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Grüne über Elke Twestens Parteiwechsel„Ich habe das nicht ernst genommen“

Die Abgeordnete Twesten habe ihre Unzufriedenheit nur angedeutet, sagt Fraktionschefin Anja Piel. Beim Parteiwechsel sei es um persönliche Gründe gegangen.

Was Twesten zum Parteiwechsel bewegt hat, weiß nur sie Foto: dpa
Andrea Maestro
Interview von Andrea Maestro

taz: Frau Piel, hatten Sie wirklich keine Ahnung davon, dass ihre Fraktionskollegin Elke Twesten zur CDU überlaufen wollte?

Anja Piel: Dass es eine diffuse Unzufriedenheit bei Frau Twesten gibt, war uns bekannt. Wir haben darüber gesprochen und geguckt, wo wir sie unterstützen konnten.

Worum ging es denn?

Sie hat sich Unterstützung gewünscht, etwa wenn es darum ging, Regierungshandeln in den Wahlkreis zu vermitteln. Christian Meyer, Stefan Wenzel …

… die grünen Landesminister für Ernährung beziehungsweise Umwelt …

… und ich haben deshalb Termine im Wahlkreis mit ihr zusammen gemacht.

Gab es inhaltliche Konflikte?

Nein. Wir haben alle Abstimmungen im Parlament gewonnen, und es hat an keiner Stelle von Frau Twesten die Ansage gegeben, sie wolle nicht mitstimmen. Aber natürlich haben wir mitbekommen, dass sie im Mai ihrer Wahlkreiskonkurrentin unterlegen ist.

Bild: dpa
Im Interview: Anja Piel

Die 51-Jährige ist seit 2013 Fraktionsvorsitzende der Grünen im Niedersächsischen Landtag. Zuvor war sie drei Jahre lang Landesvorsitzende und dann Spitzenkandidatin ihrer Partei.

Was hat sie darüber gesagt?

Sie hat das sehr persönlich genommen und das Gefühl gehabt, dass es eine Front gegen sie gab.

Frau Twesten hat im Interview mit der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung gesagt, Sie hätten ihre Signale nicht gehört.

Es war am vergangenen Dienstag kein außergewöhnlicher Umstand, dass Elke Twesten in meinem Büro stand und mit mir sprechen wollte. Das war eines dieser vielen Gespräche, in dem sie mir gesagt hat, es ginge ihr im Moment nicht gut mit der Gesamtsituation.

Wie haben Sie darauf reagiert?

Ich habe versucht, ihr Ratschläge zu geben, weil sie das Gefühl hatte, dass die Stimmung im Kreisverband schwierig sei. Es gab keinen Anlass für mich anzunehmen, dass sie ihre grünen Projekte im Landtag nicht beenden will.

Frau Twesten hat zudem gesagt, dass sie sich als „interner Störfaktor“ gefühlt habe.

Wir haben in der grünen Landtagsfraktion eine ausgesprochen positive Zusammenarbeit, in die auch Elke Twesten einbezogen war. Eine isolierte Abgeordnete ist sie nie gewesen. Den Vorwurf, der sich ja an alle Mitglieder der Fraktion richtet, weise ich zurück.

Wie beurteilen Sie Twestens Schritt?

Ich bin sehr enttäuscht und ich bekomme die beiden Personen nicht mehr zusammen. Ich habe hier eine Abgeordnete, die mir immer erzählt hat, Frauenpolitik sei ihre Herzensanliegen, und jetzt wechselt sie zur CDU, die nicht mal eine Quote hat.

Haben Sie ihre CDU-Affinität bemerkt?

Dass sie bei parlamentarischen Abenden die Nähe zur CDU gesucht hat, war zu sehen.

Jürgen Trittin spricht von einem „Instrument des Stimmenkaufs“. Haben Sie Belege dafür, dass es sich um eine Intrige der CDU handelt?

Das Wort „Stimmenkauf“ ist immer schwierig. Es mehren sich nun aber Stimmen, dass Elke Twesten verschiedenen Leuten erzählt hat, dass sie Angebote bekommen hat.

Wussten Sie das auch?

Sie hat schon vor Jahren gesagt, dass sie auch von anderer Stelle Perspektiven aufgezeigt kriegt. Und in diesem vagen Bereich hat sie immer mal Andeutungen gemacht.

Wie haben Sie reagiert?

Ich habe das ehrlich gesagt nicht wirklich ernst genommen, weil es hin und wieder mal vorkam und auch schon sehr früh in der Legislaturperiode. In solchen Situationen habe ich sie gefragt, ob sie unzufrieden ist, aber wenn dann nichts kommt und sie nichts Konkretes sagt, was soll ich da machen?

Nach außen wirken die Grünen nun, als hätten sie ihre Fraktion nicht im Griff.

Der Satz ignoriert, dass ein Abgeordneter Mensch bleibt. Hier ging es um persönliche Gründe von Elke Twesten. Wenn der Wahlkreis sagt, wir wollen sie nicht als Kandidatin, können wir als Fraktion daran nichts ändern. Das entspräche auch nicht unserem Demokratieverständnis.

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14 Kommentare

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  • A) Zur Bundes - Republik (lat. res publica d.h. öffentliche Sache) gehört Öffentlichkeit

    B) Zur Demokratie (griech. demos Volk kratein herrschen) gilt:

    „Denn in den Demokratien, wo es nach dem Gesetze zugeht,

    ist kein Aufkommen für die Demagogen,

    weil daselbst die Besten aus den Bürgern die Stimmführer

    sind.“ (Aristoteles Politik, 4. Buch. 4. Kapitel 1292a7)

    C) GG Artikel 38 (Wahl)

    (1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

     

    Daraus folgt für mich die Frage: Hat sich Aristoteles geirrt, daß die Demokratie die beste Staatsform ist,

    oder sind bei uns nicht "die Besten aus den Bürgern die Stimmführer"?

