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Agentur verkauft Treffen mit SPDlernRent a Sozi

Früher hieß es Kamingespräch: Heute vermittelt eine Werbeagentur SPDler an Lobbyisten – für tausende Euro. Ein Verstoß gegen das Parteiengesetz?

Wie gemütlich! Da lässt es sich doch gut über Interessen plaudern Foto: imago/Westend61

Berlin taz | Eine Szene in einem Café. Ein Mitarbeiter der Werbeagentur NWMD spricht mit einer vermeintlichen Kundin und kommt gleich zum brisanten Punkt: „Sie entscheiden, wer daran teilnehmen soll“, verspricht er, „und wir organisieren Ihnen den Minister, den Fraktionsvorsitzenden oder den Staatssekretär, also einfach den, den Sie haben möchten.“

7.000 Euro für einen Auftritt des SPD-Ministers der Wahl: Unternehmen und Lobbyverbände können offenbar gegen Bares persönliche Treffen mit sozialdemokratischen SpitzenpolitikerInnen ausmachen. Das berichtet das ZDF-Magazin Frontal 21, dem Angebote und ein Kostenvoranschlag zu so genannten „vorwärts-Gesprächen“ vorliegen.

Die Szene in dem Café gehört zur Recherche der ZDF-Journalisten. Sie schickten eine PR-Spezialistin im eigenen Auftrag zu der Agentur, angeblich, um einen bezahlten Auftritt eines SPD-Politikers anzubahnen. Früher hätten diese Treffen Kamingespräche geheißen, erzählt der Agenturmitarbeiter ihr offenherzig.

„Aber das muss seit ‚Rent-a-Rüttgers‘ alles ein wenig offizieller klingen, also Vorwärts-Gespräch.“ Dann habe man auch kein Compliance-Problem. Was bedeutet: Dann halte man sich an die nötigen Regeln.

Willy-Brandt-Haus auf Tauschstation

Sind SPD-Spitzenleute käuflich? Diese brisante Frage sorgte in der Berliner SPD am Montag für Entsetzen. Offiziell ging die Partei auf Tauchstation. Das Willy-Brandt-Haus wollte den Vorwurf nicht kommentieren – und verwies auf die Werbeagentur NWMD. SPD-Chef Sigmar Gabriel habe nicht an Vorwärts-Gesprächen teilgenommen, hieß es lediglich in der Berliner SPD-Zentrale.

Die Werbeagentur Network Media (NWMD) ist eine Tochter des Vorwärts-Verlages, der wiederum zur Deutschen Druck- und Verlagsgesellschaft gehört. Die DDVG ist ein Unternehmensbereich der SPD. Der ZDF-Bericht, der am Dienstagabend ausgestrahlt werden soll, gehe an der Wirklichkeit vorbei und blende wesentliche Fakten aus, teilte die NWMD per Pressemitteilung mit.

Die Vorwärts-Gesprächsreihe bestehe sowohl aus gesponsorten wie aus sponsoringfreien Veranstaltungen, aus dieser Reihe entstünden der Vorwärts-Gruppe keine Gewinne, schreibt die Agentur. Die Zahl der Teilnehmer liege bei diesen Gesprächen bei bis zu 20 Personen. Außerdem betont die angegriffene Agentur: „Die Teilnehmer werden im Übrigen nicht vom Sponsor bestimmt.“

Dieses Dementi ist interessant. NWMD behauptet also, der Sponsor könne keine Teilnehmer der Treffen bestimmen. Gleichzeitig bietet ein NWMD-Mitarbeiter der vermeintlichen Kundin des ZDF-Teams genau dies an – gegen Zahlung von 7.000 Euro. Woher der Widerspruch kommt, ließ sich am Dienstag bis Redaktionsschluss nicht klären. Die Agentur NWMD ließ eine entsprechende taz-Anfrage unbeantwortet.

Erinnerung an Rent-a-Rüttgers

Der SPD droht damit kurz vor dem Wahljahr eine peinliche Affäre. Durfte eine Agentur, die zur SPD-Unternehmensgruppe gehört, Auftritte von Spitzenpolitikern verkaufen? So soll zum Beispiel nach dem Frontal 21-Bericht Justizminister Maas im Jahr 2016 ein Vorwärts-Gespräch mit seiner Anwesenheit beehrt haben, welches die Bank ING-DiBa sponsorte. Auch Matthias Machnig, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium und ein enger Vertrauter Gabriels, soll bei einem Gespräch dabei gewesen sein.

