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Journalismus und YoutubeRezo d’Être

Journalist*innen sollten sich fragen, was sie von Youtuber*innen lernen können, um auf Plattformen durchzudringen. Denn das müssen sie.

Was Youtuber*innen den meisten Redaktionen voraushaben, ist der enge Austausch mit den Nutzer*innen Foto: dpa

Nicht nur die CDU war spürbar verunsichert durch das Rezo-Video. Auch im deutschen Journalismus war man sich zunächst nicht ganz einig, was man damit anfangen sollte: mit dem Erfolg eines 26-jährigen Youtubers, der mal eben vor der Wahl mit seinem millionenfach geklickten Video „Die Zerstörung der CDU“ das politische Berlin aufmischte.

Zunächst kamen die Faktenchecks. Deutlich war zu spüren, wie sich der Qualitätsjournalismus vor allem bemühte, erst einmal eine ganz klare Grenze zu ziehen. Hier der YouTuber, dort der seriöse Journalismus. Nicht selten auch mit leicht überheblichem Tonfall.

Es war dann ausgerechnet Annegret Kramp-Karrenbauer, die Journalist*innen und Influencer*innen zur Versöhnung zwang. „Was wäre in diesem Land losgewesen, wenn 70 Zeitungsredaktionen einen Wahlaufruf gemacht hätten?“, fragte die CDU-Parteivorsitzende. Und sagte, man müsse deshalb dringend über Regeln für Meinungsbildung diskutieren. Und da solidarisierten sich neue und alte Medienmacher plötzlich miteinander. Wenn es um die Meinungsfreiheit geht, ist alles andere Sandkastenkeilerei. Auf einmal sind die „alten Journalisten“ nicht nur die Verteidiger Rezos, sie erklären ihn bisweilen schon zum Vorbild.

Zu Recht? Kann man jetzt, wo die ganze Aufregung um die Wahl, um die Ziemiaks und Amthors und die AKK-Sprüche sich etwas gelegt hat, einmal ernsthaft fragen: Was kann der seriöse Journalismus von Rezo lernen?

Verpasste Entwicklung

„Wir hätten diese Debatte schon vor Jahren führen müssen“, sagt der Journalist Martin Fehrensen, Herausgeber des ­Social Media Watchblog, der taz. Bereits 2015, als der Youtuber LeFloid die Bundeskanzlerin interviewt hatte, sei es verpasst worden, dieser Entwicklung nachzuspüren. „So haben sich jetzt manche Nutzer auch aufgrund der mangelnden Konkurrenz durch die etablierten Medien riesige Reichweiten aufgebaut“, sagt Fehrensen. Sprich: Youtuber sind deswegen so groß, weil der Journalismus auf Youtube so winzig ist.

„Es geht zuerst aber einmal darum, die Szene wirklich zu verstehen“, sagt Fehrensen. Es fehle den meisten Redaktionen an Expertise und Willen, das Geschehen auf Plattformen wie Youtube oder Twitch unabhängig von vereinzelten viralen Phänomenen journalistisch zu begleiten. „Eigentlich fremdeln die meisten total mit diesem Kosmos.“ Das habe auch die Berichterstattung nach Rezos Video gezeigt.

Wenig überraschend also, dass traditionelle Medien, wenn sie sich doch auf YouTube wagen, nur selten überzeugen. „Das ähnelt allzu oft den klassischen Mediatheken“, sagt Fehrensen. Eine Ausnahmen sei Funk, das eigens für die Video-Plattform entwickelte Angebot der öffentlich-rechtlichen Sender.

YouTube ist eine Suchmaschine. Und zwar die zweitgrößte der Welt

Youtube ist mittlerweile die zweitgrößte Suchmaschine der Welt. Viele Nutzer informieren sich direkt und zuerst dort. Wer hier als Medium kein passendes Angebot liefern kann, muss sich zumindest vorwerfen lassen, seinem gesellschaftlichen Informationsauftrag nicht mehr nachzukommen. Zwar mag es stimmen, dass professioneller Journalismus höhere Sorgfaltsstandards erfordert, als sie die meisten Youtube-Videos bisher erfüllen.

Kommende Entwicklung

Genauso wahr ist aber auch, dass nicht jeder redaktionelle Beitrag diesen Ansprüchen selbst gerecht wird. Zumal sich auf der Plattform mittlerweile viele Kanäle finden lassen, die bestimmte Themen facettenreicher und fundierter behandeln, als so manche Tageszeitung.

Aber es geht nicht nur um Inhalte. Was Youtuber wie Rezo den meisten Redaktionen voraushaben, ist der enge und sorgfältig gepflegte Austausch mit den eigenen Nutzern. Kontakt auf Augenhöhe also, statt von Social-Media-Teams moderierte Kommentarspalten. „Wir erleben viel zu selten, dass die Autor*innen in die Debatte einsteigen“, sagt Fehrensen. Jour­na­list*innen müssten aber zunehmend selbst in den Dialog treten und Reaktionen auf die eigenen Themen auch einmal als Anlass für einen neuen Beitrag nehmen.

Übrigens werden die Debatten der vergangenen Tage auch eine Entwicklung innerhalb der Youtuber-Szene anstoßen. „Dass sie die Politik etwas vor sich hertreiben konnte, hat der Szene ganz bestimmt gefallen“, sagt Social-Media-Experte Fehrensen. Wenn also die You­Tuber sich künftig häufiger auch ins politische Geschehen einbringen – spätestens dann sollten auch die Journalist*innen mitmischen.

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11 Kommentare

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  • 0G
    05654 (Profil gelöscht)

    News zum Thema - Monate später : AKK hits back ... www.faz.net/agentu...rnet-16231206.html

  • Was mir unangenehm am Print-Journalismus auffällt, ist der strikte Aktualitätsbezug, durch den oftmals der Kontext oder der Meldung gegenläufige Fakten komplett unter den Tisch fallen. Auffällig z.B. beim regelmäßigen Ausblenden von völkerrechtlich illegalen Handelssanktionen, die als Waffe eingesetzt werden und die die gesamte Bevölkerung eines Landes attackieren, vor allem aber die Ärmeren immer am frühesten und härtesten treffen. Unterm Strich ist der Tenor des Artikels dann: Wirtschaft eingebrochen, Regierung hat versagt. So regelmäßig bei SPON zu sehen, Kommentare sind dann meist auch nicht möglich.

    Punkt zwei ist das unabgeglichen bleibende Durchreichen von Aussagen. Hier leisten watchblogs inzwischen oft bessere Arbeit als viele Printredaktionen

    Ein weiterer kritikwürdiger Aspekt ist das Durchreichen von PR, bei der, wenn sie überhaupt gegenrecherchiert wird, auf die schon in die Kampagne eingebunden „Experten“ zurückgegriffen wird. PR ist inzwischen derart professionell, dass Kampagnen über mehrere Medien, Themenaspekte, Organisationen und Sprecher verteilt und über lange Zeiträume geplant wird. Die Texte sind druckreif und enthalten auch gleich Bildmaterial, liefern also bewusst kostenlosen und zur Publikation aufwandsminimierenden „content“, der von Agenturen und Medien oft dankend angenommen und veröffentlicht wird.

  • Mal etwas off topic: Die deutschen Journalisten - die gerade ziemlich ärmlich aussehen, weil sie Rezos Themen jahrelang komplett verschlafen haben - reden ja in letzter Zeit viel von Leistungsschutzabgaben. Nun haben die Medien in Deutschland ja mächtig Geld verdient mit Rezos "Content": Was zahlt so eine typische Zeitungsredaktion Herrn Rezo eigentlich dafür, die Grundlage für dutzende Artikel geliefert zu haben?

  • Völlig absurd ist die Reaktion von AKK weil die CDU selber mit CDUTV einen Youtube-Channel unterhält, in dem sie vor der Wahl für die CDU geworben hat.

