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Rassismus in SachsenDie Machete des Thomas F.

In Dresden greift ein Mann seine libyschen Nachbarn an. Ein Video aus der Opferperspektive zeigt die Attacke.

Die Libyer zeigen das Video, mit dem sie den Angriff dokumentiert haben Foto: Tarek Khello

Dresden taz | Thomas F. steht im Flur vor der Tür seiner libyschen Nachbarn. „Du verstehst ja meine Sprache nicht, du kommst ja aus Kanakenland“, sagt er. Und: „Ich mach’ dich kalt.“ Dann schiebt er die lange Klinge einer Machete durch die zerbrochene Scheibe der Wohnungstür. Diese Szene spielte sich vergangene Woche in Dresden-Übigau ab. Aus dem Inneren der Wohnung filmte Ibrahim* den Angriff. Der taz gab er zwei kurze Videos. Was sie dokumentieren, ist schwer auszuhalten. Im zweiten Video sieht man Flammen an der Wohnungstür. Die taz veröffentlicht nun Teile der Videos.

Die Liste von rechten Übergriffen auf MigrantInnen, Linke und Menschen jüdischen Glaubens ist lang: Allein im letzten Jahr zählten die Opferberatungsstellen in Sachsen 317 rechtsmotivierte und rassistische Angriffe. Nur selten gibt es Videomaterial von solchen Taten, erst recht nicht aus der Opferperspektive. Letztes Jahr ging eine kurze Sequenz viral: In Chemnitz jagten mutmaßliche Rechtsextremisten MigrantInnen hinterher. Das Video stammt nicht von den Verfolgten, sondern aus dem Umfeld der Verfolger. Bei den Videos von Ibrahim ist das anders. Er hat sie auch aufgenommen, um zu dokumentieren, was ihm widerfährt.

taz ost

Sechs Wochen im Osten: Vor der Landtagswahl in Sachsen am 1. September 2019 war die taz in Dresden. Seit dem 22. Juli waren wir mit einer eigenen Redaktion vor Ort. Auch in Brandenburg und Thüringen sind bzw. waren wir vor den Landtagswahlen mit unserem #tazost-Schwerpunkt ganz nah dran – auf taz.de, bei Instagram, Facebook und Periscope. Über ihre neuesten Erlebnisse schreiben und sprechen unsere Journalist*innen im Ostblog und im Ostcast. Begleitend zur Berichterstattung gibt es taz Gespräche in Frankfurt (Oder), Dresden, Wurzen und Grimma. Alle Infos zur taz Ost finden Sie auf taz.de/ost.

Der Angreifer, Thomas F., ist ein Mann mit SS-Tattoos. Auf die Wohnung von Ibrahim malte er ein Hakenkreuz. Im Gespräch mit der taz beschwert er sich, dass ihn die Medien in die rechte Ecke stellen würden. Er präsentiert sich als Aussteiger aus der rechten Szene. Aus seiner Freien Kameradschaft sei er nach vier Jahren ausgestiegen, als er merkte, dass die anderen nur „dumm schwatzen“, und dann „zum Döner gehen“.

Den zwei Reportern der taz, die den Tatort aufsuchen, zeigt sich ein düsteres Bild: Viele Nachbarn äußern Verständnis für den rassistischen Übergriff. Einige behaupten, dass die Libyer manchmal laut seien, auch Thomas F. gibt das als Motiv an. „Nee, er kann gar nichts dafür“, sagt ein Nachbar, „er hat das angekündigt.“ Der Angriff mit Hakenkreuz und Machete klingt hier wie ein ganz gewöhnlicher Nachbarschaftsstreit.

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Wir zeigen mit dem Video, dass das nicht stimmt. Stattdessen handelt es sich um einen rassistischen Angriff. Die Bilder können verstörend wirken. Wir finden es dennoch wichtig, zu zeigen, wie solche Attacken aussehen können. Auch, weil es in der Nachbarschaft – und nun auch in den sozialen Medien – Menschen gibt, die Verständnis für den Täter zeigen.

*Namen auf Wunsch geändert

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9 Kommentare

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  • In Erfurt versucht man einen Rucksack zu klauen und stirbt in u-Haft. In Dresden geht man mit einer Machete auf Menschen los und darf als freier Mensch Interviews vor dem Haus geben. Stellen wir uns vor, die Nationalitäten der Akteure wären andersrum...

