Kolumne Macht: Wenn sich das Ausbürgern einbürgert
Bisher galt, dass man sich seine Landsleute eben nicht aussuchen kann – doch nun hat die Regierung das Staatsbürgerschaftsrecht geändert.
D ie Bundesregierung ist so mit sich selbst beschäftigt, dass sie nichts mehr zustande bringt? Schön wär´s. Einiges geht immer noch. So etwa Änderungen des Staatsbürgerschaftsrechts, die der Bundestag gegen die Stimmen der Opposition beschlossen hat und die vor allem etwas ausdrücken: Manche Deutsche sind ein bißchen weniger deutsch als andere. Zum Beispiel solche mit doppelter Staatsbügerschaft.
Die können nämlich künftig ausgebürgert werden, wenn sie sich einer Terrormiliz wie dem IS anschließen und sie dadurch nicht staatenlos werden. Nun wollen vermutlich alle Staaten und Völker gerne einen Weg finden, Terroristen loszuwerden oder sie gar nicht mehr zurück ins Land lassen zu müssen, wenn sie erst einmal ausgereist sind. Genau da beginnt aber auch das Problem: Wieso geht die deutsche Bundesregierung eigentlich davon aus, dass das andere Land, für das der Terrorist noch einen Pass hat, den Ex-Deutschen bereitwillig aufnimmt – statt ihn ebenfalls schleunigst auszubürgern?
Wenn sich das Ausbürgern erst einmal einbürgert, um ein in anderem Zusammenhang geäußertes Wort des Schriftstellers Stefan Heym zu zitieren, dann ist ja vorstellbar, dass bei der nächsten Reform auch Sexualstraftäter oder Raubmörder darauf gefasst sein müssen, die deutsche Staatsbürgerschaft zu verlieren. Sofern sie noch eine andere haben.
Deutsche Lebensverhältnisse
Bisher galt, dass man sich seine Landsleute eben nicht aussuchen kann – nicht einmal die, die es erst werden wollen: Wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt waren, dann hatten Ausländerinnen und Ausländer bislang einen Rechtsanspruch auf Einbürgerung. Nun aber hat der Bundestag mit den Stimmen der großen Koalition entschieden, dass künftig auch eine „Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse“ von Neu-Deutschen gefordert werden soll.
Jetzt´s wird’s spannend. Was genau sind „deutsche Lebensverhältnisse“? Häusliche Gewalt? Der Genuss von Schweinebraten? Eine Vorliebe für deutsche Automarken? Das liegt wohl demnächst im Ermessen der jeweils zuständigen Sachbearbeiter und Sachbearbeiterinnen. Rechtssicherheit sieht anders aus. Gehört eigentlich die Bereitschaft, derlei widerstandslos hinzunehmen, auch zu den „deutschen Lebensverhältnissen“?
Die neuen Regelungen sind bei einer Anhörung im Innenausschuss des Bundestages übrigens auf scharfe Kritik von Fachleuten wie Juristen und Migrationsxeperten gestoßen. Bestimmte Personengruppen würden zu „Bürgern zweiter Klasse“, erklärte Professor Daniel Thym, Jurist aus Konstanz. Tarik Tabbara, Professor für öffentliches Recht an der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Recht, sprach laut Tagesspiegel von einem „restaurativen Rollback im Staatsangehörigkeitsrecht“, einem „Rückschritt in die Zeit des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes von 1913“. Genützt hat all das nichts.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Vermutlich hatten viele Abgeordnete aus den Koalitionsfraktionen die kommenden Landtagswahlen fest im Blick, als sie die Neuregelungen durchwinkten. Ein bißchen Ausländerfeindlichkeit kommt immer gut an, mögen sie gedacht haben. Dass sich immer noch nicht herumgesprochen hat, dass ein Augenzwinkern hin zum rechten Rand den allenfalls stärkt und nicht etwa schwächt!
Die AfD hat im Parlament gegen die Änderungen des Staatsbürgerschaftsrechts gestimmt. Sie gehen ihr nämlich nicht weit genug.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin