Peinlich,
peinlich!

Der Bremer Uni-Rektor Bernd Scholz-Reiter hat fleißig bei obskuren Online­verlagen publiziert, bei denen die Qualität der Artikel nicht geprüft wird. Wie konnte das passieren? Versuch einer Antwort 43–45

Die Uni in Bremen: Blick auf die zentrale Wandelhalle, im Hintergrund der Fallturm für Experimente zur Schwerelosigkeit Foto: Universität Bremen

Von Jens Fischer

Als im Juli 2018 ein Team von NDR und Süddeutscher Zeitung ihre Recherchen über sogenannte „Raubverlage“ veröffentlichten, fiel auch der Name des Bremer Rektors Bernd Scholz-Reiter. Der Wirtschaftsingenieur kommt auf immerhin 59 Veröffentlichungen bei unseriösen Verlagen in den Jahren 2009 bis 2014. Seit 2012 ist Scholz-Reiter Rektor der Bremer Alma Mater, 2017 wurde sein Vertrag um fünf weitere Jahre verlängert. Danach lächelte Scholz-Reiter in die Kameras – und gut war.

Der Wirtschaftsingenieur ist keiner, der sich in den Vordergrund spielt. Streitlustige Grätschen zu gerade virulenten Themen: Fehlanzeige. Politisch äußert sich Scholz-Reiter öffentlichkeitswirksam nur, wenn es konkret um Belange der Uni geht. Auch von irgendwelchen glamourösen Auftritten bei kulturellen oder sozialen Events kann nicht berichtet werden.

Lediglich als passionierter Zweiradnutzer fällt der Uni-Chef auf. Zu Terminen kommt er schon mal mit dem Fahrradhelm unterm Arm und gilt auch sonst als unprätentiös, als jemand, der für seine Ideen ein- und mitzunehmen weiß. Die Bild-Zeitung schreibt neben einem Foto des dreifachen Vaters: „Von diesem freundlichen Mann mit der Brille würden Sie auch ein gebrauchtes Auto kaufen. Oder?“

Der Kreiszeitung antwortete er auf die Frage nach seinem Lieblingstier: „Der Elefant. Er ist majestätisch und gutmütig.“ Das war nicht als ironischer Kommentar zu Bremens Kolonialdenkmal gemeint, ein 1932 mit Backsteinen sieben Meter in die Höhe gemauertes Dickhäuter-Standbild, sondern schlicht als Lobpreisung der tapsigen Tiere in afrikanischen Savannen.

Ja, der Professor liebt die Natur und auch die gelassenen Menschen Kanadas. Viel mehr Privates weiß das Internet und die Bremer Öffentlichkeit nicht über den Mann. Beruflich ist er nur Fachleuten ein Begriff mit Veröffentlichungen zur „Entwicklung von Prognoseverfahren für die Produktionsprogrammplanung auf Basis von Vorhersagemodellen der Nichtlinearen Dynamik“ oder zum Thema „Collaborative Communication Driven Decision Management in Non Hierarchical Supply Chains of the Electronic Industry“.

Einen Sexyness-Faktor kann auch nicht entdecken, wer in die Arbeiten schaut, die Scholz-Reiter von 2009 bis 2014 in scheinwissenschaftlichen, sogenannten „Predatory“-Verlagen als Co-Autor online publiziert hat. Die Kritik an seinem Publikationsverhalten beantwortete gegenüber dem Weser-Kurier demütig naiv: Er habe damals von der Unseriosität der Pseudo-Fachjournale nichts gewusst, sprich: sich nicht vorab schlau gemacht, ob dort gegen Entgelt jede Fake-Studie und auch das absurdeste Forschungsergebnis ohne Prüfung der Inhalte herausgeben und so mit dem Siegel der Wissenschaftlichkeit versehen wird.

Ihn habe, so Scholz-Reiter im Interview, die Begeisterung für den „Open Access“ getrieben, also die Möglichkeit, Arbeiten für jedermann frei im Internet les- und herunterladbar zu präsentieren. Heute fordert der Uni-Rektor einen TÜV für solche Medien.

Von 2007 bis 2012 war Scholz-Reiter einer der Vizepräsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), die Hunderte von Millionen staatlicher Forschungsgelder verwaltet. Davor gehörte er fünf Jahre lang dem DFG-Ausschuss an, der für Sonderforschungsbereiche zuständig ist. Auch für seine eigenen Forschungen hat er von der DFG Geld bekommen, seine Berichte, in denen er auf Publikationen in Raubverlagen verwies, seien ohne Kritik akzeptiert worden, sagt Scholz-Reiter heute.

Die DFG lehnt einen Kommentar ab. „Die Begutachtung von Abschlussberichten geförderter Projekte unterliegt wie alle Begutachtungs- und Bewertungsprozesse der DFG dem Gebot der Vertraulichkeit“, heißt es aus der Zentrale.

Allerdings setze sich die Deutsche Forschungsgemeinschaft „derzeit und unabhängig von der Medienberichterstattung mit neueren Entwicklungen im wissenschaftlichen Publikationswesen und in diesem Kontext auch mit „Predatory Publishing“ auseinander“.