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Motorisierung Als unser Autor in Wolfsburg zur Schule ging, kämpfte er für eine saubere Umwelt. Sein Vater, ein Exilchinese, baute zur gleichen Zeit im Auftrag von Volkswagen VW China auf. Heute lebt der Sohn im Smog PekingsChinesen mögen keinen Diesel

von Felix Lee

Als rebellischer Jugendlicher stellte ich meinem Vater irgendwann die bewusst provozierende Frage: „Papa, wie kannst du es eigentlich verantworten, eine Milliarde Menschen zu motorisieren?“ Würde das nicht die Welt ruinieren? Mein Vater stand damals mitten in Verhandlungen um das zweite große Werk des Volkswagen-Konzerns in der nordostchinesischen Stadt Changchun. Er hatte das Großprojekt initiiert, und in den Jahren zuvor hatte er dazu beigetragen, das erste Werk in Schanghai erfolgreich zum Laufen zu bringen. Erst rechtfertigte er sich: VW sei umweltbewusster als die Amerikaner mit ihren übergroßen Limousinen. Doch ich, im Überschwang meines gerade erst entdeckten politischen Bewusstseins, wollte nicht lockerlassen. Er antwortete genervt: „Du hast das Glück, in Deutschland im Wohlstand aufzuwachsen. Willst du das etwa den Chinesen vorenthalten?“

Das war in der ersten Hälfte der neunziger Jahre. Ich war Gymnasiast in Wolfsburg, der Stadt, in der ich geboren bin und in der ich bis dahin die meiste Zeit meines Lebens verbracht hatte. Die ganze Stadt ist von dem einen Autokonzern geprägt. Wenn es VW gut ging, konnten sich die Wolfsburger teure Urlaube leisten, und es entstanden neue Siedlungen mit Einfamilienhäusern. Erlebte VW eine Flaute, waren in der Wolfsburger Innenstadt die Geschäfte und Restaurants leer. In meiner Nachbarschaft wohnten überwiegend die Familien von VW-Managern. Am Autokennzeichen des für die Ehefrau gestellten Zweitdienstwagens konnten wir erkennen, welchen Rang er hatte.

Ein jugendbewegter Kampf für die Umwelt

Auch wenn die meisten meiner Freunde und ich zu den Nutznießern dieser Industrie gehörten, wenn unsere Eltern uns kostspielige Auslandsaufenthalte, teure Klamotten und eine neue Stereoanlage finanzierten, so gehörte unser Interesse doch dem Umweltschutz. Zweimal die Woche widmete ich meine Schulpause dem von uns ins ­Leben gerufenen Umwelt­laden. Wir verkauften Hefte und Blöcke aus Ökopapier. Das war damals noch graugelb verfärbt – und wer es nutzte, bekannte sich zu einer Geisteshaltung. Ich fühlte mich gut dabei, mir nicht wie die meisten anderen Mitschüler mit 18 sofort ein Auto zuzulegen.

Das ist jetzt fast 25 Jahre her. Heute wohne ich in Peking nur wenige Hundert Meter entfernt vom Dritten Ring, mit seinen acht Spuren pro Fahrtrichtung eine der meistbefahrenen Straßen der 22-Millionen-Einwohner-Me­tropole. Seitdem ich hier lebe, ist aus meiner Gleichgültigkeit gegen Autos geradezu Hass geworden. Im Pekinger Straßenverkehr gilt das Recht des Stärkeren: Je größer und dicker das Gefährt, desto mehr nimmt sich der Fahrer oder die Fahrerin he­raus. Jede Weltstadt würde Peking um seine großzügig angelegten Fahrradstraßen beneiden, die rechts und links aller großen Straßen zu finden sind. Allein: Es gibt kaum noch Rad­fahrer. Infolgedessen sind auch diese Radstraßen für den Autoverkehr freigegeben. Überall endlose Blechkarawanen, die sich nur im Schneckentempo vorwärtsbewegen. „Nur Bauern und Ausländer fahren noch Rad“, sagte mir neulich ein Bekannter, als ich ihn mit meinem Mountainbike besuchte.