Die Causa erinnert an die Sponsoring-Affäre der nordrhein-westfälischen CDU. Die CDU-Zentrale hatte 2010 vor einem Parteitag in Werbebriefen Firmen so genannten Partnerpakete zum Kauf angeboten. Jene beinhalteten die Anmietung von Ausstellungsflächen in der Halle, zusätzlich wurden vertrauliche Gespräche mit Mitgliedern der Landesregierung angeboten. Für 14.000 Euro bot die NRW-CDU zum Beispiel einen 15-Quadratmeter-Standplatz an, für weitere 6.000 Euro gab es einen Besuch des damaligen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers dazu – samt „Einzelgespräch“ am Stand.

Damals stand der Verdacht im Raum, dass die CDU so das Parteiengesetz umgehen wollte, welches den Umgang mit Spenden regelt. Diesem Vorwurf wird sich nun auch die SPD stellen müssen. „Es liegt der Anfangsverdacht vor, dass hier gegen das Parteienrecht verstoßen worden ist“, sagte der Strafrechtler Frank Saliger dem ZDF.

Die Rent-a-Rüttgers-Affäre hatte Sigmar Gabriel, auch 2010 schon SPD-Chef, scharf kritisiert. „Wir verkaufen keine Amtsträger und auch nicht die Partei an andere Leute, die genug Geld haben“, sagte er damals. „Das gilt für die deutsche Sozialdemokratie.“

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18 Kommentare

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  • @ Agenda 2020 - oder was?!

     

    Mal im ernst - wo was üblich ist -

    Kaa Ahnung nicht.

    Fact ist - solche ala SPD Parteienumlenkfinanzierung -

    Ist Bimbes-Kohl-System - dumm.0.

    &

    Wenn ich unter noch aktiven

    Weggefährten über Heiko das Maas

    Abläster - wird mir entgegnet -

    "Ja ok - aber fachlich ist der schonn ok!"

    Das kann ich mit Verlaub - schlicht

    Nicht glauben - wer sich als Volljurist;) auf solche offensichlich verbotene - den einschlägigen Verfassungsnormen&-Rspr. Karlsruhe

    widerstreitende - Parteigelddruckmaschine einläßt -

    Sorry - wo hat der seine Examina geschossen?!

     

    Allein - im übrigen - die offensichtlich

    auf Umgehung gerichtete - also letztlich kriminelle Energie - um so ein Konstrukt mit GmbH-Gründung etc

    Zu Installieren & in Gang zu setzen. &

    Bodenlos - in gleicher Richtung -

    Das verdeckte Interview - ZDF!

    Geht's noch!

    Parteien als "Transmissionsriemen -

    Des Bürgerwillens?!"

    Mach Witze!

  • Diese Praxis ist in bestimmten Parteien gar nicht verwerflich und gang und gäbe - es scheint die SPD dennoch kalt erwischt zu haben. Tatsache ist doch, dass die SPD nähe zu Wirtschaft regelrecht sucht und der Vorwärts hatte früher nur Anzeigen von der Partei und Gewerkschaften, plötzlich, nach der Angenda 2003, änderte es sich und die Anzeigen waren wirklich groß. Die SPD will doch eigentlich so sein, scheint nur so, dass die Öffentlichkeit darüber nicht erfreut ist. Aber wer sich große SPD-Projekte ansieht, dann dient Riester den Versicherungen und Banken, Hartz-IV und die Arbeitmarktreformen nützen der Wirtschaft und besonders den Zeitarbeitsfirmen. Der Schulterschluss mit mächtigen Wirtschaftskreisen ist m.M. nix neues - es zeigt, wo die SPD steht, mindestens bei der Wirtschaft ganz oben, bei den Wahlen geht's dann eher runter.

  • Andere Schlagzeile war gestern "Deutschland ist Müllmeister"

    Viele dachten bei dieser Nachricht auch sofort an das hiesige politische Personal. Ja ist es denn ein Wunder?

