„Fremdenfeindlichkeit“ in den Medien: Die Angst vor dem Wort „Rassismus“

Nach dem Angriff auf einen Eritreer in Hessen sprechen viele Medien von einem „fremdenfeindlichen Motiv“. Das ist falsch – und schürt Rassismus.

Alexander Badle mit vielen Mikros vor sich

Die Generalstaatsanwaltschaft beantwortet Fragen der JournalistInnen Foto: dpa

BERLIN taz | „Hessen: Mann angeschossen – womöglich fremdenfeindliches Motiv“ schreibt Spiegel Online, „Mann erschießt Eritreer – Ermittler prüfen fremdenfeindliches Motiv“ heißt es bei Süddeutsche.de und auch bei tagesschau.de, Zeit Online, Welt.de, Tagesspiegel.de und Bild.de stehen ähnliche Überschriften am Montagabend. Zuvor wurde am Mittag ein junger Mann im hessischen Wächtersbach aus einem Auto heraus angeschossen. Über das Opfer ist bisher wenig bekannt, die Generalstaatsanwaltschaft spricht von einem 26-jährigen Eritreer. Der mutmaßliche Täter, ein 55-jähriger Deutscher, soll nach der Tat geflohen sein und anschließend Suizid begangen haben. Das Opfer wurde notoperiert und befindet sich aktuell nicht mehr in Lebensgefahr.

Dass verschiedene Medien den brutalen Vorfall vermelden, ist richtig, doch ihre Wortwahl ist falsch. Bei den Schüssen auf den Eritreer handelt es sich nicht um ein fremdenfeindliches, sondern um ein rassistisches Motiv. Und das ist ein großer Unterschied.

Medien verwenden den Begriff immer wieder in der Bemühung um einen nicht wertenden und vorsichtigen Begriff. Doch aus Angst, Rassismus zu schreiben, nutzen sie einen, der selbst Rassismus fördert. Denn sie geben die Perspektive der Täter*innen wieder. Auch die Aussagen von Donald Trump gegen über den vier nichtweißen demokratischen Kongressabgeordneten wurde in Deutschland als „fremdenfeindlich“ eingeordnet. Alle etablierten Medien gebrauchen „Fremdenfeindlichkeit“ immer wieder, wenn sie eigentlich Rassismus meinen – auch die taz.

Von Rassismus in Deutschland sind beispielsweise nichtweiße Menschen, Ausländer*innen, muslimische oder jüdische Menschen oder Geflüchtete betroffen – also Menschen, die strukturell benachteiligt werden aufgrund von Merkmalen, wie Hautfarbe, Herkunft, Sprache oder Religion. Wenn nun aber Schwarzen oder muslimischen Menschen von außen zugesprochen wird, in Deutschland fremd zu sein, ist das Rassismus. Und auch Menschen ohne deutschen Pass müssen nicht fremd hier sein. Die Frage, die dahintersteht, ist ja: Wer bestimmt, wer fremd in diesem Land ist? Und das kann nur jede*r für sich selbst entscheiden.

Sensibilität gewachsen

Für Journalist*innen gehört die richtige Wortwahl zur täglichen Arbeit. Im Fall eines Schusswechsels mit Toten muss man demnach abwägen, ob man von einer Schießerei, Massaker, Anschlag, Amoklauf oder Terror spricht. Denn wie Medien über Gewalttaten schreiben, entscheidet darüber, wie Leser*innen diese Taten einordnen.

Was diskriminierende Sprache angeht, gibt es eine positive Entwicklung in der deutschen Medienlandschaft – immer mehr Redakteur*innen sind sensibilisiert. Das N-Wort schreiben nur noch die allerwenigsten und auch die stereotype Fremdbezeichnung „Zigeuner“ für Sinti und Roma in den Medien lässt nach. Doch gerade wenn auf aktuelle Nachrichten reagiert werden muss, steht die Sensibilisierung hinten an. Wie auch im aktuellen Fall, um den angeschossenen Mann.

Die Generalstaatsanwaltschaft sprach am Montagabend und auch in der Pressekonferenz am Dienstagmorgen „ganz klar von einem fremdenfeindlichen Motiv“. Anstatt die Formulierungen zu hinterfragen, wurde sie sowohl von den großen Nachrichtenagenturen als auch den einzelnen Medien kritiklos übernommen – Anführungszeichen hin oder her. Dabei wäre es ein Einfaches, sie in in direkter Rede durch das Wort „rassistisch“ zu ersetzen.

Doch immerhin: Nachdem vor allem auch in sozialen Medien zum wiederholten Male Kritik an der Begrifflichkeit aufgekommen war, titelt Süddeutsche.de jetzt mit „Ermittler: Schüsse auf Eritreer waren rassistisch motiviert“ und Spiegel Online mit „Eritreer angeschossen – Ermittler sehen rassistisches Motiv“.

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