Volkswagen und Dieselgate

Erholung: Nach dem Rekordverlust wegen des Abgasskandals verschafft sich Volkswagen etwas Luft. Der Wolfsburger Autokonzern hielt den Rückgang des Betriebsgewinns im ersten Quartal in Grenzen. Schwachpunkt des größten europäischen Autobauers ist weiter die Hauptmarke VW, die den Großteil von „Dieselgate“ zu schultern hat. Sie kam nach dem Verlust im Schlussquartal 2015 zwar wieder in die schwarzen Zahlen, doch mit 73 Millionen Euro war der Gewinn zu Jahresbeginn marginal.

Verlust: Das operative Ergebnis des 12-Marken-Konzerns sank im Auftaktquartal im Jahresvergleich auf 3,1 Milliarden Euro. Im Schlussquartal 2015 hatte Volkswagen noch einen Verlust von 7,4 Milliarden Euro verbucht. Analysten hatten im ersten Quartal mit einem Betriebsgewinn von 2,7 Milliarden Euro gerechnet. Im vergangenen Jahr hatte Volkswagen die Rückstellungen wegen der Abgasaffäre auf 16,2 Milliarden Euro aufgestockt und deshalb den größten Verlust seiner Geschichte eingefahren.

Hoffnung: Analysten sehen Licht und Schatten. Gut entwickelt hätten sich Porsche, Skoda und der Lkw-Bauer M.A.N sowie die Finanzierungs- und Leasing­sparte. Dagegen habe die ­Hauptmarke VW, auf die die Hälfte des Konzernumsatzes von 51 Milliarden Euro entfällt, nur „mit Mühe und Not“ die Rückkehr in die Gewinnzone geschafft. Im China-Geschäft schlägt VW 40 Prozent seiner weltweit verkaufen Pkws los.

Und dann ist da noch der Smog, der die meiste Zeit des Jahres nicht nur Peking, sondern große Teile Chinas in eine dichte Wolkendecke hüllt. Ein giftiger Nebel aus Feinstaub. Viele meiner deutschen Freunde, die mich mal in Peking besucht haben, bemitleiden mich. Wie ich es in dieser dreckigen Brühe aushalten kann, fragen sie. Und ich antworte, dass ich ja gar nicht zu den Hauptbetroffenen zähle, keiner jener Wanderarbeiter bin, die den ganzen Tag im Freien sein müssen. Vielmehr kann ich mir sogar teure Luftreiniger für meine Wohnung leisten. Und muss doch am Ende zugeben, dass ich schlechte Laune bekomme, wenn ausgerechnet an meinem freien Tag die Smog-App mal wieder besonders hohe Feinstaubwerte anzeigt und mir empfiehlt, zu Hause zu bleiben. Ja, Pekings dreckige Luft belastet mich.

Vor einer Weile traf ich einen Vertreter der hiesigen Volkswagen-Zentrale, und er behauptete, dass der Smog nicht auf Autoabgase zurückzuführen sei. In Peking würden schließlich Vorschriften gelten, die der europäischen Abgasnorm „Euro 5“ entsprechen. Der Löwenanteil der Verschmutzung gehe auf die Energiegewinnung im Umland von Peking zurück, also auf Kohlekraftwerke. Doch das glaube ich nicht. Bei über sechs Millionen Fahrzeugen, einer Verdreifachung allein in den letzten fünf Jahren, dürften die Tonnen an Feinstaub, die von Autos verursacht werden, ebenfalls ins Gewicht fallen. Die Chinesische Akademie der Wissenschaften hat errechnet, dass Autoabgase für fast ein Viertel der Luftverschmutzung in Peking verantwortlich sind. Das halte ich für realistisch.

Uns „Pekinger“ belastet das nicht erst, seit die Abgaslügen des VW-Konzerns bekannt geworden sind. Als der Skandal aufgedeckt wurde, stellte ich mir allerdings erneut die Frage aus meiner Jugendzeit: War es richtig, den Chinesen so viele Autos zu verkaufen? Doch anders als vor 25 Jahren weiß ich inzwischen: Es war unvermeidlich.