    • @Peter Meisel:

      In der "Demokratie" nach Aristoteles waren Frauen und "Besitzlose" ausgeschlossen.

      Der von ihnen verwendete Begriff "Bürger" bezeichnete zu der Zeit genau das was man heute wohl als "weiße alte Männer" umschreiben kann.

       

      Es ist also ziemlich Schwachsinnig die heutige "Demokratie" mit ihrer ursprünglichen Form zu vergleichen, das sich die Definition was überhaupt Demokratie ist massiv geändert hat.

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Das deutsche Wahlrecht hat so seine Unstimmigkeiten und Ungerechtigkeiten.

    Wir wählen auf den Stimmzetteln Parteien und keine Personen.

    Warum soll jemand sich mit dem Parteiprogramm beschäftigen, wenn in erster Linie die Integrität der Person für des Ergebnis der Wahl zählt?

     

    Ob Parteienfinanzierung, Überhangmandate oder die hier beschriebene offene Tür für Wahlbetrug und Stimmenkauf, der Stillstand bei der Demokratisierung bringt den Weg der Demokratisierung selbst in Mißkredit.

     

    Leider ist die einzige Partei, die diese Ungerechtigkeiten im Wahlsystem korrigieren will, die Partei DIE PARTEI!

    Das zeigt, wie sehr ernstzunehmen der Rest der Parteienlandschaft ist.

  • "Fraktionschefin", "ihre Fraktion nicht im Griff", ...

    Geht das nicht etwas qualifizierter? Eine Fraktion hat keinen Chef, sondern eine/n Vorsitzende/n. Wann lernen Journalisten das endlich?

    • @mr. fantasy:

      Ist das jetzt bloß sematische Haarspalterei, oder meinen Sie tatsächlich, so eine Fraktionsvorsitzende würde NICHT als "Chefin" auftreten oder agieren?

  • Wer bei so einer Ein-Stimmen-Mehrheit derart lässig mit der sichtbaren Instabilität einer Fraktionskollegin umgeht, hat es auch verdient, die Koalition zerkloppt zu bekommen. Das ist ein Anfängerfehler, wie er im Buche steht.

  • ‚Jürgen Trittin spricht von einem „Instrument des Stimmenkaufs“‘

     

    Andere sprechen sogar von „Verrat“ und, natürlich ohne Beweis, von „Judaslohn“ – Geht’s noch?!

    Weshalb über Frau Twestens Parteiwechsel so viel Rummel gemacht wird, erschließt sich mir nicht. Das gab und gibt es in allen Parlamenten und wird es auch künftig geben. Besonders „rege“ ist man z. B. in Thüringen, wo es in diesem Jahr bereits 2 Übertritte gab: Marion Rosin: SPD zur CDU, Oskar Helmerich: AfD zur SPD. Auch in Thüringen gibt es knappe Mehrheitsverhältnisse, aber Thüringen ging trotzdem nicht unter.

    Ebenfalls üblich ist die Forderung nach Rückgabe des Mandats, sowie die Ablehnung dieser Forderung. Warum auch? Kein Gesetz verlangt das.

     

    TAZ-Autor Michael Bartsch schreibt: „In den Parlamenten lösen Deserteure bei den Verlassenen Irritation und Betroffenheit, bei den Beglückten hämisches Grinsen aus“. Besser hätte ich’s auch nicht zusammenfassen können!

    (Nachlesen: https://www.taz.de/Archiv-Suche/!5404987/ )

  • Tja mit imperativem Mandat hätte es so was nicht gegeben. Da hätte die Basis diese Frevlerin abberufen!

    So sind aber alle Parlamentsabgeordneten nur ihrem Gewissen und ihrer Karriere verpflichtet.

    • @nzuli sana:

      Beim imperativen Mandat sind die Abgeordneten nur noch ihrer Karriere verpflichtet. Konses mit andrer Parteien oder seinem Gewissen zu folgen wird schwieriger. Da wird man schnell wieder vom Mob abgesägt.

    • @nzuli sana:

      Das imperative Mandat ist typisch für Diktaturen (z.B. DDR, Sowjetrussland, Rotchina). Da ist dann in der Tat jeder "Frevel" ausgeschlossen...

  • So so, die CDU hat nicht mal eine Quote. Also kann eine Frau nicht dahin wechseln.

     

    Hm, vielleicht ist die Quote auch das Problem? Vielleicht haben die Männer in der CDU einfach mehr Aufmerksamkeit und Anerkennung für Frau T. übrig ... als ein reiner Frauenladen?

     

    Die Revolution frisst ihre Kinder ...

  • Unkollegial

     

    Offenbar herrscht eine weitgehend unsolidarische und unkollegiale Atmosphäre in der grünen Landtagsfraktion zu Hannover. Da sollte Fraktionschefin Piel mal selbstkritisch sein... Jeder Chef in der freien Wirtschaft würde deshalb infragegestellt.

    • @Hartz:

      und wie genau kommen Sie zu diesem seltsamen Urteil?

      • @Grisch:

        Vergiftet

         

        In einer Fraktion, die kollegial geleitet wird (wie es doch sein sollte...), kommen solche Vorgänge natürlich nicht vor. Da ist die Atmosphäre also mehr oder minder vergiftet. Und da müssen mal Fragen gestellt werden.