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„Es war herrlich!“

Versuchsanordnung Adrienne Goehler, Mitbegründerin der Grünen, über ihre Zeit in der Hamburger GAL-Frauenfraktion

Foto: dpa
Adrienne Goehler

61, war als erste Frau Präsidentin der HfbK Hamburg. Sie gründete die GAL-Frauenfraktion in der Hamburger Bürgerschaft, später war sie Kultursenatorin in Berlin und Kuratorin des Hauptstadtkulturfonds.

Interview Gernot Knödler

taz: Frau Göhler, warum haben Sie 1986 zur Hamburger Bürgerschaftswahl eine Frauenliste initiiert?

Adrienne Göhler: Ich habe die Grünen mitgegründet und war im Bundeshauptausschuss, das heißt, ich habe die Joschka Fischers, Hubert Kleinerts und Otto Schilys dieser Welt ziemlich peng, also hautnah erfahren, und dachte: Das glaub ich jetzt nicht, dass die immer das Rad neu erfinden und Frauen trauen sich ganz lange nicht und sagen dann irgendwann mal mit Piepsstimme: Ich kann’s eigentlich ganz kurz machen, ist eigentlich alles schon gesagt worden. So was macht mich verrückt.

Welche Reaktionen gab es auf diesen Vorschlag, eine Frauenliste aufzustellen?

Lächerlichmachung, hohoho Wolkenkuckucksheim … Thomas Ebermann sagte: Naja, wir werden dann diese Wahl abhaken, mit dem Satz: Wir haben was Tolles probiert und sind unter die fünf Prozent gekommen.

De facto waren’ s dann aber zehn Prozent.

Wir hatten das erste zweistellige Ergebnis in so einer bedeutenden Stadt.

Wie kam es, dass der Vorschlag, trotz dieser Häme durchging?

Ich war komplett unbesoffen und wusste: Nicht einfach, weil sie das einsehen, werden sie das tun. Ich habe mich darauf verlassen, dass die Fundis und die Realos sich jeweils nicht das Schwarze unter dem Fingernagel gönnen. Hab’ich gedacht: Mechte sein, dass ich einfach in diesem Konfliktfeld durchmarschiere – und so war es dann auch.

Hat die Frauenfraktion besser funktioniert als die gemischte Fraktion?

Die hat erst mal unfassbar viel an Projektionen abgekriegt. Ich bin ja Psychologin von Hause aus und sehr der Psychoanalyse zugewandt. Ich sagte: Mädels, wir werden soo viel Druck haben, lasst uns einen Weiberbeirat gründen, der uns beschützt, aus Frauen, die zu uns in losem Kontakt standen. Auf die Liste sind dann Frauen gewählt worden, von denen man weiß, dass die ’ne kleine Order gekriegt haben.

Vom Patriarchat?

Du gehst jetzt auf die Liste … Das ging bis dahin, dass man meine Intimfeindin aufgestellt hat. Das sind berühmte Methoden.

Deswegen gab es dann auch Zoff in der Fraktion?

Tatsächlich waren nicht alle Feministinnen. Und es gab auch keine Gesprächskultur, auf die wir uns einigen konnten. Aber wir waren sehr effektiv. Thea Bock hat fast alleine die Umweltbehörde lahmgelegt mit ihren Kleinen Anfragen und ich die Kulturbehörde. Wir waren saugut informiert. Das hat damit zu tun, dass die Frauen in den Verwaltungen auf der Sachbearbeiter-Ebene arbeiten. Die haben alle einen Abteilungsleiter über sich, der sagt: Vielen Dank für die Zuarbeit und macht dann das Gegenteil. Wir haben soo viel Material zugespielt bekommen – es war herrlich! Die Frauen haben mit uns den Kopf ein Stück höher getragen.

Das heißt, die Solidarität mit den Frauen außerhalb war größer als die innerhalb der Fraktion?

Es lief jedenfalls reibungsloser. Es ging ja auch nicht um Konkurrenz. Bei alledem muss man sehen, dass die Fundis und Realos versucht haben, Keile in die Fraktion zu treiben. Herbert Schalthoff, unser damaliger Geschäftsführer, der ist von allen anderen Parteien so hofiert worden wie nie im Leben, damit die nicht mit diesen „furchtbaren Frauen“ sprechen mussten. Ich habe versucht, mich im Parlament nicht zu langweilen. Ich habe mir zum Beispiel den Tort angetan, jede Rede in der weiblichen Form zu halten. Oh Gott, war das anstrengend!

Warum sind Sie aus der Parteipolitik ausgestiegen?

Weil das allerwichtigste Unterscheidungsmerkmal der Grünen verraten wurde: die Rotation. Mir war wichtig, dass immer wieder aktuelle Einflüsse reinkommen, Leute, die eine völlig andere Sozialisation haben. Der Elbfischer Heinz Oestmann etwa war unglaublich anstrengend, weil der sich natürlich an keinen der Diskurse gehalten hat. Aber es war eben interessant, wie der verarbeitet. Wäre die Rotation beibehalten worden: Hartz IV, toleriert von den Grünen, hätte es nicht geben können. Außerdem bin ich ja eher eine Experimentiererin als ein Politikerin. Für mich war die Frage wichtig: Wie würden denn Haushalte aussehen, die von Frauen bestimmt werden? Würde man die Fußgänger nach unten schicken und die Autos oben in der Sonne spazieren fahren lassen?

Könnte man sagen, dass Frauen nicht besser Politik im Stil machen, sondern bessere Politik, was die Inhalte angeht?

Herr Voscherau wollte immerzu neue Polizeihubschrauber haben. Ich fragte: Was kostet den so ein Ding? Unvorstellbare Summen. Ich sagte: Genauso viel kommen in unabhängige Frauenprojekte. Das war auf der Ebene der symbolischen Ordnung – davon wussten wir als Feministinnen was – für mich wichtig. Dann hat Voscherau versucht, das zu kassieren, indem er in der Haushaltsvorlage das Komma verschoben hat.

Würden Sie sagen, dass Sie mit der Frauenfraktion politisch etwas bewirkt haben?

Es war nicht, so dass wir die wahnwitzigen Erfolge eingefahren hätten. Der damalige Umweltsenator Jörg Kuhbier sagte einmal: Und das, was sie wirklich durchgesetzt haben, ist das Ende der Senatsjagd. Wir haben viel im Sinne von Bewusstsein bewirkt. Wir haben den Wählerinnenanteil der Grünen bei bestimmen Gruppen von Frauen vervielfacht. Wir hatten ein Plakat „Einbruch in die Männerwelt“, das eine griechische Statue mit einer Faschingsmaske vor dem Gemächt zeigte. Beim Straßenwahlkampf habe ich oft gehört: Ich möchte das Plakat kaufen, aber ob ich Sie wähle, weiß ich noch nicht.

Was ist bei Ihnen vom feministischen Impuls geblieben?

Wenn ich heute für das Grundeinkommen streite, hat das etwas damit zu tun, dass ich 228 Jahre nach der Französischen Revolution endlich die gleichen Voraussetzungen haben möchte wie die Männer. 1.000 Euro für jeden – unabhängig von Geschlecht, Alter und Schönheit. Und dann verhandeln wir neu! Wenn ich 1.000 Euro sicher habe, kann ich viel mutiger sein, mein Leben selbst in die Hand zu nehmen. Das ist ein ganz starker feministischer Impuls.

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