Wenn ich an jenem Dritten Ring stehe, in Peking mal nicht Smog herrscht, sondern die Luft klar ist und ich dann mal wieder feststelle: Wow, jedes dritte Fahrzeug ist ja ein Passat, ein Bora, Sagitar, Touran, Tiguan, von Skoda ein Octavia, Fabia oder eine Limousine von Audi, dann erfüllt mich dieser Anblick sogar mit Stolz. Ich denke an Wolfsburg, in das es mich die letzten zehn Jahre nur zwei- oder dreimal hingezogen hat. Und komme zu der Schlussfolgerung: Würde es den chinesischen Markt für den Volkswagen-Konzern nicht geben, gäbe es heute wahrscheinlich weder das Wolfsburger Kunstmuseum, noch Phaeno, das Science-Museum; wahrscheinlich wäre der VfL Wolfsburg nicht einmal in der Ersten Liga. Denn all diese städtischen „Institutionen“ verdanken ihre Existenz VW. Und VW wiederum verdankt seinen Reichtum China, seinem inzwischen wichtigsten und größten Absatzmarkt. Derzeit sogar mehr denn je.

Der Boom in China gleicht das globale Minus aus

Es ist fast ein Jahr her, dass US-Behörden den Betrug mit gefälschten Abgaswerten von Dieselmotoren aufgedeckt haben. Seitdem verkauft die Kernmarke VW dort fast 20 Prozent weniger als vor einem Jahr, in Südamerika brach der Absatz sogar um 40 Prozent ein. Und auch in Europa stagniert der Verkauf, VW verliert kräftig an Marktanteilen. Nur in China scheint sich der Betrug kaum auf den Verkauf auszuwirken. So erklärte Volkswagen-Krisenchef Matthias Müller, dass das Wachstum in China womöglich die Rückgänge im Rest der Welt ausgleichen könnte. Er dürfte recht behalten.

Chinesen mögen keinen Diesel. Sie denken dabei an klobige, dreckige Lastwagen, die laut rattern und dicke Rauchwolken ausstoßen. Volkswagen produziert in seinen 18 Fabriken in China nicht ein einziges Pkw-Modell mit Dieselmotor. Und die Zahl der aus Europa importierten Diesel-Fahrzeuge ist vernachlässigbar. Der Abgasskandal hat sich daher kaum auf den Verkauf in China ausgewirkt: Fast eine Million Fahrzeuge lieferte VW im Skandaljahr 2015 an seine Kunden in China aus. Das Plus lag im zurückliegenden Quartal bei 6,5 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum – das ist das beste Quartalsergebnis seit VWs Markteintritt vor mehr als 30 Jahren.

Winter 1980. Ich erinnere mich nur dunkel an meinen ersten Besuch in China, ich war gerade erst fünf Jahre alt. Schanghai: Menschenmassen. Busse, die mit langen Metallstangen an einer Elektroleitung hängen. Verkehrschaos gab es damals schon, wenn auch nicht von aggressiven Autofahrern verursacht, sondern von massenhaft in die Pedale tretenden Radfahrern. Glitzernde Wolkenkratzer fehlten noch völlig, und in der ganzen Stadt roch es nach verbrannter Kohle. Dazu der Dunst aus den unzähligen Garküchen, in denen Hühnerspieße und Teigtaschen über dem offenen Feuer brutzelten. Smog war damals allerdings noch kein Thema. Kohlestaub gab es, aber keinen giftigen Feinstaub, der durch die Lungenwände in den Körper dringt.

Zwischen 1949 und 1978 war das Riesenreich von der Außenwelt abgeschirmt, fast drei Jahrzehnte lang. Die kommunistische Führung unter Mao hatte das so gewollt, auch mein Vater hatte darunter zu leiden. Nach dem Bürgerkrieg und der Machtübernahme durch die Kommunisten im Jahr 1949 war er im Alter von nur 13 Jahren nach Taiwan geflüchtet. Sein Schwager gehörte der unterlegenen Kuomintang an, deren Anhänger sich auf der vorgelagerten Insel verschanzten. Seine Eltern und Geschwister sollten ihm eigentlich folgen, doch die Grenzen waren bereits dicht. Mein Vater musste allein zurechtkommen. Er lebte auf der Straße und reparierte Fahrräder. Er fiel einem Lehrer auf, der ihm erlaubte, nachts in der Turnhalle der nahe gelegenen Schule zu schlafen. Unter einer Bedingung: Er müsse zu seinem Unterricht kommen. Mein Vater nahm das Angebot an. Er schaffte seinen Abschluss und später sogar das Inge­nieurstudium in Deutschland.

