: Etwas mehr Blau
Bei den Wahlen in den USA können die Demokraten im Repräsentantenhaus und bei den Gouverneurswahlen zulegen. Aber eine dramatische Schlappe für Donald Trump ist das Ergebnis nicht. Im Gegenteil, im Senat bauten die Republikaner ihren Vorsprung sogar aus. Der US-Präsident gibt sich zufrieden
Von Bernd Pickert
Die US-Republikaner haben bei den Wahlen vom Dienstag die Kontrolle über das Repräsentantenhaus verloren, ihre Mehrheit im Senat aber ausbauen können. Bei Redaktionsschluss waren noch nicht alle Wahlbezirke ausgezählt, aber sicher war, dass die Demokraten mindestens 26 Sitze im Repräsentantenhaus von den Republikanern hinzugewinnen konnten – 23 hätten gereicht, um die Mehrheit zu übernehmen.
Im Senat hingegen haben die Demokraten zwar den Republikanern den Sitz in Nevada abnehmen können, dafür aber mindestens in North Dakota, Missouri, Florida und Indiana ihre Sitze verloren. Letztlich konnten die Republikaner so ihre Mehrheit in der Kammer sogar ausbauen.
Bei den gleichzeitig abgehaltenen Gouverneurswahlen in 36 Bundesstaaten und 3 US-Territorien haben die Demokraten den Republikanern mindestens sieben Staaten abjagen können: Nevada, Kansas, New Mexico, Wisconsin, Illinois, Maine und Michigan werden zukünftig von Demokraten regiert werden.
Allerdings sind auch manche demokratische Hoffnungen enttäuscht worden. Der viel beachtete Wahlkampf in Georgia zwischen der Demokratin Stacey Abrams und ihrem republikanischen Konkurrenten Brian Kemp galt zunächst noch nicht als entschieden – allerdings hatte Kemp nach Auszählung von nahezu allen Stimmen einen deutlichen Vorsprung von 50,5 gegenüber 48,6 Prozent. Abrams’Hoffnung, die erste Schwarze Gouverneurin der USA zu werden, hat sich wohl nicht erfüllt.
Auch in Florida, wo der Demokrat Andrew Gillum alles daran setzte, als erster Schwarzer Kandidat zum Gouverneur gewählt zu werden, konnte sich sein republikanischer Konkurrent durchsetzen.
In Wisconsin hingegen musste sich der republikanische Amtsinhaber Scott Walker, einer der berüchtigsten Gewerkschaftsfeinde, der sich durch die Abschaffung von Arbeitnehmerrechten im öffentlichen Dienst einen Namen machte, seinem demokratischen Herausforderer Tony Evers geschlagen geben. Nach sieben Jahren wird Wisconsin wieder von einem Demokraten regiert werden.
Der Ausgang der Gouverneurswahlen ist auch im Hinblick auf die nächsten Präsidentschaftswahlen 2020 von Bedeutung. Nicht nur können die jeweiligen Gouverneure nach dem nächsten Zensus im gleichen Jahr die Wahlkreise neu zuschneiden. Dieses sogenannte Gerrymandering bringt oft seltsame Gebilde hervor, weil die Gebiete so aufgeteilt werden, dass die Regierungspartei daraus einen Vorteil zieht. Vor allem aber legen die Gouverneure auch die Regeln ihres Bundesstaates für das Abhalten der Wahl fest. Wie bedeutend das sein kann, ist spätestens seit dem Desaster der Präsidentschaftswahl im Jahr 2000 auch international bekannt. Damals wurde George W. Bush Wochen nach dem Wahltag und dem Versuch einer Nachzählung der unzureichend gestanzten Wahlzettel nicht zuletzt deshalb zum Präsidenten erklärt, weil sein Bruder Jeb Bush als Gouverneur von Florida mit dafür sorgte.
In Georgia sorgte am Dienstag der republikanische Gouverneur Nathan Deal dafür, dass der ebenfalls republikanische Kandidat Brian Kemp, der ihm gleichzeitig als Staatssekretär dient, auch zuständig für die Durchführung der Wahlen war. Im Ergebnis ließen die Wahlbehörden Tausende von Stimmen abweisen, insbesondere von Schwarzen Wählern. Aus genau diesem Grund gilt die Wahl auch als noch nicht entschieden: Stacey Abrams weigert sich, ihre Niederlage zu konzidieren, solange die massiven Vorwürfe der Wählerunterdrückung noch nicht geklärt sind.
In Florida und Ohio, zwei der größten und traditionell bedeutsamsten Swing States, regieren auch 2020 wieder Republikaner.
Eng ging es auch bei den Wahlen um den Senatssitz in Florida zu – aber zugunsten der Republikaner. Hier schaffte es der bisherige republikanische Gouverneur Rick Scott, den demokratischen Amtsinhaber Bill Nelson aus dem Amt zu verdrängen.
In Texas hatten sich die Demokraten erhofft, ihr Kandidat Beto O’Rourke könne den ehemaligen republikanischen Präsidentschaftsanwärter Ted Cruz aus dem Senat verdrängen. Auch das hat nicht geklappt. Mit 50,9 gegen 48,3 Prozent behielt Cruz seinen Posten.
„Großartiger Erfolg heute Nacht. Vielen Dank euch allen!“, twitterte US-Präsident Donald Trump gegen 23 Uhr Washingtoner Zeit. Für ihn allerdings wird das politische Leben zukünftig schwieriger: Mit dem Repräsentantenhaus verliert seine republikanische Partei eine von zwei Kammern des Parlaments – ein Durchregieren wie bislang ist damit für ihn nicht mehr möglich.
„Gridlock“, also Stillstand, Blockade – das Wort beschrieb über viele Jahre den Zustand des politischen Washington. Seit etwa 2010 die Republikaner bei den damaligen Midterms in einer echten Wende-Wahl die Kontrolle über den Kongress übernahmen, konnte Präsident Obama keinerlei relevante Gesetzgebung mehr durchbringen. Das könnte Trump zukünftig ähnlich gehen, denn jedes Gesetz muss gleichlautend von beiden Kammern verabschiedet werden, bevor es der Präsident in Kraft setzen kann.
Für Trump bedeutet das, noch mehr als bisher schon mit Präsidialdekreten zu regieren – wie es auch Obama getan hat. Mit der inzwischen neuen konservativen Mehrheit im obersten Gerichtshof, nachdem Trump erfolgreich seinen Wunschkandidaten Brett Kavanaugh durch die Senatsbestätigung geprügelt hat, hat er sogar gute Chancen, dass die Justiz ihm dabei mehr Freiheiten zugesteht als zuvor.
Dennoch ist mit diesem Instrument nicht alles zu regeln: Insbesondere den Haushalt kann nur der Kongress verabschieden, und wenn er es nicht tut, hat die Regierung kein Geld mehr – es kommt zum sogenannten Shutdown. Die Republikaner haben in den vergangenen Jahren mehrfach zu diesem ultimativen Erpressungsinstrument gegriffen – wurden allerdings in der öffentlichen Meinung dafür in aller Regel abgestraft. Zudem können die Demokraten Untersuchungsausschüsse einsetzen und Auskünfte verlangen, etwa über Trumps Steuerzahlungen.
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