Ausweitung der Video-Überwachung: Gesichtserkennung ist okay
Den geplanten Modellversuch zur „intelligenten Videoüberwachung“ am Berliner Bahnhof Südkreuz findet die Datenschutzbeauftragte akzeptabel.
BERLIN dpa | Der von den Sicherheitsbehörden geplante Test biometrischer Gesichtserkennung am Berliner Bahnhof Südkreuz geht aus Sicht der Bundesbeauftragen für Datenschutz in Ordnung. Das Projekt sei „für sich genommen noch nicht als schwerwiegender Eingriff zu sehen“, erklärte Andrea Voßhoff auf Anfrage. Das ändere allerdings nichts an „grundsätzlichen Bedenken“ gegen diese Technologie. „Sollten derartige Systeme später einmal in den Echtbetrieb gehen, wäre dies ein erheblicher Grundrechtseingriff“, so Voßhoff.
Bei automatisierter Gesichtserkennung werden per Videoüberwachung erfasste Gesichter mit Aufnahmen in Datenbanken abgeglichen. Wie das Bundesinnenministerium (BMI) jüngst bekanntgegeben hatte, sollen solche Systeme am Südkreuz erprobt werden, begonnen werden soll im dritten Quartal 2017.
Verantwortlich sind demnach das Bundeskriminalamt und die Bundespolizei. Deshalb ist Voßhoff die zuständige Datenschützerin. Der Test soll bis zu sechs Monate dauern. Den Behörden geht es darum, die technischen Möglichkeiten unter realen Bedingungen auszuloten. Die Vergabeverfahren sind laut BMI in Vorbereitung.
Die Datenschützer von Bund und Ländern hatten Ende März erklärt, sie hielten den Einsatz biometrischer Gesichtserkennungssoftware in Überwachungskameras für rechtswidrig. Es handle sich um einen besonders schweren Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, hieß es. Die Freiheit, sich anonym in der Öffentlichkeit zu bewegen, könne so gänzlich zerstört werden. Außerdem bestehe das Risiko der falschen Identifizierung.
Menschen angeworben, die Daten hinterlegen
Beim Berliner Test sieht ein Datenschutzkonzept Einschränkungen vor: Ein Datenabgleich werde „zunächst nur mit einer begrenzten Zahl von Personen durchgeführt, die sich als Testpersonen freiwillig zur Verfügung gestellt haben“, so Voßhoff. Laut BMI sollen Menschen geworben werden, die bereit sind, dass Fotos von ihnen in einer Datenbank zum Abgleich hinterlegt werden. Auch sollen Hinweise zur Testzone ermöglichen, dass Passanten diese leicht umgehen können.
Die neue Technik könne künftig noch bessere Ergebnisse bringen, etwa bei der Aufklärung von Straftaten, hatte Innenminister Thomas de Maizière (CDU) erklärt.
Mit Blick auf einen tatsächlichen Einsatz solcher Technik in Zukunft stelle sich die Frage, mit welchen Daten die Videobilder abgeglichen werden sollen, so Voßhoff. „Nur mit bekannten terroristischen Gefährdern, mit weiteren Datenbeständen der Polizeien oder sogar mit umfassenden nicht polizeilichen Datenbeständen?“
Die Deutsche Bahn baut nach eigenen Angaben in Zusammenarbeit mit dem BMI und der Bundespolizei ihre Videoanlagen „kontinuierlich aus“. Rund 6000 Kameras bundesweit überwachen demnach mehr als 80 Prozent. Auch die Berliner S-Bahn hatte gerade erst ein Millionen-Programm zum Ausbau der Videoüberwachung angekündigt. Vorgesehen sind unter anderem 360-Grad-Kameras in neuen Zügen.
Leser*innenkommentare
wxyz
Testweise ist ok? Nur das, was fest beschlossen auf die Testphase folgt und ohne dessen feste Absicht es gar keine Testphase geben würde, ist nicht ok?
Ob "nur" doppelzüngig oder Unfähigkeit mit Diplom oder noch etwas anderes wird hier nicht mehr unterscheidbar.
Ein Knackpunkt ist und bleibt auch der Gummibegriff "Gefährder". Ob zukünftig vielleicht auch jeder als Gefährder gilt, der zufällig das falsche Parteibuch in der Tasche hat, bleibt offen.
Wie schnell politisches Kalkül das Demokratieverständnis ändern kann, zeigen u. a. auch die Beispiele USA, Ungarn und Türkei. Der passende Backdoorvirus-Politiker an der passenden Stelle, und schon wird alles anders.
TV
Nach und nach wird der Datenschutz ausgelöchert und protestiert man, kommt die Antwort: Dammbruchargument. Ich freu mich dann schon auf den Perso mit GPS-Sender...
kditd
Hat nicht eigentlich jeder ein "Recht am eigenen Bild"? Das gilt wohl auch nur noch auf dem Papier.
mowgli
Das freundlichste, was ich über diese Frau denken kann nach dem Lesen dieses Textes, ist: Sie ist eine totale Fehlbesetzung. Ich wüsste wirklich gern, wer sie auf ihren Posten gehievt hat und warum. Wobei – das Warum kann ich mir beinah selber denken.
"Für sich genommen" mag ein solcher Test ja vielleicht noch kein Beinbruch sein. Nur kann man ihn gar nicht "für sich" nehmen. Ein Test ist schließlich dazu da, einen Regelfall vorzubereiten. Und wenn diese Gesichtserkennung eine Regel wird, ist sie nicht bloß ein "schwerwiegender Eingriff" in das gesellschaftliche Gleichgewicht, sondern eine echte Katastrophe.
Grisch
Was bitteschön ist denn ein gesellschaftliches Gleichgewicht? zumal in diesem Zusammenhang? und in wiefern wird das dann durch Gesichtserkennungssoftware beeinträchtigt?
Ich vermute mal eine "echte Katastrophe" ist etwas anderes...
Lowandorder
Mal 'n Schritt über die Nasenspitze hinausgedacht - kerr!
Wenn beim "Gefährderzugriff"-2.0 der - JaJa -
Herr Thomas Meier*, Potze 58, zerlegt zwischen den Gleisen liegt!
Statt des Herr Thomas Meier*, Potze 85, weil er jenem Herrn -
Was biometrisch ähnelt! - Nu. &¿ - "Aber si'cher dat!"
Dazu a ARDZDF - FrozenThomas:"Shit happens! &
Glücklicherweise kann kein menschliches
Versagen festgestellt werden!" (short cut!) &
Wieder! Klar - "schaute des Glasauge menschlicher!"
"Normal!"
(*Nationalität & Pigmentierung -
Dürfen nach Pressekodex - erst während der
Prozessberichterstattung genannt werden -
Normal!)
Da Hias
@Lowandorder Brazil lassen grüßen. Tuttle, Buttle.