Absatzmarkt China Das Plus im letzten Quartal lag bei 6,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Das ist das beste Quartalsergebnis seit Markteintritt

Mein Vater gehörte Ende der siebziger Jahre zu den Ersten, die es wagten, aus dem Ausland nach China zurückzukehren. Ein neuer Machthaber, Deng Xiaoping, hatte das Land geöffnet. Und nichts hatte sich verändert, erzählte mein Vater später. Alles war nur älter geworden.

Als mein Vater mich im besagten Winter 1980 das erste Mal mit nach China nahm, holte uns eine Frau mittleren Alters vom Flughafen ab – in einem Golf. Der war eine Sensation im Schanghaier Straßenbild dieser Zeit. Sobald wir irgendwo standen, umringten uns die Menschenmassen. Es war einer der ersten VWs in China. Und die Frau, die uns am Flughafen empfing, eine der ersten chinesischen VW-Angestellten.

Jahre später erzählte mir mein Vater von den Anfängen des Volkswagen-Konzerns in China. Mein Vater war in den siebziger und frühen achtziger Jahren Ingenieur in Wolfsburg, in der Abteilung für Forschung und Entwicklung. Als die chinesische Führung 1978 die Öffnung des Landes verkündete, interessierte das in Wolfsburg kaum jemanden – bis vor dem hohen Büroturm mit dem großen VW-Zeichen auf dem Dach eine chinesische Delegation vorstellig wurde. Da mein Vater zu dieser Zeit der einzige Mitarbeiter im Werk war, der Chinesisch sprach, wurde er zum Übersetzen dazugebeten. Doch dabei blieb es nicht. Rasch stellte er fest: Damit beide Seiten wirklich zusammenfinden, musste auch mal vom genauen Wortlaut abgewichen werden.

Als ein Mitarbeiter der VW-Finanzabteilung in einem abfälligen Ton von den Chinesen wissen wollte, ob sie überhaupt das Geld hätten, Autos zu produzieren, erwiderte mein Vater: „Wollen Sie jetzt etwa deren Kontoauszüge sehen?“ Hätte mein Vater die Frage direkt übersetzt – vielleicht wäre das Geschäft nie zustande gekommen.

Vor allem auf deutscher Seite waren die Bedenken groß. Denn damals hatte noch keiner in Wolfsburg an China gedacht. Ein isoliertes Land, von politischen Kampagnen eines Fanatikers gezeichnet. Die Skepsis war berechtigt, denn China war arm. Anfangs sei es denn auch lediglich um die Einfuhr von ein paar Hundert VW-Kleinlastern gegangen.

Völlig aussichtslos, befand man in Wolfsburg

Doch der damalige Maschinenbauminister Zhou Zijien wollte mehr: eine eigene Fabrik für Pkws. Ihm schwebte eine Stückzahl von jährlich 150.000 Autos vor. Völlig aussichtslos, befand man in Wolfsburg. Bei unter 100 Mark lag das Jahreseinkommen eines Chinesen, es herrschte Einheitslohn. Wie sollte sich ein normaler Chinese jemals ein Auto leisten können? Niemand hätte geglaubt, dass 20 Jahre später dieses rückständige Land der wichtigste Absatzmarkt für den Wolfsburger Konzern werden würde.

Mein Vater schlug vor, zum einen auf den Dienstwagenmarkt zu setzen. Der Staatsapparat besaß damals zwar auch nicht viele Devisen, doch das sollte sich bald ändern. In den kommenden zwei Jahrzehnten blieb der Staat zunächst größter Abnehmer. Zum anderen hatte mein Vater den gerade erst entstehenden Taximarkt im Blick. In einem Land mit über einer Milliarde Einwohnern, so sein Argument, könne VW es selbst mit nur dieser Zielgruppe auf eine stattliche Stückzahl bringen.

Nun ging es Volkswagen Anfang der achtziger Jahre finanziell schlecht, alle Projekte sollten gestoppt werden. Mein Vater hatte die unschöne Aufgabe, den chinesischen Partnern eine Absage zu erteilen. Für Unternehmen in den damaligen westlichen Marktwirtschaften gehörte das zur Routine, doch im Fall Chinas hätte es auf absehbare Zeit das Ende aller Beziehungen bedeutet. Er plädierte daher dafür, das Tischtuch nicht zu zerschneiden und mit einer kleinen Stückzahl zu beginnen. Die beiden Seiten einigten sich schließlich auf die Montage von 30.000 Santana, in Deutschland damals ein Auslaufmodell. In China entwickelte sich der Passat mit Stufenheck zum Inbegriff des Taxis.

Immer wieder kam es in der Folge zu kulturellen Missverständnissen, etwa bei der chinesischen Namensgebung. Die Konzernleitung in Wolfsburg wollte eine Bezeichnung, die dem Wort „Volkswagen“ ähnlich klingt. Doch jeder Laut mit einem scharfen S klingt für chinesische Ohren nach „Tod“. Mein Vater setzte daher auf die Bedeutung von „Volkswagen“. Er kam auf den Namen „Dazhong“. Auf Chinesisch bedeuten diese beiden Silben „große Menge“, gemeint ist: Volksmasse. Zugleich erinnert das Schriftzeichen Zhong an die drei V in VW. Der Name wurde in China so populär wie kein anderer. Viele dachten, der Volkswagen wäre ein chinesisches Fahrzeug.

Heute ist der Volkswagen auf Chinas Straßen nicht mehr wegzudenken. Und umgekehrt gilt für die Straßen Wolfsburgs: Das China-Geschäft ist für Volkswagen das A und O. Und das Wachstum soll in den nächsten Jahren im hohen einstelligen Bereich weitergehen. In Bau ist das inzwischen 18. Werk. Derweil sind die Straßen Chinas im Begriff, am Verkehr zu ersticken.

Und wie beurteilt mein Vater heute die Motorisierung Chinas? Er ist inzwischen 80-jährig, hat VW schon vor fast 20 Jahren den Rücken gekehrt. Chinas Entwicklung und die von Volkswagen verfolgt er aber auch weiter intensiv mit. „Sicherlich, diese Entwicklung war unvermeidlich“, sagt er. Zumindest mit dem Smog hätte es aber nicht ganz so schlimm kommen müssen. Als die Verkaufszahlen von Volkswagen in China ab Mitte der neunziger Jahren sprunghaft in die Höhe schnellten und sich in Peking und Schanghai die ersten Verkehrsinfarkte abzeichneten, habe er dafür plädiert, auch kleinere Modelle mit umweltfreundlicheren Motoren und weniger PS anzubieten. In China war das Interesse seinerzeit gering. In Wolfsburg aber auch. Warum kleinere und damit billigere Autos anbieten, wenn die Chinesen auf die großen und breiten Karossen stehen? Marktlogik.

Fest steht: Für den nach der Mittelschicht strebenden Chinesen gehört das eigene vierrädrige Gefährt zum absoluten Muss. Und auch wenn ich in Peking ein Auto selbst dann ablehnen würde, wenn es mir jemand schenken wollte, kann ich dieses Lebensgefühl zumindest nachvollziehen. Stand das Auto nicht auch in Deutschland lange Zeit für Freiheit und Unabhängigkeit, für Wohlstand und Mobilität? Erst jetzt verabschieden sich immer mehr Deutsche vom motorisierten Individualverkehr. Ja, ich finde es bevormundend, den zu bescheidenem Wohlstand gekommenen Chinesen ihr erstes Auto zu missgönnen. Und, ja, es gehört zum Selbstbestimmungsrecht eines jeden Landes, die eigenen Fehler zu begehen.

Und wenn mal wieder besonders dichter Smog in Peking herrscht? Dann setze ich mich ins Auto. Schließlich will auch ich mich dieser dreckigen Suppe nicht direkt aussetzen.

Der Autor wurde 1975 in Wolfsburg geboren und ist dort aufgewachsen. Heute lebt er als taz-Korrespondent in Peking

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