Kataloniens Unabhängigkeitsbewegung: Zwischen Paranoia und Ratlosigkeit

Die Unabhängigkeitsbefürworter sind paralysiert. Die Vertreter in Brüssel haben nichts zu tun, in Barcelona ist man gespalten.

Demonstranten in Barcelona tragen Masken mit dem Gesicht des Ex-Regionalpräsidenten Carles Puigdemont

Lauter Puigdemonts bei einer Demo am Dienstag in Barcelona. Nur der Echte, der ist noch in Brüssel Foto: ap

BRÜSSEL/MADRID taz | Es ist eine bizarre und beispiellose Situation. Kataloniens Delegation bei der EU in Brüssel war neben der Bayerns eine der aktivsten einer Region: Konferenzen, Ausstellungen, Förderung von Tourismus und Kultur. Bis zum 27. Oktober, als Spanien die Autonomie Kataloniens suspendierte. Heute herrscht im Delegationsgebäude eine gespenstische Stimmung. Ihr Leiter Amadeu Altafaj, ehemaliger Sprecher der EU-Kommissare Louis Michel und Olli Rehn, verlor über Nacht seinen Job – ebenso wie 15 weitere katalonische Delegationsleiter wie Marie Kapretz in Berlin.

Die Vertretung in Brüssel ist als einzige offen geblieben. Tätigkeit entfaltet sie aber nicht. Sie kann nur auf Anweisung des spanischen Außenministeriums etwas tun – aber es gibt keine Anweisungen, etwas zu tun. Bei einem Treffen der Regionen und Städte der EU im Dezember blieb somit der katalanische Stuhl leer, obwohl die EU Katalonien eingeladen hatte.

Nur eine Anweisung aus Madrid gibt es: die zur Schließung „bis auf Weiteres“. Alle zwölf Angestellten wurden zum 24. Januar nach Spanien zurückbeordert. Madrid wollte vermeiden, dass sich der neue katalanische Parlamentspräsident Roger Torrent in der Brüsseler Vertretung mit dem exilierten Exregierungschef Carles Puigdemont trifft, den Spanien mit Haftbefehl sucht.

Die Angestellten gingen aber nicht zurück. Sie arbeiten weiter, im Leerlauf tun sie irgendwas, schweigsam, mit finsteren Gesichtern – und mit Angst. „Wir sind überzeugt, dass Madrid diese Büros abhört und dass unsere Handys und Mailadressen überwacht werden“, heißt es.

251 Staatsbedienste ohne Job

Nach einer Übersicht der Bürgergruppe „ServidorsCAT“, die der taz vorliegt, haben 251 katalanische Staatsbedienstete seit Aufhebung der Autonomie ihre Jobs verloren, 10 sind in Haft. 24 Behörden wurden aufgelöst, 16 amtlich geschlossen. 100 Gesetzesvorhaben sind suspendiert, 9 Subventionsvorhaben wurden gestoppt.

Unterdessen hat sich am Donnerstag der ehemalige katalanische Vizeregierungschef und Spitzenkandidat der Republikanischen Linken Kataloniens (ERC), Oriol Junqueras, aus dem Gefängnis zu Wort gemeldet. Er schlägt vor, eine „symbolische Präsidentschaft“ mit einer „effektiven“ zu kombinieren: Ein unbelasteter Politiker wird Regierungschef, Puigdemont bleibt „legitimer Präsident im Exil“.

Vertreter Kataloniens in Brüssel

„Wir sind überzeugt, dass Madrid diese Büros abhört“

Der Vorstoß macht klar: Das Unabhängigkeitslager ist gespalten. Denn Puigdemonts „Gemeinsam für Katalonien“ (JxCAT) hält weiterhin an der Amtseinführung ihres Spitzenkandidaten fest. Die ERC, der auch der neue Parlamentspräsident Torres angehört, spricht demgegenüber davon, „Puigdemont zu opfern“, um zu einer handlungsfähigen katalanischen Regierung zu kommen.

Am Dienstagabend sah es so aus, als habe Puigdemont aufgegeben. „Das hier ist vorbei. Sie haben uns geopfert“, textete er am Dienstagabend nach der Vertagung seiner möglichen Wahl durch das katalanische Parlament auf unbestimmte Zeit. Ein Privatsender machte die Nachricht öffentlich.

„Die letzten Tage der katalanischen Republik“

Kameraleute hätten das Handy fotografiert, als der Adressat – Puigdemonts ehemaliger Gesundheitsminister Toni Comín – die Nachricht las, so der Sender. „Der Plan der Moncloa“ – Spaniens Regierungspalast – „hat funktioniert. Das sind die letzten Tage der katalanischen Republik“, schrieb Puigdemont demnach weiter.

Nach der Veröffentlichung meldete sich Puigdemont per Twitter zu Wort. „Ich bin auch nur ein Mensch und es gibt Zeiten, an denen auch ich zweifle“, entschuldigte er sich. „Aber ich bin auch der Präsident, und ich werde nicht zurückweichen.“

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