nur noch auf 39 Prozent der Flächen belastet. Zudem könne ein „rotes Gebiet auch wieder ein grünes Gebiet“ werden, glaubt er: „Das ist aber ein optimistischer Ansatz.“

Und welche Auswirkungen hat das alles auf die Verbraucher*innen? „Die werden dankbar sein“, orakelte Otte-Kinast: „Dankbar für sauberes Wasser.“ Die Verbraucher*innen werden „nichts spüren, auch keine höheren Preise. Sie werden weiter so verbrauchen können wie bisher“. Ein Satz, der der Ministerin sicher bald um die Ohren fliegen dürfte.

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