  • wenn der souverän alle 4 oder 5 jahre bei wahlen gelegenheit hat, auf die politik einzuwirken, dann nennt man das herkömmlich "demokratie"; wenn die inhaber der medien jeden tag gelegenheit haben, in ihrem sinne auf die politik einzuwirken, dann nennt man das "pressefreiheit"; wenn lobbyisten an 365 tagen im jahr je 24 stunden gelegenheit haben, auf die politik einzuwirken, dann nennt man das mit crouch freundlich "postdemo-kratie", besser doch "demokratur".

  • Wir halten fest: SPD-Minister zum Gespräch mieten? Kein Problem! Und warum tut man das? Um Einfluss zu nehmen - das politische Terrain zu beackern. Am Ende schreiben dann, wie geschehen, Vertreter von Unternehmen Gesetzestexte direkt für die Ministerien. Also ihr Arbeitslosen, Prekär Beschäftigten, Sozial Schwachen: Einfach mal das Portmonnaie aufmachen und ein paar Tausender auf den SPD-Tisch legen - dann kommt Frau Nahles auch zu Euch und erklärt, warum ihr über den Tisch gezogen werdet. Und was machen die GRÜNEN? Na ja, die kriegt man doch für Umme...

  • SPD-Leute sind doch nicht käuflich. Allenfalls kann man sie hier mieten.

    • @Volker Birk:

      Richtig! Auch im Puff kauft man ja nicht die Frau, sondern die Dienstleistung.

  • Das Fotto - auch eindeutig - aber ja!

     

    Typisch - Heiko Maas - ja! - wa!

    Steini I. hätte so billigen Roten nicht akzeptiert!" Ha noi!

    kurz - Billig geworden - Schonn!

    Diese - SPezialDemokraten!

  • Bimbes-Saumagen oder €-Flätle-Suppe -

     

    Alles eine Frage der Fantasie -

    Ehrenwort!

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Lowandorder:

      "Bimbes-Saumagen oder €-Flätle-Suppe -

      Alles eine Frage der Fantasie -..."

       

      Flädlesuppe, nach Flädle = kleine Fladen = in Streifen geschnittene Pfannkuchen:-)

      • @571 (Profil gelöscht):

        Danke & sorry - aber

         

        Horace Greenley Hjalmar Schacht -

        war auch aus Tingley - Nordschleswig

        • @Lowandorder:

          Egal. Jetzt ist erst mal Schicht im Schacht -

          Bis zum nächsten Rüttgers Club!

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    "Sind SPD-Spitzenleute käuflich?"

     

    Für 7 Mille? Hätte vor LAchen beinahe meine Maultasche verschluckt. Das Geld dürfte als Anbahnungsgebühr für echte Korruption dienen.

  • Ich nenne das "Verkaufte Demokratie". Das Selbstverständnis dieser Minister finde ich schon erschreckend. Und dann noch "SPD-Chef Sigmar Gabriel habe nicht an Vorwärts-Gesprächen teilgenommen" - dreist! Sigmar Gabriel trägt m.E. selbstverständlich die Verantwortung für derlei Konstruktionen und ich glaube ihm auch nicht, dass er das nicht wusste.

  • Immerhin hat solches Vorgehen auch eindeutig etwas Positives:

     

    Es gehört jede Menge Mut und auch ein Bemühen um Aufrichtigkeit dazu, wenn eine Partei auch auf solche Weise ungeniert ihr wahres Gesicht zeigt, wie häßlich es auch sein mag.

     

    Wie es sich bereits gezeigt hat, wissen die Wähler so etwas zu schätzen, und vor alles solchen, die bisher noch unentschlossen waren, hilft es sehr bei der Entscheidung, eine solche Partei nie wieder zu wählen.

     

    Andere Parteien sind da viel weniger aufrichtig und setzen nach wie vor alles auf die Dummheit der Wähler.

  • Abgesehen von juristischen Fragen halte ich Gesprächsangebote an Lobbyisten gegen Geld für einen politischen Super-GAU. Wenn das der Grund sein sollte, dass sich führende SPD-ler für die Durchsetzung von CETA engagiert haben, wundert mich gar nichts mehr. Einen besseren Dienst kann die SPD der AfD gar nicht leisten. Die Sozialdemokratie benötigt dringend ein Reset, wenn sie nicht jeglichen Kredit verlieren will. Zeit für einen Aufstand der Parteibasis.

    • @Joba:

      SPD will sich unterscheiden

      • @Lowandorder:

        Aber die hat sich doch schon unter- ähh entschieden. Für's fette Leben. Schon länger her.