Anti-AfD-Aufkleber im „Polizeiruf 110“: Wirbellose ARD
AfD und Junge Union machen Stress, weil sie Realität und Fiktion offenbar nicht länger unterscheiden können – und was macht die ARD?
Sie haben es tatsächlich getan: Die ARD hat den „FCK AFD“-Aufkleber aus dem Rostocker „Polizeiruf 110“ retuschiert. In der Mediathek ist jetzt nur noch die bearbeitete Version zu finden.
Was war passiert? Im Büro der LKA-Ermittlerin Katrin König (Anneke Kim Sarnau) hing in dem Krimi vom 11. November doch tatsächlich ein Fuck-Nazis-Aufkleber („FCK NZS“), ein Poster der Band Feine Sahne Fischfilet, ein Antifa-Plakat gegen Nazis, ein Refugees-Welcome-Sticker und ein Fuck-AfD-Aufkleber („FCK AFD“).
Twitter und Facebook rechts der Kunstfreiheit gingen steil: AfD-Politiker, die Junge Union München-Nord, da hatten sich ein paar gefunden, die jetzt mit Screenshots und allerlei Kreisen um allerlei allzu Linkes aufrechte Empörung aufführten: Propaganda, Linksstaat, Antifa-Werbung, die man „zwangsfinanzieren“ müsse, „so schäbig waren nicht einmal Honeckers Schergen“, schrieb beispielsweise Thomas Röckermann, AfD-Landtagsmitglied in Nordrhein-Westfalen. Natürlich wurde auch hie und da wieder mit einer Beschwerde beim Rundfunkrat gedroht.
Also: Wieder mal alles inklusive, vollkommen erwartbar, alle Kritik kam nur aus einer Richtung. Die ARD hätte es sich auf der eigenen überdachten Veranda bei einem leckeren, selbstgemachten Eistee gemütlich machen und den rechten Regenschauer an sich vorbeiziehen lassen können.
Und weg ist der Anti-AfD-Aufkleber
Doch was machen die Öffentlich-Rechtlichen? Sie legen Hand ans Werk. Wo bei der Liveausstrahlung noch der „FCK AFD“-Aufkleber an dem Magnetbord hing, ist nun: nur noch graues Magnetbord. Dazu ein kurzer Hinweis, der „Polizeiruf 110: Für Janina“ sei „für eine weitere Ausstrahlung einer digitalen Bildbearbeitung unterzogen worden. In einigen sehr kurzen Sequenzen war unbeabsichtigt im Hintergrund ein kleiner Anti-AfD-Aufkleber zu sehen.“
Erstens war der Anti-AfD-Aufkleber mit Sicherheit nicht unbeabsichtigt da. Er passt zur Figur Katrin König. Genauso wie übrigens Verständnis für rechte Wähler zu Königs Kollegen Bukow passt, obwohl Bukow von Charly Hübner gespielt wird, der eine Doku über die Band Feine Sahne Fischfilet gedreht hat (deren Ausstrahlung kürzlich in Bad Schwartau nach Drohungen abgesagt werden musste) und der privat sicherlich nicht so viel Verständnis für das Wählen rechter Parteien hat – wofür er im Zuge der Aufregung um den aktuellen „Polizeiruf 110“ natürlich wieder von der mecklenburgischen Landes-AfD angegriffen wurde. Nach dem Motto: Wo wir schon bei Kritik am „Polizeiruf“ sind…
Zweitens ist es auch scheißegal, welche Partei in welchem Film angegriffen wird: Das ist Fiktion, das ist Kunstfreiheit. Auch die Grünen müssten damit leben, wenn ein Tempo-240-in-Fußgängerzonen-Befürworter den alten Mehmet-Scholl-Spruch „Hängt die Grünen, solange es noch Bäume gibt“-Spruch raushaut. So ist das nun einmal.
Doch statt auf die Kunstfreiheit zu verweisen, knickt die ARD ein. Es ist und bleibt ebenjene ARD, deren IntendantInnen sich im vergangenen Jahr nicht zu einer gemeinsamen Aktion für die Freilassung des damals noch in der Türkei inhaftierten Journalisten Deniz Yücel durchringen konnten.
Haltung wird von den einen gepredigt, Wirbellosigkeit von den anderen präsentiert.
Aber: Diese Strategie des Einknickens vor ein paar Social-Media-UserInnen kann nicht aufgehen. Kinder merken es sich, wenn sie mit Quengeln, Jaulen und Jammern durchkommen. Und der nächste Grund zur rechten Erregung kommt bestimmt. Vielleicht wenn einem Kommissar die Schleife nicht so gebunden wird, wie es AfD und Junge Union gerne hätten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
FDP-Krise nach „Dday“-Papier
Ex-Justizminister Buschmann wird neuer FDP-Generalsekretär
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“