Kolumne Die eine Frage: Wenn ich tot bin, werd’ ich Öko

Warum empört Trumps misogyner Satz „Grab them by the pussy“ die Leute mehr als die Aufkündigung des Pariser Klimaabkommens?

Mann betrachtet Gletscher

Öko (Symbolbild) Foto: dpa

Nach öffentlichen Diskussionen schleichen manche Leute aus dem Publikum nach vorn, um noch mit den Diskutanten zu sprechen. Anfangs war ich geschmeichelt, wenn jemand auf mich zukam. Ah, Fans, dachte ich .

Weit gefehlt.

Zu mir werden immer nur die gleichen Sätze gesagt. Erstens: „Sind Sie etwa der Vater von Paulina Unfried?“ Zweitens: „Da fehlt aber eine Frau“, oder: „Das war aber nicht korrekt quotiert.“

Erstens: Ja. Zweitens: Kann sein. Aber es ist noch nie jemand gekommen und hat gesagt: „Da fehlt aber ein Öko.“

Selbstverständlich gibt es in der neuen Mittelschicht ein Bewusstsein für die globale Pro­blem­di­men­sion von Klimawandel, für Erderhitzung und die damit zusammenhängenden sozialen Verwerfungen. Aber, wie Harald Welzer in der taz ­futurzwei ausführt: „Öko sind wir erst, wenn wir alle tot sind!“ Unser Bewusstseinszustand ist eine Art Gebet, mit dem das Sprechen das Handeln weitgehend oder komplett ersetzt. Das Bewusstsein für das Problem enthält auch nicht das Bewusstsein für den zentralen Pfadwechsel zu einem anderen Wirtschaften.

Vor allem fehlt es an der handelsüblichen Gut-böse-Konstellation der kulturell und emo­tio­nal eingeübten identitätspolitischen Themen. In der Konsequenz führt das dazu, dass Trumps ­misogyner Proletensatz „Grab them by the pussy“ einen stärkeren diskursiven Impact auslöst als die Aufkündigung des Pariser Klimaabkommens zur globalen Eindämmung der Erderhitzung.

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Trumps Verfehlung markiert unseren emanzipatorischen und identitätspolitischen Fortschritt. Wir sind auf dem richtigen Weg und müssen jetzt dranbleiben und dafür kämpfen. Dito Gauland.

Stimmt ja auch. Nur sozialökologisch ist das nicht so simpel. Trump ist hier eine große Bedrohung. Aber Kanzlerin Merkels Rede im Berliner Tempodrom diese Woche vor dem Rat für Nachhaltigkeit war auch eine Kapitulationserklärung. Wir sind – um mal moralisch zu werden – gegenüber zeitlich und räumlich Entfernten in diesem Bereich auf einem ungleich inakzeptableren Niveau, als es Trump gegenüber Frauen an den Tag legt. Wir sind so was von low.

Die migrantische Lesbe

Aber das ist jetzt ein Moralausstoß, der schon wieder kontraproduktiv wirkt. Meine Vermutung ist, dass die Ökos und die Grünen das Resistenzproblem zum Teil selbst verursacht haben durch die permanente Moralisierung, sodass den Leuten angesichts ihrer gelebten Realität gar nichts anderes übrig zu bleiben scheint, als auszuweichen.

Publizisten finden, zum Beispiel, besonders gut einen Markt, wenn sie mit identitären Verknüpfungen für Partizipations- und Emanzipationsrechte von Minderheiten streiten, etwa als Mi­gran­tin oder als Lesbe, idealiter als migrantische Lesbe. Das ist wichtig, keine Frage.

Ich will hier nur klarmachen, dass eine Ökolesbe oder ein Ökomigrant nicht nachgefragt wird. Das bringt dich in keine Talkshow. Schlimmer: Im Gegensatz zu Frau, Migrant, Homo macht Öko im emanzipatorischen Kontext zu einem negativen Außenseiter.

Der CO2-arm lebende Mensch in den westlichen Gesellschaften ist kein Role-Model, weil keiner arm sein will, auch nicht an CO2. Er ist aber auch keine benachteiligte Minderheit, niemand hindert ihn daran, sich selbst ins Off zu stellen.

Man kann in dieser ökorepressiven Gesellschaft nur davon abraten, sich zu outen. Sicherer ist es, so zu tun, als flöge man dreimal die Woche Inland und betriebe zu Hause ein Kohlekraftwerk.

Sonst wird man nicht mehr besetzt. Schon gar nicht von der SPD.

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Chefreporter der taz, Chefredakteur taz FUTURZWEI, Kolumnist und Autor des Neo-Öko-Klassikers „Öko. Al Gore, der neue Kühlschrank und ich“ (Dumont). Bruder von Politologe und „Ökosex“-Kolumnist Martin Unfried

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