Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Über Linksextremismus als Scripted Reality, die NPD als pfiffige Idee von Hans-Georg Maaßen und die Manufactum-Koalition in Hessen.

Oprah Winfrey und Michelle Obama halten sich an der Hand und ziehen Grimassen

Donald Trumps potente Herausforderinnen: Oprah Winfrey und Michelle Obama Foto: ap

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?

Friedrich Küppersbusch: „Lindenstraße“. Wo ist der Denkmalschutz, wenn man ihn braucht?

Und was wird besser in dieser?

Wer liest, wie Bild für „Mutter Beimer“ kämpft, erahnt das Vakuum an der Stelle „Angela Merkel“.

Am 19. Januar will Horst Seehofer den Platz an der CSU-Parteispitze freimachen. Glauben Sie dran?

Aus dem Horstischen ins Deutsche übersetzt heißt „Rücktritt“: „Jetzt jedenfalls gehe ich nicht.“ Zum dritten Mal raunt Seehofer knöcheltief im Konjunktiv, in welchem Fall oder wann er loslassen mag. Diesmal: wenn ein neues CDU-Vorsitzendes die hauchdünne Chance hatte, ihn wenigstens als Innenminister unverzichtbar zu finden. Wer sich tote Abgeschobene zum Geburtstag gönnt, kann wohl auch genießen, „Merkel überlebt zu haben“. Und so weiter: Man findet eine Menge therapiefähiger Anlässe, bevor die Schüppe auf den ersten politischen Grund für sein Benehmen trifft.

Finanzlobbyist Friedrich Merz zählt sich zur „oberen Mittelschicht“, auf keinen Fall aber zur Oberschicht. Das sagte er vergangene Woche im Talk mit der Bild. Er ist quasi einer von uns, oder?

Verzagt verzockt. „Ich hab Geld wie Dreck und ich hab’s auch verdient“ wäre viel ehrlicher gelogen.

In Hessen bleibt alles beim Alten. Knapp drei Wochen nach der Wahl wurde das Ergebnis im Grundsatz bestätigt. Alle behalten ihre Sitzplätze und die FDP hat wohl doch keine Lust aufs Mitregieren. Kann das nach so einem holprigen Start gutgehen mit Schwarz-Grün?

Die Manufactum-Koalition – „es gibt sie noch, die guten Mehrheiten“ – stürzt von 12 auf eine Stimme überm Durst. Das gibt den Grünen die Chance, vorzuführen, wie sie „äußerste Disziplin“ bewahren. Birgt jedoch auch das Risiko, dass die Grünen als äußerst diszipliniert vorgeführt werden. Sie werden mehr als die bisher zwei von zehn MinisterInnen durchsetzen, das Innenministerium wäre mit Blick auf den Bund die Reifeprüfung. Staatstrojaner, Polizisten mit Bodycam und die Überwachung von Messengerdiensten haben sie bereits abgenickt, in rigideren Grenzen als Bayern. Grünes Schülerticket, schwarze Autobahn 44, am Ende vom ersten Durchlauf mussten die Grünen damit klarkommen, dass die FAZ lobte: „Eine harmonische Verbindung beider Welten.“

Der Brexit scheint real zu werden. Zumindest in Brüssel gingen die Verhandlungen erstaunlich schnell. Auf der Insel legten derweil mehrere Minister*innen ihre Posten nieder. Was halten Sie für das Wahrscheinlichste: Brexit und May, Brexit ohne May oder kein Brexit, keine May?

Moooooment, ich copy-and-paste mal eben die 585 Seiten Ausstiegspapier hier rein und ihr bildet euch ein Urteil. Die einen sagen, das ist kein Deal, May sagt: Es gibt keinen anderen. Und wenn es ein als Brexit getarnter Verbleib wäre – wäre das schlecht?

Neue Panne beim Verfassungsschutz: In Göttingen wurde ein V-Mann enttarnt, der über zwei Jahre die linke Szene bespitzelt hat. Antifaschismus, Hochschulpolitik und sogar zu G20 nach Hamburg durfte er mit. Jetzt ist wahrscheinlich erst mal ein Umzug und ein neuer Name angesagt. Tipps für einen V-Mann in Frührente?

Große Sitcom im niedersächsischen Landtag: Die Frage des grünen Abgeordneten Limburg zum Sachverhalt war kurz – die Antwort von Innenminister Pistorius kürzer. So blieb offen, ob der Verfassungsschutz die Quelle nur ausgewertet oder auch aktiv in politische Kandidaturen geführt habe. Was schließlich bedeuten könnte, Teile des Linksextremismus seien Scripted Reality oder die NPD eine pfiffige Idee von Hans-Georg Maaßen.

Jede*r vierte bis fünfte Beschäftigte in Deutschland arbeitet auch am Wochenende. Das kam bei einer kleinen Anfrage der Linksfraktion im Bundestag raus. Auch Sie sind davon betroffen, Sie schreiben für uns ja am Sonntag. Wie geht es Ihnen damit?

Schlecht. Mein Boykott des örtlichen Supermarktes ging ein halbes Jahr gut, bis ich samstags um kurz vor 22 Uhr gewahrte, dass es morgen früh keine Milch im Kaffee geben wird. „Samstags gehört Mutti mir“ kontert der Einzelhandel alte Gewerkschaftsparolen; was bei Kino, Gastronomie, Krankenhaus und Bahn noch dem Gemeinwohl diente. Nicht mitgezählt wurden die Mails am Heimrechner und „nur mal eben den Chef zurückrufen“-Jobs. Mein Rückenmark sagt mitunter „Schönen Feierabend“ wenn ich’s noch zu 18.30 Uhr an die Kasse geschafft habe: Wenn Blicke töten könnten.

Michelle Obama hat ihre Memoiren veröffentlicht: Barack sei für sie wie ein Einhorn, schreibt sie darin, „so ungewöhnlich, dass es schon ans Übernatürliche grenzt“. Was wird Melania Trump einmal über ihren Mann schreiben?

„Er sah nur eine potente Herausforderin: Oprah Winfrey. Ach nee, Michelle Obama auch.“

Der AfD-Kreisverband von Alice Weidel hat offenbar illegale Großspenden aus der Schweiz und den Niederlanden erhalten. Übersteht sie das?

Wenn sie vor der Wahl Geld bekommt, damit Facebook-Daumen kauft und nach der Wahlkampfkostenerstattung reumütig zurückzahlt: ein Kredit. Ein illegaler noch dazu. Oder: Stümperei. Hätte man gewusst, wie dreist deppert sich die Saubermannpartei da blamiert – die nächsten 100.000 Euro per Crowdfunding in der taz.

Und was machen die Borussen?

Das ist keine Spielpause, das ist die Zigarette nach dem München-Spiel.

Fragen: AFRO, JWA

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.