Kommentar Radikale „Reichsbürger“: Unterschätzte Hassprediger
Rhetorik und Verhalten der „Reichsbürger“ sind abstoßend und offen militant. Nun werden sie unter strengere Beobachtung gestellt – endlich.
D er Spaß ist schon lange vorbei – nicht erst seit den Schüssen in Georgensgmünd. Als Spinner werden die „Reichsbürger“ bis heute verlacht, als Verwirrte, die sich mit Fantasiedokumenten ausrüsten und Ordnungsämter oder Richter nerven. Noch in jüngsten Publikationen des Verfassungsschutzes liest man von „querulatorischen Schreiben“ und „kruden Theorien“ der Bewegung.
Das trifft zu. Worüber man indes wenig liest: die unverhüllte Gewaltneigung der „Reichsbürger“. Dabei drohen diese schon lange in Schreiben an Behörden mit „Erschießungskommandos“, Migranten schickten sie Ausweisungsbriefe, wegen „Völkervernichtung durch Rassenvermischung“, einige wähnen sich nach eigener Auskunft aktuell im „Befreiungskampf“.
Es ist eine abstoßende Rhetorik – und eine offen militante. Nur wird diese bis heute unterschätzt. Auch so erklärt sich die Überraschung über die Gewalt von Georgensgmünd – und die Erklärung des bayrischen Innenministers, die Bewegung nun genauer beobachten zu wollen. Man hätte es längst tun sollen.
Denn auch gewalttätig wurden „Reichsbürger“ schon zuvor. Ein Anhänger warf Brandsätze auf den Bundestag, in Sachsen-Anhalt schoss einer auf Polizisten, in Sachsen fesselten Mitglieder einen Gerichtsvollzieher. Immer wieder fanden Polizisten bei Razzien in der Bewegung Waffen.
Gerade in Zeiten, in denen Rechtspopulisten und Flüchtlingsfeinde Forderungen nach einem „Widerstand“ gegen „Volksverräter“ popularisieren, gehören die „Reichsbürger“ unter strengste Beobachtung. Sind sie doch Teil einer wachsenden Parallelgesellschaft, die mit diesem Staat abgeschlossen hat und zunehmend zu allem bereit zu sein scheint.
Mehr als 800 Straftaten gegen Flüchtlingsunterkünfte gab es bereits in diesem Jahr und elf versuchte rechte Tötungsdelikte. „Spinner“, die diesem Staat den Kampf angesagt haben und Waffen horten, sind in dieser Entwicklung eine ganz ungute Komponente.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Die Wahrheit
Der erste Schnee