Stockholmtaz | Sie sind von der vorgeschriebenen Marke. Andreas Granqvists Fußballschuhe. Und auch die Stutzen, die der Mannschaftskapitän beim WM-Spiel seiner schwedischen Nationalelf gegen England trägt, sind von dem von der Fifa abgesegneten Modell. Aber auf Nahaufnahmen seiner Beine werden in den paar Zentimetern zwischen Schuhen und Stutzen die Übeltäter sichtbar: Socken mit einem speziellen Punktemuster. Dem Logo einer bekannten englischen Sportsocke.
Es sind die vermutlich teuersten Socken, die Granqvist je getragen hat. Bereits am letzten Freitag war der schwedische Fußballverband von der Fifa wegen dieser Socken zu einer Geldstrafe von über 60.000 Euro verurteilt worden. Begründung: Damit hätten schwedische Spieler bei der Begegnung gegen die Schweiz „unautorisierte Werbung auf der Spielerausrüstung getragen“.
Wegen entsprechender „Missachtung der Marketing- und Medienbestimmungen“ dürften Granqvists Socken nun eine weitere Geldstrafe in gleicher Höhe auslösen. Granqvist hätte seine bevorzugten Socken auch gegen England tragen dürfen. Nur eben nicht sichtbar. Die Regeln sind so, weshalb sich der schwedische Verband gar nicht erst beschwert. Auch wenn Nationalcoach Janne Andersson über eine „unnötige Geldausgabe“ schimpft.
UndLars Richt vom Fußballverband bestätigt: „Die Socken werden von vielen Spielern getragen. Aber sie müssen richtig mit Tape überklebt werden.“ Bei Granqvist sei da wohl etwas verrutscht. Im Prinzip sei gegen solche Geldbußen nichts zu sagen. Die WM sei die größte Einnahmequelle der Fifa und die Sponsoren zahlen Millionen, meint Lise Klaveness, Juristin und designierte Direktorin der norwegischen Männer- und Frauen-Fußballnationalmannschaften.
Elf Körperteile sollt ihr sein
Beim Sport geht's oft ums große Ganze. Dabei erzählen schon Details ganze Geschichten – wie die Füße der Iraner. Aus Angst vor geschäftsschädigenden Tweets Trumps weigerte sich Sportartikelausrüster Nike, das Fußballteam des Iran weiter mit seinem Schuhwerk auszurüsten. Ein Akt, der unsportlicher nicht sein könnte.
Foto:
AP
Gianni Infantino ist jetzt sehr oft freundlich lächelnd neben allen möglichen Staatsoberhäuptern zu sehen. Der Fifa-Präsident, das muss zu seinen Gunsten angenommen werden, beherrscht die Kunst des funktionalen Lächelns, eine Art gesichtsmimischer Dresscode. Viele kennen dies aus eigener Erfahrung: KollegInnen, die einen nur anlächeln, weil sie demnächst etwas von einem wollen werden.
Foto:
AP
Der Pferdeschwanz hat im Fußball eine leidvolle Geschichte. Zlatan Ibrahimovic schaffte es mit mit ihm nie weiter als bis ins Achtelfinale; England gewann nie einen Titel, wenn Torwart David Seaman die lange Mähne im Zopf trug. Schlechtes Omen für die Kroaten also, die im Finale wohl Domagoj Vida mitspielen lassen: Er trägt eine Mischung aus Pferdeschwanz und Glatze.
Foto:
Reuters
Die Fifa hat das Entblößen des Oberkörpers ja verboten. Der Engländer Eric Dier zeigte nach dem Sieg gegen Kolumbien dennoch, worauf es körperlich ankommt: Ein voll trainierter Obertrainer ist athletisch im Weltspitzenfußball die halbe Miete.
Foto:
PA Wire/dpa
Igor Akinfeew, Torwart und Kapitän der russischen Nationalmannschaft, lieferte im Achtelfinale gegen Spanien beim letzten und entscheidenden Elfmeter einen sensationellen Footjob ab. Obwohl er in die linke Ecke hechtete, entschärfte er den eher mittig geschossen Elfer von Iago Aspas noch. Der Fuß Gottes.
Foto:
AP
Cristiano Ronaldo weiß, was die Kameras schätzen: Im Achtelfinale gegen Uruguay legte er dem verletzten Edinson Cavani den Arm um die Schulter – ein Körperteil, das für allerlei Egoismen im Fußball verantwortlich ist: Rempler, Fouls, Bodychecks. Sie ist also nicht gar so unschuldig, wie sie tut.
