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Kommentar Trumpcare gescheitertEs folgt die Blockade von oben

Dorothea Hahn
Kommentar von Dorothea Hahn

Dass Obamacare bleibt, ist ein zivilisatorischer Sprung für die USA. Doch Verbesserungen werden kaum möglich sein, denn Trump wird sie nun blockieren.

Ein „Gewinner“, der selten gewinnt: US-Präsident Donald Trump Foto: reuters

I n dem Vokabular von Donald Trump gibt es für das, was ihm und der Republikanischen Partei mit der Gesundheitsreform passiert ist, jede Menge Worte. Totales Versagen, Inkompetenz, Schwäche und Desaster sind nur einige davon. Der Mann, der sich als Gewinner angedient hat, ist zwei Monate nach seinem Amtsantritt ein Verlierer. Ausgerechnet bei dem Projekt, dass er zu seiner obersten und ersten Präferenz gemacht hatte, ist der selbst erklärte Meister des guten Deals komplett gescheitert.

Im Gegensatz zu dem, was Trump jetzt behauptet, sind die DemokratInnen nicht für dieses Scheitern verantwortlich. Sie haben von vornherein klar gemacht, dass sie ihr eigenes Gesetz verteidigen würden. Die Schuld liegt einzig und allein im Lager der RepublikanerInnen. Mit Trumpcare haben sie ein Gesetz vorgelegt, dem nicht einmal sie selbst zustimmen können. Zugleich haben sie bewiesen, dass sie zwar blockieren können, aber nicht die geringste Ahnung von konstruktiver Politik haben.

In sieben Jahren, während derer sie „Obamacare“ zum größten Feindbild gemacht und Hunderte von Abstimmungen dagegen organisiert haben, waren sie nicht in der Lage, eine Alternative zu entwickelt, die für sie selbst akzeptabel wäre. Im Augenblick ihrer größten Macht seit Jahrzehnten, in dem sie die Mehrheiten in sämtlichen Institutionen Washingtons kontrollieren, verlieren sie ihre eigene Reform.

Für jene, die noch Zweifel daran hatten, bestätigt die vergangene Woche erneut, dass die republikanische Fundamentalopposition gegen Obamacare nicht das Ziel hatte, die Gesundheitsversorgung zu verbessern. Stattdessen diente sie vor allem zwei Zwecken: Sie sollte die Verwendung öffentlicher Gelder für die Gesundheitsversorgung von Armen und Niedrigverdienern verhindern und sie sollte den ersten schwarzen Präsidenten der USA lähmen.

Nun ist der Augenblick für Schadenfreude über das republikanische Versagen und für Vorfreude auf die kommenden internen Machtkämpfe in der Republikanischen Partei gekommen. Doch darüber hinaus stellt sich die Frage nach der Zukunft der Gesundheitsversorgung in den USA. Mit dem nun – vorerst – geretteten Obamacare hatte das Land zwar einen zivilisatorischen Sprung nach vorn gemacht und die medizinische Versorgung für Millionen zuvor nicht Versicherte ermöglicht. Doch Obamacare benötigt an sehr vielen Stellen Arbeit und Verbesserungen. Beides will Trump nicht leisten. Im Gegenteil: Er will abwarten, bis Obamacare „explodiert“.

Auf die oppositionellen Demokraten, die bislang nicht mehr erreichen wollten als Obamacare, und auf die außerparlamentarische Bewegung, die in den vergangenen Wochen eine beeindruckende Mobilisierung organisiert hat, kommt damit eine neue Herkules-Aufgabe zu. Sie müssen versuchen, Obamacare zu reformieren, die medizinische Versorgung im Land zu demokratisieren und die Kosten zu senken.

Nach acht Jahren, in denen ein Präsident versucht hat, die Gesundheitsversorgung zu verbessern, sitzt nun ein Mann im Weißen Haus, der Widerstand gegen ihren Ausbau leisten wird und auf ihren Zusammenbruch hofft. Dieses Mal kommt die Blockade von oben, während die konstruktiven Vorschläge von unten kommen. Das ist eine ebenso spannende wie radikale Kehrtwende.

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Dorothea Hahn
Korrespondentin
Kommt aus Köln. Ihre journalistischen Stationen waren Mexiko-Stadt, Berlin, Paris, Washington und New York.
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13 Kommentare

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  • ""Sie (Trumpcare) sollte die Verwendung öffentlicher Gelder für die Gesundheitsversorgung von Armen und Niedrigverdienern verhindern (...)"

    Wenn das zutrifft,..."

    Es trifft eben nicht zu, wie ich weiter unten ausgeführt habe.

  • Die Republikaner sind eigentlich schon lange zwei Parteien, nämlich auf der einen Seite die halbwegs verantwortungsvollen Konservativen alter Schule und auf der anderen Seite Radikale, die mit geradezu besoffener Begeisterung den Staat praktisch abschaffen und endgültig zum Recht des Stärkeren zurück wollen.

     

    Im Grunde wäre da eine Spaltung notwendig, aber das ist mit dem Wahlsystem der USA, in dem Koalitionen keinen Platz haben, einfach nicht kompatibel. Letztlich wird sich die Demokratie der USA in einer tödlichen Blockade verrennen. Wenn bei entgegengesetzten Interessen alle Seiten stark genug sind, um alles zu zerstören, aber keine stark genug, um sich durchzusetzen, dann ist das fast das Gegenteil von Demokratie, weil niemand regieren kann.

     

    OK, oder es wird eine endlose Blamage für Trump und seine Fans, und in vier Jahren werden alle ganz erleichtert die Demokraten wählen und nicht mehr über diese Periode reden. Das ist aber eine verdammt lange Zeit.

    • @Mustardman:

      "Die Republikaner sind eigentlich schon lange zwei Parteien, ..."

       

      Hier in Deutschland nennen wir das "CDU/CSU".

  • "Sie (Trumpcare) sollte die Verwendung öffentlicher Gelder für die Gesundheitsversorgung von Armen und Niedrigverdienern verhindern (...)"

    Wenn das zutrifft, dann tut sich hier ja ein wahrer Höllenschlund an Gier, Neid und Mißgunst auf Seiten US-amerikanischer Neokonservativer auf... - und epochale Dummheit, weil sich darin ein sozialpolitischer Sprengsatz scharf macht.

    Bismarck, der alte Sozialistenfresser, schuf unser deutsches Sozialversicherungssystem beileibe nicht aus purer Nächstenliebe, sondern weil er Angst vor einer sozialen Revolution hatte.

    Sind nun US-Neokonservative tatsächlich so ungebildet, dass sie ernsthaft glauben Krankenkassen wären quasi das Einfallstor des Kommunismus? (ähnlich haben sie es jedenfalls kommuniziert) - oder aber: Fühlen sie sich vielleicht zu sicher vor dem was da im gesellschaftlichen Bodensatz gärt?

    • @LittleRedRooster:

      Nein, sie verlassen sich darauf, dass die us-amerikanische Gesellschaft in sich so gespalten ist, dass der Bodensatz sich gegenseitig umbringt anstatt sich gegen die Regierung einig zu werden. Und ich befürchte das stimmt.

  • Nicht "Trumpcare", sondern "Ryancare

     

    Anders als für viele andere Republikaner ist die möglichst schnelle Abschaffung von Obamacare für Trump offenbar keine Herzensangelegenheit - immerhin sprach er sich in den Nuller Jahren für eine Einheitskrankenversichterung nach kanadischem Vorbild aus und lobte noch im letzten Jahr den schottischen NHS.