    • @desoli:

      Der Rucksackdieb war illegal eingereist, der Machetenangreifer hat einen festen Wohnsitz. Dass die beiden unterschiedlich behandelt werden, hat erstmal wenig mit der Nationalität zu tun.

      Beide sind Kriminelle. Das darf man nicht vergessen.

      • @Carine Salazar:

        Da haben Sie Rassismus aber schön negiert! Bravo!

  • Die Verrohung von Teilen unserer Gesellschaft macht einen nur noch fassungslos.

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    In aller Seelenruhe und offensichtlich ohne Sorge um irgendeine Strafverfolgung macht sich dieser Mann mit Machete und Feuer an der Tür zu schaffen. Und will erklärtermaßen töten.

    Nicht nachts, heimlich und vermummt. Nein, am hellen Tag bei den Nachbarn. Und die anderen Nachbarn haben Verständnis.

    Und dann beschwert sich "der Mann mit den SS-Tattoos" noch darüber, dass er in die rechte Ecke gestellt wird.

    • @88181 (Profil gelöscht):

      Was den Punkt mit der Strafverfolgung angeht, bin ich schon sehr gespannt, wie sich diese Geschichte weiter entwickeln wird und ich hoffe, dass die Taz und auch andere Medien ein waches Auge darauf haben werden.

      Die Polizei scheint sich ja zunächst bereits in Widersprüche verstrickt zu haben, was ihre Reaktionszeit am Tatabend anbelangt. Sollte das, was die Taz da berichtet, stimmen, so machten die Ordnungskräfte hier schon mal keinen allzu professionellen Eindruck.

      Die Polizei täte gut daran zu erklären (und bei dieser Gelegenheit ihre Erklärungen auch mit Fakten zu belegen), wie es zu den Unklarheiten kommt.

      Darüber hinaus könnte die Öffentlichkeit auch interessieren, wie es zu der vergleichsweise laxen Behandlung des Täters nach der Tat (Haftantrag gegen Auflage außer Kraft gesetzt; bei der Mama zuhause anmelden; zwei Mal die Woche bei der Polizei Hallo sagen etc.) kommt. Angesichts der Schwere der Straftat und ihrem unbestreitbaren politischen Hintergrund sollte selbst ein bislang strafrechtlich unbescholtener Bürger (was in diesem Fall zudem noch nicht mal geklärt zu sein scheint) zumindest in Untersuchungshaft genommen werden.

      Die ganze Geschichte stinkt an allen Ecken und Enden.

      Mich würde mal interessieren, was Herr Kretschmer zu alledem zu sagen hat. Aber der arme Mann steckt derzeit ja ohnehin schon bis zu den Knien im braunen Morast und hat bestimmt ganz andere Sorgen...

      • 8G
        88181 (Profil gelöscht)
        @Grandiot:

        Stimmt alles.

        Und ich befürchte, dass der rechte Terror langsam Fahrt aufnimmt.

        Der wachsweiche Umgang mit der Afd hat eine Kulisse aufgebaut, vor der Dinge sagbar sind, die vor ein paar Jahren noch als unsagbar galten.

        Dazu kommen Ermittlerpannen, bzw. Verstrickungen der Apparate in die Naziszene.

        Es gibt die Liste der 10.000 des NSU, auf der auch Lübcke stand. Die ist unter Verschluss. Die darauf stehen werden nicht gewarnt.

        So haben die Nazis womöglich damit angefangen, sie abzuarbeiten. Und womöglich gibt es Mitarbeiter des Verfassungsschutzes oder Spitzel, die dabei behilflich sind.

        Ich wünschte, das wäre nur Geraune.

    • @88181 (Profil gelöscht):

      Alles nur besorgte Bürger. Ich möchte nur noch brechen.

    • @88181 (Profil gelöscht):

      Vermutlich war der Typ nur deswegen so empört darüber, in die „rechte Ecke“ gestellt zu werden, weil die Rechten ihm zu lasch sind (nur reden und dann Döner essen). Der Kerl will als Rechtsextremer gelten, nicht einfach nur als Rechter. Der will ein ganz harter Hund sein. Und irgendwie ist er das wohl auch.