Kommentar Bioland und Lidl: Die Umwelt profitiert

Das kostbare Biosiegel jetzt beim umstrittenen Discounter? Was erst nach Kritik schreit, hat Vorteile. Trotzdem muss Bioland wachsam bleiben.

Rohe Buletten in siedendem Öl

Bio-Bouletten für alle: Lidl und Bioland kooperieren Foto: dpa

Auf den ersten Blick sieht es aus wie ein Pakt mit dem Teufel. Der Ur-Ökoverband Bioland stellt sein kostbares Siegel dem bis in die Knochen konventionellen Discounter Lidl für dessen Bio-Eigenmarke zur Verfügung. Dabei nutzt Lidl regelmäßig seine gigantische Marktmacht, um Lieferanten im Preis zu drücken. Ein Deal mit dem größten Discounter kann ja nur Verrat sein, oder?

Auf den zweiten Blick ist es nicht ganz so einfach. Denn was würde passieren, wenn Bioland nicht mit Lidl zusammenarbeiten würde? Der Discounter böte wohl weniger Bioprodukte als jetzt geplant an. Und die, die er anbietet, würden weiter nur nach dem gesetzlichen Mindeststandard erzeugt, also zum Beispiel ohne chemisch-synthetische Pestizide. Bioland hingegen ist strenger, etwa was die Zahl der Tiere pro Stall und Regeln gegen umweltschädliche Überdüngung angeht. Weniger Bio und niedrigere Standards – davon hätte niemand etwas. Wenn Lidl nun mehr Bio und mehr Bioland-Qualität verkauft, dann profitiert davon die Umwelt. Falls dadurch auch der Markt insgesamt wächst, könnten mehr Bauern auf Bio umstellen.

Aber der Deal hat auch immense Risiken. Vor allem für die Bio-Fachgeschäfte, die über Jahrzehnte maßgeblich dazu beigetragen haben, dass Bioland eine so weit verbreitete und bekannte Marke ist. Sie haben lange als Einzige diese Waren verkauft. Dieses Alleinstellungsmerkmal verlieren sie jetzt endgültig.

Auch für die Bauern birgt die Kooperation Gefahren, denn Bioland macht sich abhängig von Lidl. Diese Abhängigkeit wird nicht gerade klein sein, weil die 3.200 deutschen Filialen des Discounters für Bioland-Verhältnisse gewaltige Mengen abnehmen werden. Viele Biolandbauern werden darauf angewiesen sein, dass Lidl weiter ihre Ware kauft.

Der aktuelle Vertrag mit dem Discounter mag für die Bioland-Lieferanten günstig sein. Aber er wird irgendwann auslaufen. Und dann könnte der mächtige Abnehmer seine altbekannten Daumenschrauben auch bei Bioland anziehen.

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Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.

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