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Showdown im Wattenmeer

Die ostfriesische Insel Baltrum soll nach dem Willen der dortigen CDU aus dem Nationalpark Wattenmeer austreten und stattdessen nur ein Naturpark werden. Kritiker argwöhnen, dass die Befürworter bloß weiter ungehemmt Zugvögel jagen dürfen wollen

Werden nach Ansicht der dortigen CDU durch zu viel Umweltschutz vertrieben: Touristen auf der Insel Baltrum Foto: Mohssen Assanimoghaddam/dpa

Von Sven-Michael Veit

Es wäre eine Insellösung der besonderen Art: Die ostfriesische Insel Baltrum soll nach dem Willen der dortigen CDU aus dem Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer austreten. Am heutigen Montag befasst sich der Gemeinderat der Insel mit dem Antrag der CDU, die vier von neun Ratsmitgliedern stellt. „Wir wollen, dass die Landesregierung unseren Wunsch ergebnisoffen prüft“, sagt CDU-Gemeinderat Jann Bengen.

Ihm schwebt vor, die Insel in einen Naturpark umzuwandeln, weil der „den tatsächlichen Gegebenheiten auf der Insel entspricht“, so Bengen. In dieser gegenüber dem Nationalpark schwächeren Schutzkategorie wird eine „umweltgerechte Landnutzung angestrebt“ und die Förderung von „Erholung und nachhaltigem Tourismus“. Bengen, Inhaber eines Hotels auf der kleinsten ostfriesischen Insel, befürchtet nämlich, dass der Fremdenverkehr im Nationalpark auf Dauer eingeschränkt werden könnte. Denn „die Umweltverbände“, namentlich BUND, Nabu und WWF, würden nur zu gern „die Menschen aus 75 Prozent der Nationalparkfläche vertreiben“, sagt Bengen. Selbst Volleyballspielen am Strand und das Fotografieren von Tieren sei eingeschränkt oder ganz verboten.

„Einen Konflikt um die Jagd auf Zugvögel“ sieht hingegen Susanne Gerstner, Geschäftsführerin des BUND in Niedersachsen. Nach ihrer Ansicht wollen Bengen, Sprecher der Inseljägerschaft, und andere „schießwütige Freizeitjäger“ nur „ihrem Jagdfieber nachgehen“. Für Gäste sei es „unverständlich bis schockierend“, dass die Lage des Nationalparks inmitten einer bedeutsamen Vogelzugroute dazu missbraucht werde, auf Zugvögel zu schießen.

„Als Jäger habe ich einen staatlichen Auftrag zum Küstenschutz, wenn ich etwa Kaninchen schieße, die den Deich schädigen“, antwortet Bengen. Aber in Niedersachsen würden die Rechte der Jäger immer weiter eingeschränkt. Diese seien unter anderem dafür verantwortlich, erkrankte Robben am Strand zu töten. Hauptsächlich aber jage er „im Einklang mit dem Landesjagdgesetz Enten, Gänse, Fasane und Tauben“, räumt Bengen ein.

Um dann, wirft Manfred Knake vom Wattenrat Ostfriesland ihm vor, „seine geschossenen Wasservögel im eigenen Restaurant zu vermarkten“. In einem Naturpark seien die Restriktionen für die Jagd aber weniger strikt als im Nationalpark, der zugleich EU-Vogelschutzgebiet und Weltnaturerbe ist.

Das mit der Jagd sei „gar nicht so relevant“, relativiert Bengen, das spiele in die Diskussion „etwas unglücklich mit hinein“. In erster Linie gehe es ihm um die Entwicklungsmöglichkeiten der Insel und auch ein bisschen um die Menschenrechte. „Wir Friesen gelten als eine geschützte nationale Minderheit, deren Lebensweise besonders geschützt ist. Dazu gehört auch, dass ich Beeren sammeln, reiten und Pferde auf der Weide lassen oder jagen darf“, sagt Bengen. „Es kann nicht sein, dass jemand vom Festland mir sagt: „Du darfst dies nicht mehr.“

Im Schleswig-Holsteinischen Wattenmeer seien die Landflächen der Insel und Halligen nicht Teil des Nationalparks, das sei in Niedersachsen aber anders. 78 Prozent der Inselfläche Baltrums sei Nationalpark, auf den anderen ostfriesischen Inseln sei die Lage ähnlich. Das bringe viele Einschränkungen für Bewohner und Gäste mit sich, und es würden immer mehr: Ankerplätze für Sportboote sollten reduziert werden, ebenso das Fahrwasser, was zu einer Einschränkung des Fährbetriebs und damit der Verbindung zum Festland führen könne. Und statt die Jagd weiter einzuschränken, könne doch die Nationalparkverwaltung die einwöchigen „Zugvogeltage“, die diese Woche viele Vogelliebhaber auf die Inseln ziehen, in den April verlegen: „Da gibt es weniger Interessenkonflikte.“

Das Wattenmeer

Das Wattenmeer der Nordsee gehört zu den bedeutendsten Naturräumen der Erde. Es erstreckt sich von Esbjerg (Dänemark) bis nach Den Helder (Niederlande) und ist fast so groß wie Schleswig-Holstein.

Die Nationalparks wurden 1990 von der Unesco als Biosphärenreservat anerkannt, 2009 als Weltnaturerbe.

Ungefähr die Hälfte des Schutzgebietes liegt in Deutschland, gegliedert in drei Nationalparks: Niedersächsisches, Hamburgisches und Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer.

Nationalparks sind in mehrere Zonen unterteilt, in denen der Zugang für Menschen sowie die wirtschaftliche Nutzung – unterschiedlich streng reglementiert oder auch ganz verboten sind.

„Grotesk“ findet das Gerstner vom BUND: „Der Deutsche Jagdverband sieht den Jäger als Mittler zwischen Mensch und Natur und als Förderer von Artenschutz. Die Vogeljagd im Wattenmeer passt dazu nicht und muss eingestellt werden.“

Unklar ist dabei, ob der CDU-Vorstoß überhaupt umsetzbar ist. Die Nationalparkverwaltung in Wilhelmshaven hat rechtliche Bedenken und verweist auf die Zuständigkeit des Landtages in Hannover. „Der Nationalpark ist durch ein Landesgesetz geschützt“, sagte Leiter Peter Südbeck. Um Details der Schutzbestimmungen gebe es zwar immer wieder Konflikte wie etwa beim Streit um die Ausweisung von Flächen für Kitesurfer, „wir verfolgen aber das Ziel, gemeinschaftlich nach Lösungen zu suchen“, sagt Südbeck.

Zunächst mal jedoch kommt es am heutigen Montagabend im Gemeinderat der Insel zum Showdown.

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