Foto:
Reuters
In der Partie Nigeria gegen Argentinien wird der argentinische Verteidiger Javier Mascherano gefoult. Sein Gesicht blutet. Behandlung am Spielfeldrand? Wertvolle Spielzeit verlieren? Nicht für Mascherano – schließlich hat er zuvor den Elfmeter und damit den Ausgleich der Nigerianer verschuldet.
Foto:
AP
30 Minuten WM-Debüt, dann Nasenbruch: Wäre es für Deutschland weiter gegangen, hätte es für Sebastian Rudy eine Maske gegeben. Moderne Varianten sind aus Carbon. Verzierungen sind auch möglich, ein Totenschädel vielleicht, wie der frühe Sido. Möglich wär's, macht die Masken aber schwerer. Anders gesagt: Mehr Style täte dem Spiel nicht gut.
Foto:
dpa
Als Iran 1:0 gegen Spanien in der Gruppenphase zurücklag, sollte durch einen langen Einwurf eine Torchance zustande kommen. Milad Mohammadi entschied sich für die akrobatische Variante des Flickflacks, doch sein Rücken war nicht so gerade, wie er sein muss: Sein Körper prallte mit Schmackes auf den Boden. Ein Fußballer ist nun einmal kein Turner.
Foto:
Reuters
An Isländer Rurik Gislason ist nicht nur ein einzelnes Detail schön; er ist ein Gesamtkunstwerk. Diese blonde Wallemähne, mit einem Haargummi zum Dutt gezähmt, der Bart, die Muskeln, die eisblauen Augen, hach. Sein absolut schönstes Körperdetail aber ist dieses perfekt symmetrische, aufs Gesicht maßgeschneiderte, jedem Schönheitsideal entsprechende: Ohr.
Foto:
dpa
Diego Maradona rauchte – trotz Rauchverbot – beim Spiel Argentinien gegen Island eine dicke Zigarre. Was bei diesem Foto sichtbar wird, ist der Männlichkeitstraum schlechthin: Fellatio als Simulation ohne ein körperliches Gegenüber, ein Saugen und Schlotzen an der gerollten Tabakröhre, als wünschte er noch ganz andere Mundübungen.
Foto:
Reuters
Die Avantgardefrisur des Turniers: Was Neymar zur Schau trägt, ist eine Frise, so blond und so spektakulär wie keine sonst bei dieser WM. Sie signalisiert: Seht her, das, was ich mir in der Kabine zurechtgestylt habe, hält selbst stärksten Verteidigern stand, nennt mich den Größten mit dem Größten.
Foto:
dpa
Cristiano Ronaldo hat kein Tattoo. Nirgends. Nicht etwa, weil sein wie gemeißelt wirkendes, beinahe ikonisches Sixpack hinreichend dekorativ sei, – sondern, begründet Ronaldo, es weitere Blutspenden unmöglich mache. Das DRK besteht darauf, dass frisch Tätowierte erst nach vier Wochen wieder Blut spenden dürfen – unmöglich ist eine Spende aber nicht.
Foto:
dpa
Aber wie sehe eigentlich das Verhältnis zwischen dem Bruch kommerzieller und politischer Regeln aus? Für ein Nazi-Banner auf der Tribüne sei der russische Verband mit einer Geldbuße von knapp 10.000 Euro belegt worden – einem Sechstel der „falschen“ Socken. Auch die Kroaten wurden wegen „falscher“ Trinkflaschen im Spiel gegen Dänemark zu gut 60.000 Euro Strafe verdonnert..
„Was sendet man da für ein Signal?“, fragt Klaveness. Natürlich sei es für die Fifa einfacher, kommerzielle Verstöße zu handhaben als solche, bei denen es um politische Botschaften geht. „Ich bin für Meinungsfreiheit und im Fußball kochen auch mal Gefühle hoch“, sagt Klaveness: „Aber wenn man feststellt, dass ein Regelverstoß vorliegt, speziell einer mit rassistischem Hintergrund, erwarte ich andere Signale.. Da muss es die härtesten Reaktionen geben. Nicht bei kommerziellen Verstößen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei!
Jetzt unterstützen
Events wie die WM oder die Olympiade sind Verkaufsshows und Marketing-Ereignisse mit angeschlossener Sportunterhaltung. Folgerichtig werden Marken sanktioniert, die keinen 'Eintritt' bei der FIFA dem IOC gezahlt haben - Nazibanner werden ausgeblendet. Diese Methode wurde schon während der EM 2016 in Frankreich praktizeirt: medienfresser.blog...potemkinsches.html
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen