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Die AfD-Wähler sind das Volk. Die Volksparteien werden sich darauf einstellenSchwarz-braun wie eine CDU-AfD-Koalition

Zu Hause bei Fremden

von Miguel Szymanski

Nicht Merkel ist eine Belastung für die CDU, sondern die neuen deutschen Wähler sind eine Belastung für die traditionellen „Volksparteien“. Es ist deswegen nur eine Frage der Zeit, dass die CDU, mit oder ohne Merkel, programmatisch umsetzt, dass rechts mehr zu holen ist, als sie in der Mitte verlieren kann. Diese neuen AfD-Wähler – die meisten waren vorher den Umfragen nach Nichtwähler – berufen sich auf alte deutsche Tugenden und skandieren „Wir sind das Volk“.

Die Wahlergebnisse geben ihnen recht, und das in einer wachsenden Anzahl von Bundesländern. So zu tun, als seien die AfD und die fremdenfeindlichen rechten Demonstranten im ganzen Land lediglich die Opfer einer falschen Sozialpolitik, die neuen „Lumpen“ sozusagen, die mit ihren Trainingsanzügen auf die Straße gehen, ist eine vereinfachende Sicht. Entweder die Stimmen wurden nicht richtig gezählt, oder sie sind das Volk. Aber sind sie das irregeleitete, das in die Ecke gedrängte Volk? Oder sind sie einfach das Volk?

Als die AfD im Frühjahr in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt die SPD überholte, wurde deutlich, dass ganz Deutschland einen extremen Rechtsruck erlitten hatte. Dafür reichte es, dass sich ein Fünftel bis ein Viertel der Bevölkerung dieses Jahr bei Wahlen die Maske vom Gesicht riss. In Mecklenburg-Vorpommern ist die AfD jetzt schon stärker als die CDU. Die neuen deutschen Wähler zeigen ihr Gesicht. Nur gibt es wenig Neues, dafür viel Deutsches.

Die politische Rhetorik der AfD entstand nicht vor drei Jahren, als die Partei gegründet wurde. Sie kommt im Nachkriegsdeutschland seit vielen Jahrzehnten ungebrochen aus Bonn, Bayern oder Berlin. Intellektuelle waren „Ratten und Schmeißfliegen“, „Wo Müll ist, sind Ratten, wo Verwahrlosung herrscht, ist Gesindel“, „Jetzt wird in Europa Deutsch gesprochen“. Diese Rhetorik wurde nicht von der AfD erfunden, sie hat Tradition in den deutschen Volksparteien.

Strauß oder Kohl, Schäuble oder Söder oder Gauland, der die AfD mitgründete, oder Sarrazin, und andere aus der SPD haben die Vorlagen geliefert und tun es weiter. Wenn es auch nicht schon dieses Jahr eine CDU-AfD-Koalition gibt, diese rechten Politiker wurden aus demselben Material geschnitzt. Auf die Belastung durch die AfD wird sich die CDU schnell einstellen.

Bisher dienten die Volkspartei CDU und ihre Schwesterpartei CSU geschichtlich bedingt dazu, zu kaschieren, wer oder was „das Volk“ ist. Manchmal schimmert es im Diskurs der Politiker durch, wie nahe sie den jetzt von der AfD offiziell vertretenen Positionen stehen – bei den einen, weil sie einmal zu lange im Bierzelt waren, bei den anderen, weil sie auch nüchtern ihre Tendenzen nicht leugnen können; zunehmend, weil es Stimmen bringt.

Die typischen AfD-Wähler wurden, bevor es die AfD gab, von zivilisierten Politikern, diffusen Schuldkomplexen und der Presse im Zaum gehalten, die sie ignoriert hat. Jetzt meinen sie erkannt zu haben, dass alle anderen Politiker Vaterlandsverräter, die Geschichte olle Kamellen und der Rest Produkte der Lügenpresse sind.

Das Virus steckte schon lange im Programm der Volksparteien. Langsam wir man dazu übergehen, die AfD salonfähig zu machen, und sie wird sich auch zur Mitte öffnen wollen. Es gibt aber auch eine gute Nachricht nach der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern: Eine wachsende Zahl von Physikern geht davon aus, dass unser Universum, also auch Deutschland, höchstwahrscheinlich nur eine Art Computersimulation ist.

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