Anja Krüger über die vertagte Entscheidung über Autozölle
: Trumps Waffe bleibt entsichert

Donald Trump ist wirklich gerissen. Der US-Präsident wird offenbar nicht, wie ursprünglich vorgesehen, bis zum kommenden Samstag festlegen, ob er Zölle auf europäische Autoimporte erhebt oder nicht. Darüber möchte er erst in den kommenden sechs Monaten entscheiden. Das ist keine Entwarnung für die deutsche Autoindustrie. Es bedeutet: In den kommenden Monaten werden Zölle von 25 Prozent auf Autoexporte in die USA europäischen PolitikerInnen und WirtschaftsvertreterInnen als ständige Drohung vor Augen bleiben. Trump hat dafür gesorgt, dass seine schärfste Waffe im transatlantischen Handelsstreit entsichert bleibt. Das macht seine Position viel stärker, als es eine jetzige Verhängung der Autozölle getan hätte.

Die Trump-Administration befindet sich in einem eskalierenden Handelskonflikt mit China. Den Regierungen in Washington und Peking bleibt wenig Zeit, um eine dramatische gegenseitige Zollverschärfung zu verhindern. Beide Seiten haben immense Zusatzzölle für Importe aus dem jeweiligen Land bereits beschlossen, aber die treten erst im Juni in Kraft, beziehungsweise dann, wenn die in China eingeschifften Waren die USA erreichen. Trump riskiert keinen Zweifrontenhandelskrieg. Kommt es zu einer Einigung mit China, kann er aggressiv gegenüber der EU auftreten – oder eben nicht, wenn der Streit anhält.

Der Konflikt mit China ist nicht der einzige Grund, warum Trump Zeit gewinnen will. Nach den Wahlen zum Europäischen Parlament am 26. Mai werden sich die politischen Verhältnisse in Brüssel und Straßburg ändern, die EU-Kommission wird neu zusammengesetzt. Handelskommissarin Cecilia Malmström will ihren Posten abgeben. Die EU wird sich in den kommenden sechs Monaten politisch neu aufstellen und in dieser Phase nicht schlagkräftiger sein, als sie heute ist. Dann wird es darauf ankommen, ob die EU-Mitglieder – vor allem Frankreich und Deutschland – eine Linie gegenüber den USA finden oder sich von Trump gegeneinander ausspielen lassen.

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