     

    Das verschafft seiner Drohung, Obamas Krankenversicherungssystem bestehen zu lassen, Glaubwürdigkeit. Außerdem trägt der Vorschlag in den Medien inzwischen nicht mehr den anfänglich gebrauchten Namen "Trumpcare", sondern "Ryancare" - weshalb ein Scheitern wahrscheinlich weniger dem Präsidenten als dem Repräsentantenhaussprecher angelastet würde, den Trump möglicherweise ohnehin gerne loswerden möchte.

    https://www.heise.de/tp/features/Trump-warnt-Republikaner-Entweder-Ryancare-oder-Obamacare-bis-2018-3663804.html

  • Nach wie vor gilt, Trump bedeutet nicht Spaltung, er ist das Ergebnis der Spaltung der amerikanischen Gesellschaft. Für eine konstruktive Gesellschaft ist ein hoher Wert, sich der Bevormundung durch sozialistische Narzißten zu entziehen; das hat Trump erreicht. Auf die Phase einer konstruktiven Politik sind Republikaner denkbar schlecht vorbereitet. Das Personalkarussell schneller zu drehen, reicht nicht als Unterhaltungswert. Im Augenblick regiert die Ablehnungsfront und nörgelnde Politikverdrossenheit. Diese Entwicklung ist illustren Aushängeschildern der Demokratie zu verdanken. Trump sollte sich schnell vom selbstbezogenen Chefdiplomaten (haben wir im Überfluß) auf ein konstruktives Niveau besinnen. Wir können weiterhin sinnlos herumstümpern, uns für die Selbstsorge einer kleinen Staatsklientel interessieren. Oder wir packen endlich an, was lange auf den Tisch gehört - Kommando Fortschritt in allen Lebenslagen. Anpacken tun bei uns bisher Armutssklaven und soziale Hilfsdienst Pflichthelfer, andere Anpacker sehe ich nicht.

    • @Picard:

      "Für eine konstruktive Gesellschaft ist ein hoher Wert, sich der Bevormundung durch sozialistische Narzißten zu entziehen; das hat Trump erreicht."

       

      Was sind denn "sozialistische Narzißten"? Mich würde besonders interessieren, wo sie etwas "sozialistisches" in den USA entdeckt haben wollen. Und was verstehen Sie unter einer konstruktiven Gesellschaft? Eine in der sich jeder nur für sich selbst interessiert?

  • "die Verwendung öffentlicher Gelder für die Gesundheitsversorgung von Armen und Niedrigverdienern" das stimmt schon mal nicht, denn gerade das war NICHT das Ziel von Obmacare. Diese "Armen und Niedrigverdiener" waren schon lange vor Obama durch Medicaid steuerfinanziert abgesichert.

     

    Obamacare ist nämlich eine Krankenversicherung zugunsten der Mittelklasse - und da derjenigen die auf eine Krankenversicherung zugunsten eines SUV (o.ä.) verzichteten und dann bei schwerer Krankheit Haus und SUV verloren haben. Und genau diese Schicht sind auch die Wähler der Demokraten.

  • Wir sehen jemanden, der eine Milliarde Verlust gemacht hat; aber in der Lage ist, eine daraus resultierende weit geringere Steuerersparnis als großen Deal zu verkaufen. Und seine Jünger folgen ihm blind. Und deswegen wird das so weitergehen.

  • Wenn die Demokraten das geschickt anstellen, können Sie über gute Sachvorschläge den Präsidenten ganz schön in Bedrängnis bringen und vor allem ihn entlarven. Dass Trump sich immer noch so verhält, als wäre er im Wahlkampf und keine Verantwortung für ein wichtiges gesellschaftspolitisches Thema zeigt - sonst würde er nicht verantwortungslos vom Explodieren von Obamacare sprechen und er würde nicht jede Verantwortung für das Scheitern seines Gesetzesvorschlags zurückweisen - das ist schon die erste Entzauberung. Der Mann lebt in einer Phantasiewelt - wie das für Narzissten üblich ist - und diese Kluft zwischen Phantasie und Wirklichkeit wird irgendwann zum Problem.

    • @Georg Marder:

      "Wenn die Demokraten das geschickt anstellen..."

       

      Guter Witz.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Ich hab die Hoffnung noch nicht aufgegeben ... :-)