  • Was mir bei diesem Video so extrem (positiv) aufgefallen ist: Er hat gegen alle eisernen Regeln des modernen Medienhandwerks verstoßen.

    Ein 55 Minuten langes Video in einer Zeit, in der schon drei Minuten in einem Radiobeitrag als zu lang gelten? Alles belegt und verlinkt? "Das macht man so nicht!" meint man zu hören und dann macht der das einfach und 13 Millionen Leute sehen sich das an.

    In einer Zeit, in der sich alle nur schluckfertige Häppchen an die Köpfe werfen und man sich selbst bei den Wahlkampfslogans der Partei, die man wählen wird, vor lauter Fremdschämen wegdreht, zeigt das das vor allem, dass Gründlichkeit, Ausführlichkeit, belegen und zitieren und sich Zeit nehmen nicht nur möglich ist, sondern bei den Problemen, vor denen wir stehen, sogar dringend nötig. Denn sonst schreien wir uns alle nur gegenseitig an, bis schließlich die Fäuste fliegen, die ja immer das kürzeste Argument sind.

  • 9G
    91672 (Profil gelöscht)

    Frau Merkel sagt: Wir haben ein Tierschutzgesetz, ein Klimaschutzgesetz, Emissionsschutzgesetz, Gesetze für eine Verkehrswende, Agrarwende, Abfallentsorgung für Kernkraft usw ...



    Aber, so sagt Frau Merkel: Dann muss es wirklich auch genug sein. Man muss ja schließlich die Gesetze nicht einhalten, oder? Hauptsache.es gibt sie.



    Viele Grüße an Rezo und tausend Dank.

  • und wenn es um regeln im netz geht.....warum spricht niemand über Regeln in der politik??? Vielleicht weil dort die Gehirnwäsche schon so weit fortgeschritten ist???? Ich wette unsere Volksparteien bekommen mächtig Druck von ihren Lobbyfreunden...... von daher ist diese Reaktion die wir sehen völlig verständlich.... vielleicht sollten wir mal über die Macht der Lobbyisten eine Debatte anstossen..... oder die politprofis machen endlich mal ihren Job.... das wär doch mal was

    • @Datura:

      Transparenzregeln für Lobbies hier in Deutschland wie wir sie in der EU [1] haben -- wären zwar noch nicht das Paradies, aber schon ein grosser Fortschritt!

      [1] www.taz.de/Gruenen...bbyismus/!5591438/

  • 0G
    05654 (Profil gelöscht)

    "Was Youtuber wie Rezo den meisten Redaktionen voraushaben, ist der enge und sorgfältig gepflegte Austausch mit den eigenen Nutzern. Kontakt auf Augenhöhe also, statt von Social-Media-Teams moderierte Kommentarspalten. „Wir erleben viel zu selten, dass die Autor*innen in die Debatte einsteigen“. Jour­na­list*innen müssten aber zunehmend selbst in den Dialog treten und Reaktionen auf die eigenen Themen auch einmal als Anlass für einen neuen Beitrag nehmen." ... Selbsterkenntnis ist der Erste Schritt auf dem Wege der Besserung ...

  • 9G
    93649 (Profil gelöscht)

    Was Rezo gemacht hat, ist einfach, die bekannten Fakten systematisch aneinander zu knallen. Das muss man sich trauen. Journalisten scheinen zu feige zu sein, mal Tacheles zu reden.



    (Ich habe mir die ganzen 55 Minuten angesehen)

    • 9G
      91672 (Profil gelöscht)
      @93649 (Profil gelöscht):

      'Das muss man sich trauen' ???



      Nein, das muss man sich nicht trauen, sondern das müsste eigentlich jeder Bürger tun. Alles, was Parteienvertreter nicht tun oder welche Panzer bei Nacht und Nebel im Sicherheitsrat nach Jemen verschoben werden muss schleunigst an die Öffentlichkeit. Alles andere ist strafbare Beihilfe zu krummen Machenschaften der CDU/SPD.