Ohne Klärung geht gar nichts

Kommentar

Stefan AlbertiSPD-Fraktionschef kritisiert seinen Regierungschef

Und das soll Vertrauen in Politik zurückbringen? Die CDU, erschüttert von einer Debatte über Sexismus. Und eine SPD, in der der Fraktionschef seinen Parteivorsitzenden und Regierenden Bürgermeister offen kritisiert, auch wenn er Michael Müllers Namen nicht nennt. Das kann man selbstzerstörerisch nennen. Doch mal unterstellt, dieser Fraktionschef Raed Saleh hat seine These, wonach die SPD von der Volks- zur Staatspartei verkommen ist und Müller diese Kluft nicht genug überbrückt, nicht nur des eigenen Vorteils wegen im Tagesspiegelverbreitet, so hatte er zumindest von Zeitpunkt und Form her keine andere Wahl.

Wenn sich wirklich etwas ändern soll in einer Partei, dann muss das gleich nach dem schockierenden Erlebnis einer Wahlniederlage passieren. Sich aktuell auf die absehbaren Koalitionsgespräche mit Linken und Grünen zu konzentrieren, brächte denen zwar mehr Ruhe. Doch danach würde es heißen: Nun lasst den Senat sich doch erst mal einarbeiten! Und danach: Jetzt bloß nicht vor der Bundestagswahl – im Herbst 2017 – noch ein Fass aufmachen! Danach aber würde sich jeder einigermaßen bequem eingerichtet haben und gar nicht mehr die Notwendigkeit erkennen, etwas deutlich zu korrigieren – wieso denn, man regiert doch.

Saleh kann man auch nicht vorwerfen, er mache erst jetzt den Mund auf: Er wollte ja Nachfolger von Klaus Wowereit werden, der Ende 2014 zurücktrat. Doch die Partei entschied sich klar für Müller. Und auch die Verbreitung nicht über einen SPD-Newsletter oder das Parteiorgan Berliner Stimme ist sinnig, um nach außen zu zeigen: „Wir haben verstanden.“

Die Sache ist bloß: Es gibt offenbar kein Wir oben in der SPD. Sonst hätten Müller und Saleh diesen Text zusammen veröffentlicht. Entweder hat Saleh den Parteichef davon nicht überzeugen können, oder er will Müller aus dem Amt kippen. In jedem Fall muss eine Klärung her: Die große Regierungsaufgabe, von der SPD, Linke und Grüne so oft sprechen, ist unlösbar, wenn sich die größten Partner schon vor dem Start uneins ist.