Kolumne Liebeserklärung: Scheiternde Fahrschüler*innen
Immer mehr Fahrschüler*innen fallen bei den Prüfungen durch. Warum? Müssen wir uns Sorgen machen? Und wenn ja, welche Sorgen?
Die jungen Leute. Mysteriös. Für jede neue Generation, die sich mit Sätzen wie „Bin ja auch nicht mehr die Jüngste“ aus dieser Gruppe verabschiedet, werfen die ihnen nachfolgenden jungen Leute Fragen auf. Das ist ein Naturgesetz.
So auch diese Woche, als das Kraftfahrtbundesamt die Durchfallquoten in theoretischen und praktischen Fahrprüfungen des Jahres 2017 veröffentlichte: 32 Prozent aller Pkw-Fahranfänger*innen scheiterten an der praktischen Führerscheinprüfung. Ein Prozentpunkt mehr als im Vorjahr. Bei der theoretischen Prüfung lag die Misserfolgsquote gar bei rund 39 Prozent (plus zwei Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr). Damit setzt sich der Trend der vergangenen Jahre fort.
Wie konnte das passieren? Wer oder was ist schuld? Und ist das jetzt beunruhigend oder sehr beunruhigend?
Fachleute werden gefragt, haben aber keine eindeutige Antwort. Hendrik Pistor, Referatsleiter für junge Kraftfahrer beim Deutschen Verkehrssicherheitsrat, gibt zu: „Wir stochern noch etwas im Nebel.“ Und bei Sichtweiten von unter 50 Metern bleibt halt nur Spekulation. Liegt es am Stress, dem junge Leute heute ausgesetzt sind? Liegt es, wie so oft, am Smartphone, das ablenkt? Oder sind es doch wieder die mangelnden Deutschkenntnisse der migrierten Migrant*innen mit Migrationshintergrund? Es könnte auch sein, dass die jungen Leute deswegen häufiger an der Fahrprüfung scheitern, weil Autofahren immer unwichtiger wird. Es fehlt der Druck. Das wäre dann ein Indiz für einen gesellschaftlichen Trend weg vom Auto – reine Spekulation.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Wir wissen also nichts so richtig. Diese jungen Leute lassen uns irritiert zurück. Und dafür muss man sie lieben. Sie spucken Kaugummis auf die Straße, aber protestieren stundenlang in der Kälte für die Umwelt. Parteipolitik ist ihnen eher egal, aber sie machen aus dem Nachnamen des FDP-Vorsitzenden ein Verb: lindnern. They put the why in generation Y – aber nicht, weil sie selbst keine Ahnung haben, sondern weil sie ganzen Fachkreisen von Er- und Entwachsenen zeigen, dass auch die nicht alles wissen.
Wer nicht mehr jung ist, soll auf alles eine Antwort haben. Dabei wird schnell übersehen, ob wir uns überhaupt die richtige Frage stellen. Und die lautet nicht: „Müssen wir uns Sorgen um die jungen Leute machen?“ Sondern: „Warum machen wir uns eigentlich ständig Sorgen um die?“
Leser*innenkommentare
pitpit pat
Ich kriege Bauchweh, wenn man derart nonchalant Unwissenheit als progressive Haltung adelt und vernünftige Bedenken als spaßbremsendes Gluckentum verkauft.
Sich der Verwertungslogik unserer Gesellschaft nicht vollständig unterwefen zu wollen ist das eine, dass andere, in einer hochgradig arbeitsteiligen, Gesellschaft mit komplexen Kausalketten das Recht auf Dummheit hochzuhalten.
Pia Mansfeld
Je weniger Leute einen Führerschein haben, desto geringer die Anzahl der automobilen Vollpfosten auf den Straßen. Also alles in Ordnung.
Saccharomyces cerevisiae
@Pia Mansfeld Dann können Sie ja bei Ihrem ersten Schlaganfall mit dem Rollator ins Krankenhaus eilen, weil gerade kein Fahrer für den Rettungswagen zur Verfügung steht.
Der Mann, der unter einem Stein hervorkroch
"Es könnte auch sein, dass die jungen Leute deswegen häufiger an der Fahrprüfung scheitern, weil Autofahren immer unwichtiger wird."
Wenn dem so wäre bräuchten sie die Fahrschule doch gar nicht erst anfangen und könnten infolge dessen auch nicht durchfallen.
Hier ein Tipp an alle Fahrschüler, die sich mit der Theorie schwer tun: abgesehen von den Vorfahrtsfragen muss man sich bei allen anderen nur überlegen, welche Antwort die lahma*****igste Fortbewegungsmöglichleit darstellt - diese ist richtig......
81331 (Profil gelöscht)
Gast
...ja, blöd für die Automobilindustrie, ganz klar.
Scheuer, übernehmen Sie!